Geschrieben am 29. November 2020 von für Musikmag

Chilly Gonzales: A Very Chilly Christmas

Mit Weihnachtsliedern ist es ja so eine Sache: Zu Beginn der Saison verlangt man danach, und nach ein paar Tagen, zumindest Wochen kann man sie nicht mehr hören. Dieses Jahr könnte alles anders sein, ach was, ist es ja schon. Keine Weihnachtsmärkte, auf denen man mit billigem Glühwein und den „Besten Weihnachtshits aller Zeiten“ umnebelt wird, keine Jahrmarktatmosphäre, keine kitschige Handwerkskunst.
Dafür aber „A Very Chilly Christmas“. Das ist genau das passende Weihnachtsalbum für dieses Jahr 2020. Chilly Gonzales bringt die Misstöne der letzten Monate auf einen Punkt, das Leid, die Hoffnung, das Sehnen, die Verzweiflung. „A Very Chilly Christmas“ beginnt mit dem Klassiker aller Klassiker „Silent Night“ in Moll – das allein bringt einen dazu, das Album weiter hören zu wollen. „Good King Wenceslas“, „Silver Bells“, God Rest Ye Merry Gentlemen“, alle Standards sind dabei. Selbst das unerträgliche „Last Christmas“ bringt Chilly Gonzales wieder zu neuem Ruhm, indem er es auf die wirklich erstaunlich gute Komposition herunterfährt und dem Ganzen auch noch ein Spinett hinzufügt.

Die Kollaborationen auf diesem Album können sich aber auch hören lassen. „The Banister Bough“ ist eine wunderbare Eigenkomposition von Chilly und seiner langjährigen Partnerin in crime, Leslie Feist. Es klingt wie die Wiederauferstehung eines alten Hollywoodklassikers, gemacht für einen romantic movie. Und dem Song „Snow Is Falling Manhattan“ verleiht Jarvis Cocker seine unverwechselbare Stimme.

Besonders eindrucksvoll sind aber die Standards, die Chilly durch einen einfachen Wechsel nach Moll in völlig neues Licht setzt. So beim schon erwähnten „Silent Night“, so auch beim eh schon pathetischen „Auld Lang Mynor“, und das mollige „Jingle Bells“ endet mit einer schrillen Disharmonie, die das gesamte Jahr 2020 plötzlich und überzeugend auf den Punkt bringt.

Melancholie für Fortgeschrittene und die richtige Musik, um den Countdown Richtung 2021 zu starten.

Tina Manske