Geschrieben am 27. März 2013 von für Musikmag

British Sea Power: Machineries Of Joy

Britishseapower_Machineries of JoyGlücksspiele

– Vom Tonträger-Verkauf kann in diesen Tagen fast kein Künstler mehr den Lebensunterhalt sichern. Konsequent erscheinen die Wege der Engländer British Sea Power, die nicht nur ein eigenes Label mit Online-Shop betreiben. Als Veranstalter wird vor allem in Brighton zu regelmäßigen Club-Nächten mit alten und neuen Songs geladen, nach einer Serie von EPs entstand daraus der neue Longplayer „Machineries Of Joy“.

In Kooperation mit der BBC und Regisseurin Penny Woolcock setzt die Band nach „Man Of Aran“ mit „From The Sea To The Land Beyond“ zudem das Schaffen im Bereich Filmmusik fort. Und dann ist da noch eine kleine Kooperation mit Giorgio Armani. Kein Scherz.  Von Thomas Backs

Die Krupps und Fehlfarben, das sind womöglich die ersten Assoziationen, die ein deutscher Musikliebhaber beim Lesen des neuen BSP-Albumtitel „Machineries Of Joy“ bildet. Polyglotten Künstlern wie dem Sextett um die Brüder Yan und Neil Hamilton Wilkinson könnte das Schaffen der Herren Engler und Hein im deutsche Post-Punk wirklich ein Begriff sein.

Inspiration für den Titel von Album Nummer 6 (den Soundtrack„Man Of Aran“ mitgezählt) war allerdings jemand anderes: Autor Ray Bradbury („Fahrenheit 451“ und „The Martian Chronicles“), und das auch nicht zum ersten Mal in der Bandgeschichte. Der Song „Something Wicked (This Way Comes)“ auf Longplayer Nummer 1 (2003) bezog seinen Input ebenfalls aus einem Bradbury-Werk (dt. Roman-Titel: „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“).

„Wir würden sagen, das Album ist vor allem warm und stärkend”, wird Sänger Yan vom Label Rough Trade nun anlässlich der Veröffentlichung des neuen Longplayers mit diesem herrlich majestätischen Opener gleichen Namens zitiert. „Die Welt erscheint derzeit so oft als ein irrer, hysterischer Ort. Das kann man sicherlich nicht einfach beiseite schieben, aber wir verstehen diese Platte als eine Art Gegenmittel – wie ein gutes Spielchen Karten in angenehmer Gesellschaft.“

Best of Krankenhaus

Die vorliegende Sammlung trägt als besagtes „Gegenmittel” eben jenen beziehungsreichen Titel „Machineries Of Joy“, hätte aber gut auch „Best Of Krankenhaus“ getauft werden können.„Krankenhaus“ – so der Titel einer monatlichen Abendveranstaltung, die BSP in Brighton, später auch in anderen englischen Städten veranstaltet hatten. Sechs EPs mit Demo-Versionen der dort vorgestellten Songs wurden im eigenen Webshop von Januar bis Juni 2012 unter das Volk gebracht, nun werden Glanzlichter dieser längst vergriffenen Werke in neuen, mit Dan Swift und Mixer Ken Thomas (David Bowie, Queen, Sigur Ros) produzierten Versionen präsentiert.

Das Resultat ist diesmal kein Konzeptalbum, dafür eine lose Kollektion von zehn Titeln, die zwischen gemächlich schrammelnden Indie-Gitarren doch einen Schwerpunkt haben: Hymnenhafter Post-Punk wie beim titelgebenden Song, er bestimmt mit Mut zum Drama und epischer Breite die Grundstimmung, auch bei eingängigen Songs wie „Radio Goddard“ oder „A Light Above Descending“.

Fans und Freude der Band, sie waren quasi beteiligt an der Finanzierung dieses Werks, mit den Krankenhaus-Nächten und dem Verkauf der EPs über das eigene Label ‚Golden Chariot‘ wurden im Schaffensprozess Einnahmen generiert. Crowdfunding der eleganten Art, und ein bemerkenswerter Weg, der an die Do-It-Yourself-Attitüde aus den Anfangstagen von Punk und Wave erinnert.

Ganz sicher nachahmenswert, in diesen schwierigen Zeiten, auch für Musiker auf dem europäischen Festland. Für Künstler bewirken innovative Geschäftsideen wie diese allemal mehr als die meisten aktuellen Konzepte der Medienkonzerne, das gilt für beide Seiten des Kanals. Mit den Einnahmen aus Download- und Stream-Portalen dürfte hier wie dort jedenfalls so schnell kein Kreativer seine laufenden Kosten decken.

britishseapower_sea_to_the_land_beyondFrom The Sea To The Land Beyond

Klar, eines sollte bei diesen Gedankenspielen nicht vergessen werden: British Sea Power sind keine kleine Nummer, zudem finden Newcomer heute deutlich schwierigere Bedingungen vor als die Engländer noch vor zehn, elf Jahren. Mittlerweile sind BSP eine europaweit populäre Band, mit diversen Top-Ten-Alben im UK, einer Nominierung für den Mercury Prize, und nicht zuletzt: einem fantastischen Soundtrack für die Neuauflage des Doku-Klassikers „Man Of Aran“, der auf diversen Film-Festivals rund um den Planeten gefeiert wurde.

Eine Medienpräsenz, die Türen öffnet, „Man Of Aran“ war für BSP die endgültige Eintrittskarte in die lukrative Welt der Filmmusik. 2012 zeigte die BBC erstmals eine Produktion von Regisseurin Penny Woolcock, für deren eindrucksvolle Archivbilder der britischen Küstenlandschaften die Musik des Sextetts erneut die musikalische Untermalung liefert.

Für „From the Sea to the Land Beyond“ wurde Material aus den letzten 100 Jahren im British Film Institute zusammengestellt – thematisch die beinahe logische Fortsetzung des letzten BSP-Soundtracks aus dem Jahr 2009. Die DVD bzw. Blu-Ray-Disc dieses Werks ist ein heißer Tipp. Im Handel erhältlich ist der Film seit Januar 2013, für Festlandeuropäer zunächst allerdings auf Umwegen – einen Vertriebspartner scheint es hier nicht zu geben.

Und die eingangs erwähnte Zusammenarbeit mit Giorgio Armani? Die gibt es tatsächlich. Der Titel „Woman Of Aran“ aus dem „Man Of Aran“-Soundtrack ist im Frühjahr/ Sommer 2013 in diesem Werbespot der Modedesigner zu hören. Anstatt der rauen Klippen von Inishmore unterlegen die sanften Klänge nun steril gefärbte Bilder voll schicker Models an mediterranen Stränden. Von den bettelarmen Fischern an der irischen Westküste des Jahres 1934 zu den Konsumclowns der Gegenwart – viel weiter hätte die Reise kaum führen können.

Thomas Backs

British Sea Power: Machineries Of Joy. Rough Trade/Beggars Group (Indigo). Zur Webseite von British Sea Power.
Penny Woolcock/ British Sea Power: From The Sea To The Land Beyond. 73 Minuten, BFI. Zur offiziellen Seite des Films „From The Sea To The Land Beyond“.

British Sea Power live 2013: 19. Juni: Zürich: Komplex Klub, 20. Juni: Wien: Full Hit Of Summer Festival, 22. Juni: Scheeßel: Hurricane Festival, 23. Juni: Neuhausen ob Eck: Southside Festival, 24. Juni: Köln: Luxor, 25. Juni: Amsterdam: Bitterzoet, 26. Juni: Wiesbaden: Schlachthof, 27. Juni: Berlin: Kleiner Postbahnhof.

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