Geschrieben am 16. März 2011 von für Musikmag

Bright Eyes: The People’s Key

Bright Eyes: The People's KeysStop and go

– Nach vier Jahren melden sich Bright Eyes mit ihrem siebenten Studioalbum, “The People’s Key”, zurück. Dank einem Interview von Conor Oberst mit dem amerikanischen Rolling Stone Magazine rätselt die Welt, ob es das letzte Wort der Band ist. Grund genug für unsere Autorin Janine Andert, ein bisschen genauer hinzuschauen und in die Scheibe reinzuhören.

“It does feel like it needs to stop at some point. I’d like to clean it up, lock the door, say goodbye.”

Ist es schlimm, wenn Künstler erwachsen und gelassener werden? Es kommt auf den Standpunkt an. Aber vor allem auch darauf, was diese Künstler aus ihrem jugendlichen Weltschmerz herausholten. Im Fall von Conor Oberst und seinen Bright Eyes wäre die Zeit besser stehen geblieben. Vielleicht war das genau der Gedanke, den Mastermind Oberst hatte, als er 2010 im amerikanischen „Rolling Stone Magazine“ verkündete, dass „The People’s Key“ das letzte Album unter dem Namen Bright Eyes sein wird. Denn eines muss klar gesagt werden: „The People’s Key“ hat nicht mehr viel mit dem ersten Studioalbum „Letting Off The Happiness“ zu tun. Nach 13 Jahren ist so etwas wie Seelenfrieden eingezogen. Ein anderer Name für das Kind ist dann nur folgerichtig, um eine Abgrenzung und einen Neubeginn zu markieren oder wie Conor Oberst es gegenüber dem „Rolling Stone Magazine“ formulierte: „It does feel like it needs to stop at some point. I’d like to clean it up, lock the door, say goodbye”.

Konzertveranstalter und Ticketverkäufer werben seither gerne mit dem Ende der Band. Tickets waren im Nu ausverkauft, und die Schwarzmarktpreise blühen. Ob es sich hier um das Rolling-Stones-Phänomen, die ja bekanntlich immer auf ihre letzte Tour gehen, handelt oder ob es sich bewahrheitet, wird die Zukunft zeigen. Conor Oberst hat auf seinen unzähligen Webseiten nichts offiziell bestätigt. Warten wir also ab und werfen derweil einen Blick in die Vergangenheit.

Vom Wunderkind zur kreativen Krise

Conor Oberst gründete Bright Eyes 1995 mit gerade einmal 15 Jahren als Ein-Mann-Projekt. Zwei Jahre zuvor, mit 13, rief er mit seinem Bruder Justin, dem heutigen Bright-Eyes-Stammproduzenten Mike Mogis und ein paar Freunden das Independent-Label Saddle Creek (damals noch Lumberjack Records) ins Leben. Bemerkenswert ist, dass Bright Eyes einen enormen Einfluss auf die heutige Musiklandschaft hatten und Saddle Creek zu einem der bekanntesten unabhängigen Musiklabeln gehört, das Künstler wie Cursive, The Faint oder Two Gallants, um nur einige zu nennen, unter Vertrag hat. Was heute so selbstverständlich scheint, Multiinstrumentalisten als Bandmitglieder, Folk- und Countryeinflüsse, war Mitte der 1990er-Jahre rar gesät. Damals hatte alternative Musik vor allem etwas mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug zu tun.

Das Berührende der frühen Bright-Eyes-Alben wie „Letting Off The Happiness“ (1998) oder die EP „Every Day And Every Night” (2000) ist vor allem Conor Obersts Stimme. Zwischen teils schiefem Geschreie und melodischen Klagen, die das gesamte Elend der Welt umfassen, schwingen Wahrhaftigkeit und Beseeltheit mit, die einem fast das Herz zerreißen. Selbst die Akustikgitarre schlägt der junge Oberst an, als würde er sie im nächsten Moment zertrümmern. Wären da nicht die ruhigen, hochprofessionellen Intermezzo, würde der Hörer vor lauter Emotionalität zerbersten. Genau diese Art von Musikalität bringt ihm den Ruf des manisch-depressiven Wunderkindes ein. Neben dem experimentellen Umgang mit eigentlich am Singer-Songwritertum angelehnter Musik liegt ein großes Augenmerk auf sehr poetischen Texten, die eindringlich Sorgen, Gedanken und Gefühle des Erwachsenwerdens schildern.

Diese Anfangswerke gelangen aber erst zu einem kleineren Bekanntheitsgrad als „Lifted Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground“ 2002 in die US-amerikanischen Albencharts Einzug hält. Der endgültige Durchbruch gelingt 2005 mit gleich zwei Veröffentlichungen. Das elektronisch gehaltene „Digital Ash In A Digital Urn“ steht im Kontrast zum Country beeinflussten „I’m Wide Awake It’s Morning“. Gerade dadurch zeigen sich die Vielfältigkeit und das Potenzial von Bright Eyes. Zudem wird die Suche eines jungen Mannes nach seinem musikalischen Weg deutlich. Dennoch sind diese Platten erwachsener und eingängiger als ihre Vorgänger. Schleichend verliert sich die monströse Entäußerung der Innerlichkeit.

2007 erscheint das bisher erfolgreichste Werk, „Cassadaga“, das Platz 4 der US-Charts erreicht – ein schönes, aber doch recht glattes, ruhiges Country-Popalbum. Die einstigen Ecken und Kanten werden durch opulente Orchestereinlagen ersetzt. Die Stimme hat nun endgültig den jugendlichen Drang und das Brüchige verloren. Damit hätte Conor Oberst aber lediglich den Indiebereich in Richtung Mainstream verlassen, was einfach nur eine konsequente Entwicklung gewesen wäre, die man je nach musikalischer Präferenz bedauern oder begrüßen kann. Und trotzdem ist ein alter Spleen, die Sprachsamples, geblieben, was das Ganze schon wieder sympathisch macht.

Schwierig wurde es in den letzten vier Jahren. Viele durchaus gute Nebenprojekte wie beispielsweise Conor Oberst and the Mystic Valley Band oder die Monsters of Folk täuschten nicht über einen gewissen Mangel an Inspiration hinweg. Es war, als hätte Oberst nichts mehr zu sagen. Das äußerte sich in gut produzierten und arrangierten Platten, denen die Dringlichkeit, das Manische und die Wut fehlen. Niemand erwartet, dass ein Künstler stagniert. Aber das Alte darf sich nicht nur abnutzen, sondern muss durch etwas Neues ersetzt werden. Mittlerweile gibt es derartig viele Bands auf dem Sektor der alternativen Folk- und Countrymusik, dass sich Obersts Beiträge in reibungsloser Belanglosigkeit ergießen und nur noch ein Muss für echte Fans sind.

„The People’s Key“

Zurück aus den warmen Produktionsgefilden in Mexiko und Texas nahm Conor Oberst das Album in seinem kalten Heimatort Omaha, Nebraska, auf, quasi als Zirkel zurück zum Anfang. Neben Oberst sind an „The People’s Key“ Mike Mogis (gleichzeitig Produzent) und Nathaniel Walcot beteiligt, also die Stammbesetzung, die sich im Laufe der Jahre herauskristallisierte. Zusätzlich wurden sie von Andy LeMaster, (Now It’s Overhead), Matt Maginn (Cursive), Carla Azar (Autolux), Clark Baechle (The Faint), Shane Aspegren (The Berg Sans Nipple), Laura Burhenn (The Mynabirds) und Denny Brewer (Refried Ice Cream) unterstützt. Ebenfalls ein typisches Bright-Eyes-Phänomen – wer bei Saddle Creek unter Vertrag steht oder irgendwie zum Freundeskreis gehört, darf auch mal bei der Band des Chefs mitmischen.

Schon beim ersten Track, „Firewall“, deutet sich in einer Konstanten so etwas wie Veränderung an. Die von Conor Oberst so geliebten Sprachsamples, die immer auf weiblichen Stimmen beruhten, werden durch den Monolog eines alten Mannes ersetzt. Der Biker und New-Age-Schamane Denny Brewer aus El Paso darf seine Lebensansichten zum Besten geben. Abgesehen davon, dass Herr Brewer die Hauptinspirationsquelle für Obersts neues Werk ist, sind diese zwei Minuten und 23 Sekunden – so interessant die Worte auch sein mögen – für denjenigen, der Musik hören will, nervig. Ist dieser Teil überstanden, eröffnet sich eine wunderbare neue Bright-Eyes-Welt. Da ist wieder das gewisse Etwas, das aus dem Einheitsbrei heraussticht. Songs über das Leben, das Wesen des Menschen, die Liebe, die Abgründe, das Licht wechseln zwischen dunklen und hellen Tönen. Lyrisch wie musikalisch ist das breite Spektrum des Erfahrungshorizonts eines mittlerweile 31-jährigen Conor Oberst abgebildet. Überraschend kann zu „Jejune Stars“ fast getanzt oder doch zumindest fröhlich der Kopf im Auto auf der sommerlichen Landstraße mitgewippt werden. Bis der alte Mann wieder sabbelt – dazu muss der Hörer wirklich in Stimmung sein. Im nächsten Stück, „Approximate Sunlight“ sind sie dann wieder, die Samples einer Frauenstimme, unaufdringlicher, sich einbettender als die lehrerhaften Weisheiten des 60-jährigen Schamanen. Ganz unverhofft fällt dann spätestens ab diesem Song auf, dass „The People’s Key“ nichts mehr mit Country und nur noch sehr wenig mit Folk am Hut hat. „Approximate Sunlight“ geht eher in die Richtung von warmem, samtigem, exrem langsamem Soul. Im nächsten Stück kippt der Sound wieder in die Schiene des hymnischen Indie-Pops. Volle Arrangements, viel Melodie, Mitsinggarantie. Der intimste Track ist der „Ladder Song“. Als die Arbeiten am Album Ende 2010 fast abgeschlossen waren, beging ein enger Freund von Conor Oberst Suizid. In der Klavierballade verarbeitet Oberst diesen persönlichen Verlust.

Das Herausstechende von „The People’s Key“ ist der Abwechslungsreichtum, der von traurigen Songs bis zu fröhlichen Mitsingliedern reicht. Am Ende wurde jede Emotion einmal auf Sparflamme durchlebt. Zur Intensität der frühen Aufnahmen haben Bright Eyes jedoch nicht zurückgefunden. Im Ausklang wird dann ganz unschuldig „One for you, one for me (…) you and me that is an awful lie/ It’s I and I” gesungen. Hoffen wir, dass die Menschen nicht ganz so egoistisch sind. Klammern wir uns lieber an „One for the struggle and one for the lasting peace”. Und plötzlich bekommen die Vorträge des alten Mannes, der mal wieder spricht, einen Sinn. Er gibt seine Lebenserfahrungen weiter. Alles beginnt in Liebe und wird in Liebe enden. Es geht darum zu lernen, zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen, zu verzeihen, sich zu erbarmen. Versöhnlich, durchaus pathetisch, irgendwie touchy, mit vielleicht einem Hauch zu viel evangelisch-weltverbesserlichem Tenor. In jedem Fall ein Wort zum Abschluss: Tschüss Kinder! Habt euch in Zukunft lieb! Seht euch als Teil des Ganzen! Wenn es wirklich das Ende von Bright Eyes sein sollte, lassen wir sie in Frieden ruhen und freuen uns auf einen geläuterten Conor Oberst, mit hoffentlich spannenden Projekten.

Janine Andert

Bright Eyes: The People’s Key. Polydor (Universal).
Die Homepage der Band. Bright Eyes bei Facebook sowie auf Myspace. Free Downloads gibt es hier.

Bright Eyes live:

19.6. Berlin, Columbiahalle (C-Halle)

21.6. Köln, E-Werk

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