Geschrieben am 17. August 2019 von für Musikmag

Bon Iver: i,i

Der Titel des neuen Albums der Band Bon Iver sagt es schon, wenn auch gewohnt kryptisch: Mastermind Justin Vernon geht aus sich heraus, das introvertierte Genie tritt einen Schritt zur Seite und nimmt Dinge wahr, die außerhalb seiner Körperwände vor sich gehen. Klimawandel, toxische Männlichkeit, das nie enden wollende Erwachsenwerden, alles hat seinen Platz. Das Album wurde überraschend Anfang August digital veröffentlicht, und die Öffnung auf allgemeinere Themen hat sicherlich auch damit zu tun, dass Bon Iver als Band weiter wächst.

Alles begann 2007 mit „For Emma, Forever Ago“, der Platte, die Vernon angeblich ganz alleine mit seinem Laptop in einer Blockhütte aufgenommen und mit der er unter anderem die Trennung von seiner Freundin verarbeitet hatte. Von dem dort gezeigten Langbart-Folk über „Bon Iver, Bon Iver“ bis zum trickreichen elektronischen „22,A Million“ von 2016 war es ein langer Weg. Der Erfolg der letzten Platte brachte nicht nur Gutes, sondern hatte für Vernon auch Angsterkrankungen im Gepäck. „i,i“ setzt sich auch damit auseinander.

Die erste Single „Hey Ma“ ist aber eine fast schon poppige, aber dennoch verzwickte Ode an Vernons Mutter. Denn in einem Punkt bleibt er sich treu: Songs von Bon Iver sind nicht einfach so konsumierbar. Im Grunde ist es wie mit den Filmen von David Lynch, bei denen man eine ungewisse Faszination verspürt, aber dennoch nächtelang über verschiedene Deutungsmöglichkeiten streiten kann. Oder wie Vernon es ausdrückt: “We’re not gonna hide behind this curtain this whole time, we’re gonna say something that’s pretty basic – something you can chew on.” Mitgewirkt haben an „i,i“ Musiker wie James Blake und Moses Sumney.

Insgesamt gibt es auch auf dem neuen Album diese zum Alleinstellungsmerkmal gewordene Mischung aus Elektronik und Folk, ja manchmal möchte man es Frickel-Country nennen. Bei den anstehenden Live-Auftritten wird man dann sehen, wie die Band das auf die Bühne bringt.

„So what of this release?/…/ well it’s all fine and we’re all fine any way“ – so endet das Album, versöhnlicher, als man das erwartet hätte.

Tina Manske