Geschrieben am 6. April 2011 von für Musikmag

Bodi Bill / Trouble Over Tokyo

Bodi Bill: What?Reduktion und Überladung

Wie sich Rockmusik und Elektronika in einem Stil praktizieren lassen, das gehen Bodi Bill und Trouble over Tokyo mit ganz unterschiedlichen Ansätzen an, findet Tobi Kirsch.

Wieso eine Kombination zweier so vielfältiger Ansätze? Ein Vergleich bietet sich aus mehreren Gründen heraus an: Beiden Projekten wurden große Vorschusslorbeeren gegeben und auch inhaltlich sind auf einigen Ebenen Parallelen gegeben. Bodi Bill sind nun jedoch die Berliner Konsens-Band, die sich aus einem Elektro-Kontext heraus mit dem neuen Album emanzipiert hat und diesen Weg scheinbar gemeinsam bewusst beschritten hat. Die neuen elf Songs sind mit einem filigranen elektronischen Gerüst ausgestattet, die weniger auf den plumpen Effekt zielen als ein stark auf den Song ausgerichtetes Format in schillernder Eleganz erblühen lassen.

Die Jungs haben ihre Lektionen in Sachen Pop gelernt, das kostet vielleicht ein paar Zuhörer im jungen Marktsegment, lässt sich aber sicher in ein paar Jahren immer noch angenehm nachvollziehen. „What?“ klingt wie aus einem Guss, der mit einem Hidden Instrumental gekonnt ausblendet. Ihren Songs und dem Gesangsstil haftete auch vor diesem ausgefeilten neuen Werk ein gehöriges Maß Pathos an.

Trouble Over Tokyo: The HurricaneEtwas weniger Effekthascherei, bitte

Womit die Brücke zum Solokünstler Toph Taylor alias Trouble Over Tokyo geschlagen wäre, der mit seinem Debüt „Pyramides“ vor drei Jahren einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Seine melancholisch geprägten Lyrics wurden kontrastiert mit Ausbrüchen rockistischen Lärms, der mitunter kräftig durch elektronische Klänge verstärkt wurde. Dort war jemand wütend und/oder verletzt. Top Taylor machte dieses Weltschmerzgefühl mit seinen geschickt gewählten Mitteln deutlich. Dem wurde reiflich viel Zuspruch gewährt und nicht zu Unrecht erwartete man gespannt den Nachfolger.

„The Hurricane“ geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Leider neigt der Brite mit Wohnsitz Österreich jedoch dazu, in manchen seiner Kompositionen ein wenig übers Ziel hinaus zu schießen. Wo es ihm vereinzelt gelingt, die Emotionen gezielt auf den Punkt zu bringen, ohne den Zuhörer mit Effekten zu überfordern (genialer Pop wie in „Flames flicker“), misslingt es ihm jedoch an anderer Stelle (Titelsong). Diese Art der Musik hat das Problem, auf der Schwelle zu stehen zwischen emotionaler Tiefe und musikalischem Ausdruck, der mitunter zu über ambitioniert erscheint. Nur weil einem der Kamm schwillt, muss das noch lange nicht nachvollziehbar sein. Manche Brüche im aktuellen Album bleiben einfach ein Geheimnis.

Nun hat der gute Toph für dieses Album zum ersten Mal Hilfe in Form von einem Studio- Engineer gehabt. Vielleicht hat dieser oder ein anderer beim nächsten Werk ein wenig mehr Mut, dem ganzen ein wenig mehr Richtung zu geben. Das heißt nicht, den gleichen Weg wie Bodi Bill zu beschreiten, die die Flucht in die gekonnte Reduktion angetreten sind.

Etwas weniger effekthascherisch würde Herrn Taylor schon gut tun, von seinem sonstigen Talent bin ich nach wie vor absolut überzeugt. Nur mag ich es nicht, wenn mit der Keule auf meine Ohren von mehreren Seiten eingeschlagen wird. Schade, dass der Künstler dieser Versuchung in Songs wie „Operate“ nicht widerstehen konnte. Vielleicht haben ihm die Lobeshymne auf sein Debüt nicht wirklich gut getan? Live bleibt er dennoch eine Klasse für sich, auf der Bühne lassen sich solche Eskapaden mitunter auch leichter verzeihen.

Tobi Kirsch

Bodi Bill: What? Sinnbus (Rough Trade);
Trouble over Tokyo: The Hurricane (Schönwetter Schallplatten, Broken Silence).