Geschrieben am 3. Juli 2021 von für Musikmag

Bobby Gillespie and Jehnny Beth: Utopian Ashes

Für ihr gemeinsames Album “Utopian Ashes“ schlüpfen Jehnny Beth und Bobby Gillespie in die Rollen einstiger Liebender – Reflektionen eines Paars, das sich von einander entfernt hat, aber noch miteinander spricht. Immerhin. Es gibt Vorbilder für dieses Konzept, zum Beispiel Tammy Wynette und George Jones, die 1971 das Countryalbum „We Go Together“ aufnahmen, oder Emmylou Harris, die mit Gram Parsons „Grievous Angel“ sang. Beth und Gillespie blicken zurück auf eine Zeit, die nur noch auf „old photographs“ sichtbar ist, das (Zusammen-)Leben hat sie zermürbt: „You saw the risk that you should take / But never did / Or do you stand like this / Cos life washed you out / And left nothing / But madness in your eyes“ („Remember We Were Lovers”).

Die Songs wirken verletzlich und bitter, es herrscht erstauntes Bedauern über das trübe gewordene Mit- bzw. Nebeneinander, das in „Living A Lie“ in Wut umschlägt: „“It’s time to say goodbye / But we’re scared to go / We can just keep on pretending / That no one wants to end it”. Oder Resignation: „You’ll never know / what love is“ singt Gillespie, und erinnert kaum noch an die wahlweise wütende oder abgedrehte Primal-Scream-Ära. Sowieso ist es erstaunlich, wie überzeugend Jehnny Beth und Gillespie ihre jeweiligen Images beiseite legen, um den Songs Raum zu geben. Beths Stimme erweist sich als emotional und wandelbar, zuweilen klingt sie fast wie die junge Patti Smith.

Die Arrangements sind auf „Utopian Ashes“ ebenso wichtig wie die inhaltliche Klammer: Die Stücke wurden von Gillespies Primal-Scream-Kollegen Andrew Innes, Martin Duffy und Darrin Mooney eingespielt, Jehnny Beths musikalischer Langzeitpartner Johnny Hostile ist für Bass- und Gitarrenparts zuständig, ergänzt durch zahlreiche Streicher und Bläser. Der Opener „Chase It Down“ und „Your Heart Will Always Be Broken” schwelgen in nostalgischem Soul – Northern und Southern -, “English Town” kommt in schwermütigem Walzertakt daher, während „Stones Of Silence“ die Orgeln fiepen lässt wie zu wildesten „Screamadelica“-Momenten. „Sunk In Reverie“ ist eine melancholische Absage an gute/schlechte alte Partyzeiten: „They will suck you like a vampire / Pretend that they’re your friend / The narco sends them psycho / Then comes crashing down on them”. Die Dinge werden und können nicht so bleiben, wie sie waren – was kommt, ist ungewiss. Vielleicht sind die guten Jahre einfach vorbei. Dass Beth und Gillespie diesem durchaus entmutigenden Zwischenstadium Würde und Schönheit abringen, macht den Zauber dieser Platte aus.

Christina Mohr

Bobby Gillespie and Jehnny Beth: Utopian Ashes (Silvertone / Sony).

Video „Remember We Were Lovers”