Neue Platten von und mit Sankt Otten, Der Plan und Roedelius Schneider, gehört von Tina Manske.
Souverän innovativ
Wer wissen will, wie sich Krautrock im Jahr 2013 anhört, der sollte sich die neue Platte der Band Sankt Otten aus Osnabrück anhören. In schön regelmäßigem Jahresrhythmus geben Stephan Otten und Oliver Klemm ja seit Jahren ihre Alben heraus, aber mit „Messias Maschine“ haben sie nun doch für eine Überraschung gesorgt.
Das liegt vor allem an den vielen Musikerkollegen, die sie sich für Kollaborationen an Land gezogen haben. Bereits der Opener „Du hast mich süchtig gemacht“, „Das große Weinen ist vorbei“ und „Das Geräusch des Wartens“ (die Songtitel sind natürlich typisch Sankt Otten) begeistern mit der Drummer-Legende Jaki Liebezeit (u. a. Can), der wieder einmal einen stoisch-exakten Stiefel runtertrommelt, dass man nur staunen kann.
Aber auch Minimal-Star Ulrich Schnauss oder Christoph Clöser (vom Slowcore-Giganten Bohren und der Club of Gore) passen großartig zu den langgezogenen Ambient-Stücken dieser Band, die man leicht als Kopfkino-Soundtracklieferant abtun könnte, wenn sie dabei nicht so verdammt souverän und – bei aller Wiedererkennbarkeit – innovativ klingen würden.
Sankt Otten: Messias Maschine. Denovali Records (Cargo).
Prophet in der Ferne
Der Plan aus Düsseldorf gelten als einer der Mitbegründer der Neuen Deutschen Welle. Im Jahr 1983 komponierten Moritz R®, Kai Horn und Frank Fenstermacher die Musik zu Rainer Kirbergs experimentellem Film „Die letzte Rache“. Damals war das Album beim Label Atatak erschienen, nun veröffentlicht Bureau B den Soundtrack noch einmal.
Die Platte sorgte – wie der Film, zu dem Moritz R® darüber hinaus Kulissen bastelte und in dem Frank Fenstermacher einen kleinen schauspielerischen Auftritt hatte – für gemischte Reaktionen, auch, weil die Musik von Der Plan hier experimenteller und weniger zugänglich klang als auf ihren vergangenen Alben. Die meist äußerst kurzen Stücke wirken sicherlich in Verbindung mit dem Film mehr als von ihm separiert, doch mit „Junger Mann“ und Andras Doraus Gastauftritt ist selbst hier ein Hit dabei. Das wieder veröffentlichte Album enthält dazu als Bonus die sechs Stücke des Films „Der Grottenolm“.
Wie es aber manchmal so ist mit den Propheten: Sie gelten in der Ferne mehr als im eigenen Land. So ging es auch dem Plan, der u. a. in Japan ein größeres Publikum hatte als zwischen Nordsee und den Alpen. Im Jahr 1984 war es dann soweit: Eine Tour führte die Bandmitglieder nach Nippon, auf Einladung der Kaufhauskette Seibu. Sechs Konzerte spielte man dort, und die CD „Der Plan in Japan“ dokumentiert nun die Setlists dieser Konzerte. Neben Titeln der vorangegangenen Platten wurden einige experimentellere Stücke auch extra für die Konzerte produziert.
Der Plan: Die letzte Rache / Der Plan in Japan. Beide Bureau B (Indigo).
Ein wahres Spiel
(TM) Welch eine Konstellation, welch ein Versprechen: Wenn Hans-Joachim Roedelius (CULTurMAG-Leser kennen ihn sowieso, andere schon lange durch seine Bands wie Cluster und Harmonia) auf Stefan Schneider von To Rococo Rot trifft, darf man feinste Ambienttechnik gepaart mit formidablen Percussions und Rhythmusexperimenten erwarten. Schon ihr erstes gemeinsames Album („Stunden“, 2011) war ein Erfolg bei Kritik und Publikum. Nun folgt also „Tiden“, das auf denselben Vorgaben beruht.
Stefan Schneiders Faible für repetitive Muster versteht sich aufs Wunderbarste mit der pianissimo Ambientschwelgerei eine Roedelius. Die Stücke sind meist nur wenige Minuten lang, dafür aber aufs Höchste konzentriert. Das ist eben nicht die gefällige Musik, die man auflegt, während draußen gerade die Gezeiten wüten. Nein, Roedelius und Schneider gehen aufeinander ein, spielen im wahrsten Sinne des Wortes miteinander. Um zu hören, wie da etwas und was da passiert, muss man schon seine Ohren aufsperren. Dann aber wird man mit einem konzisen, umwälzenden Sound belohnt, dem jede Marktschreierei fremd ist.
Roedelius Schneider: Tiden. Bureau B (Indigo).