Geschrieben am 4. Februar 2015 von für Musikmag

Blitzbeats: Heinz Strunk, Aphex Twin, Deichkind

Neue Platten von und mit Heinz Strunk, Aphex Twin und Deichkind, gehört von Tina Manske.

AL227HeinzStrunk_SieNanntenIhnDreirad_CoverHeinz Strunk: Sie nannten ihn Dreirad

Vor kurzem veröffentlichte Heinz Strunk auf Facebook eine Sammlung von kurzen „Glaubenssätzen“, die so richtig Bock auf Weiteres machten. Darunter fanden sich Perlen wie „HS rät: Wer in Todesangst im Bett liegt, sollte versuchen, sich zu Sexualvorstellungen zu flüchten“ oder „HS über Frauen: Auch für die Schönste kommt einmal der Moment, wo sie auf offener Straße warten muss, bis der Hund an ihrer Leine zu Ende geschissen hat“. Das war natürlich große Literatur, ein dicker Schmatzer ins Gesicht der alltäglichen Unerträglichkeiten.

Insbesondere machte es aber Bock auf die neue Platte von Strunk. Die ist jetzt erschienen und enttäuscht im Vergleich leider etwas. Was beim Facebook-Post noch richtig lustig war, rutscht auf „Sie nannten ihn Dreirad“ in den Klamauk ab. Nicht, dass Klamauk etwas Schlimmes wäre. Aber Strunk verschenkt mit Titeln wie „Scheisshaus Alien“ oder „Analdämpfer“ oder gar dem komplett stullen „Geht ja gar nicht“ sein Potential. Mehr als „Fäkal- und Fress-‚Humor’“ (Michael Sailer) ist hier leider nicht drin. Leute, die die letzte Platte vom Jeans Team haben, brauchen die Billig-Mucke von „Sie nannten ihn Dreirad“ jedenfalls nicht auch noch. Seine Looks jedoch, die sind richtig cool: Heinzer, das männliche Pin-Up.

Heinz Strunk: Sie nannten ihn Dreirad. Audiolith (Broken Silence).

aphextwin_computercontrolledAphex Twin: Computer Controlled Acoustic Instruments EP Pt. 2

Wer wissen will, was ihn beim neuesten Streich von Richard D James aka Aphex Twin erwartet, der achte auf den Titel der aktuellen EP: Bei „Computer Controlled Acoustic Instruments“ sind tatsächlich Roboter am Werk, die Schlagzeug, Keyboard etc. anhand von programmierten Algorithmen bedienen. Erst im letzten Jahr war Aphex Twins Longplayer „Syro“ erschienen, auf dem er so ziemlich alles richtig zu machen schien – aber auch sehr vorhersehbar war. Nichts davon auf der neuen Platte: So warm und organisch klang James schon lange nicht mehr, if ever. Soviel Soul wie bei „diskhat1“ war selten, fast fühlt man sich wie im Jazzkeller. Zwischendrin kommt dann auch mal ein Drumsolo von unter einer Minute Länge, einfach, weil er es kann. Tatsächlich: mit diesem zweiten Teil, zu dem es keinen ersten Teil gibt, lässt Aphex Twin ganz neue Töne hören. Noch dazu hat er gerade auf Soundcloud nicht weniger als 110 (!) Tracks online gestellt. Der Typ ist verrückt, und wir haben alle was davon.

Aphex Twin: Computer Controlled Acoustic Instruments EP Pt. 2. Warp (Rough Trade).

deichkind_niveauweshalbwarumDeichkind: Niveau Weshalb Warum

Apropos Klamauk: Auch Deichkind haben ihr Scherflein dazu beizutragen. Hier erwartet man allerdings auch nichts anderes. „So ne Musik“ wird man ja wohl noch hören dürfen?, denkt man sich, und setzt sich für die Dauer der CD die Stumpfbrille auf. Obwohl: Deichkind beschäftigen sich durchaus mit wichtigen Themen unserer Zeit. „Denken Sie groß“ thematisiert die überall waltenden Motivationsmantras der Leistungsgesellschaft („lasern Sie die Welt, und dann weg mit Brille“), und in In „Like mich am Arsch“, dem gar nicht so heimlichen Hit der Platte, fasst die Band sehr schön zusammen, mit welch oberflächlichem Stuss wir uns täglich auf Facebook beschäftigen. „Powered by emotion“ dagegen ist komplett zusammengesetzt aus Werbeslogans, von denen wohl nur Über-40-Jährige alle kennen dürften. Musikalisch ist bei Deichkind übrigens alles beim Alten, Hip-Hop trifft auf Elektro. Dafür gibt’s allerdings coole Reime („Wir wollen nur an dein Geld ran/ war schon immer so, frag mal deine Eltern“), und schließlich die Rechtfertigung für alles: „Wir haben Ferris/ und was habt ihr?“

Deichkind: Niveau Weshalb Warum. Sultan Günther Music (Universal).

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