Geschrieben am 7. Mai 2014 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Da Cruz und Wye Oak, gehört von Thomas Backs (TB) und Tina Manske (TM).

dacruz_discoeprogressoDisco und Fortschritt

(TB) „Ordem E Progresso“ – so ist es auf der Flagge Brasiliens zu lesen. Das portugiesische Motto des Staates: „Ordnung und Fortschritt“. Da Cruz bringen anno 2014 die Dancefloor-Variante, „Disco E Progresso“ heißt ihr neuer Longplayer. LP Nr. 4 von Mariana da Cruz, Ane H., Oliver Husmann und Pit Lee ist gleich ein Doppel-Album geworden, besonders die erste Hälfte sorgt für Lebensfreude, Hüftschwung und Samba-Stimmung. Es ist also mal wieder Zeit für unsere kleine Serie ‚Weltmusik, heute‘.

Ein heißer Mix, den das Quintett aus der Schweiz da auf die Plattenteller und Tanzflächen dieses Planeten bringt. Mariana da Cruz stammt aus Brasilien, landete auf einigen Umwegen in Bern. „Urban Brazilian Disco“ könnte ein Titel für das sein, was da Cruz nun seit zehn Jahren mit ihrem Partner Ane H. und den Mitmusikern produziert, eine bunte Melange aus Samba, Bossa und Disco – mit Elektro, Gitarre und Bläsersätzen. Durchweg fröhlich und tanzbar ist die erste Hälfte dieses neuen Doppel-Albums, exemplarisch für diese „Bright Side“ ist die Single „Bola Da Discotea“.

„Dark Side“ heißt der zweite Longplayer des Doppels, die innerliche Zerrissenheit Brasiliens soll mit dieses Zweiteilung aufgezeigt werden. Das scheinbar sorglose Easy Listening der ersten Hälfte weicht hier musikalisch dunkleren, fast teutonisch anmutenden Elektro-Klängen und Stakkato-Beats. Drum`n` Bass beinahe, was da als „Soundtrack für den Aufstand“ gedacht ist. Vielleicht nicht ganz zufällig: Ane H. alias Ane Hebeisen gehörte früher zur schweizerischen Industrial-Formation Swamp Terrorists.

Gründe dafür haben Da Cruz genug, schließlich ist Brasilien meilenweit entfernt von der heilen Welt, die in diesem Sommer über die Massenmedien des Mainstreams vermittelt werden soll. „Seit ich denken kann, wird der Jugend in Brasilien der Aufstieg zur Wirtschaftsmacht in Aussicht gestellt, doch passiert ist nichts“, sagt Mariana Da Cruz selbst. Die Sängerin zählt sich selbst zu einer ‚Generation der Desillusionierten‘. „Es verwundert mich nicht, dass die Leute langsam ungeduldig werden. Brasilien befindet sich stets eine Bohrinsel vom Durchbruch entfernt, als ob es nicht aussichtsreichere Ressourcen in diesem Land gäbe.“ Die Künstlerin hat ihr einst sichereres Leben in Südamerika einem zunächst eher prekären in Europa geopfert.

Im Sommer 2014 steht Brasilien im Blickpunkt der Welt.„Disco E Progresso“ hält den Soundtrack bereit.

Da Cruz: Disco E Progresso. Boom Jah Records/ Broken Silence. Zur Website von Da Cruz.

wyeoak_gloryGemausert

(TM) Wye Oak probieren nach dem Riesenerfolg ihres dritten Albums „Civilian“ auf ihrer neuen Platte etwas Neues aus. Wo in der Vergangenheit die Gitarren eindeutig den wichtigsten Part in der Instrumentenpalette spielten, ist auf „Shriek“ ganz klar die Rhythmus-Sektion die treibende Kraft. Wer jetzt die Hosen anhat, wird z. B. beim Hit des Albums „Glory“ klar (dessen Teenie-Video sehr schön die Stimmung des Films um die „Virgin Suicides“ aufnimmt), und dort ganz besonders am Schluss. Der Beat, der da schon einige Minuten herrlich nach vorne getrieben hat, gerät da ins Stolpern und wird aufgefangen vom herrschenden Basslauf, der als stützendes Gerüst das ins Schlingern geratene Stück auffängt – herrlich.

Grund für die geänderte Songstrukturen ist die veränderte Produktionstechnik durch Trennung – Jenn Wasner und Andy Stack schickten sich gegenseitig Songideen von der Westküste der USA nach New York und zurück und entwickelten die Stücke dann separat weiter. Was zu Beginn noch etwas Anlauf braucht, mausert sich zu einem der interessantesten Indiealben dieses Frühlings – übrigens auch wegen Wasners nach wie vor tollem Gesang.

Wye Oak: Shriek. City Slang (Universal).

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