Neue Platten von Douglas Greed, Peggy Sue und Plaid, gehört von Tobi Kirsch (TK), Tina Manske (TM) und Christina Mohr (CM).
All fun, no play
(TM) Sollten Sie vorhaben, sich in diesem Jahr nur noch eine Tanzplatte zu kaufen, dann nehmen Sie diese hier. Sie werden es nicht bereuen. Und auch wenn Sie nicht mehr an Alben glauben und Ihre Musik sowieso nur noch bei iTunes loaden – machen Sie eine Ausnahme. Geben Sie dem Debüt von Douglas Greed aus Jena die Chance, Ihre Dance- UND Popplatte des Jahres zu werden. Nach Apparat macht auch Greed Ernst damit, den Dancefloor zu entkrampfen. Dem Hirn ist es ganz egal, wo man „KRL“ hört, ob im Club oder auf dem Klo, es befreit sich so oder so von althergebrachten Mustern. House, Esoterik, Dreampop, Dunkles und Helles gehen hier eine ganz natürliche Symbiose ein. Mit von der Partie sind die fünf befreundeten, aus aller Herren Länder stammenden Mitmusiker Mooryc, Pascal Bideau, Kemo, Ian Simmonds und Delhia, die ebenso traumwandlerisch sicher durch die zwölf Tracks wie Greed selbst. Plus: Wenn Sie demnächst mal wieder ein Idiot fragt, was denn jemals Gutes aus Ostdeutschland kam, wissen Sie spätestens jetzt, was Sie antworten können.
Douglas Greed: KRL. Freude am Tanzen (Kompakt). Zur Homepage.
Minimale Wall of Sound
(CM) Der Bandname führt auf eine falsche Fährte: Das Trio Peggy Sue ist keine Retro-Rock’n’Roll-Combo. Katy Beth Young, Rosa Slade und Olly Joyce kommen auch nicht aus Amerika, sondern aus Brighton und leben seit einiger Zeit in London. Auf dem 2010 erschienenen Debütalbum „Fossils And Other Phantoms“ war schon ihr eigener Stil deutlich erkennbar, den Peggy Sue auf ihrer neuen Platte weiterführen: psychedelisch angehauchter Folk mit Progrock- und Postgrunge-Elementen, mal ganz herb und minimal, aber auch mit Mut zur opulenten Wall of Sound. Während der Aufnahmen haben Peggy Sue Platten von Sonic Youth und den Breeders gehört, was man „Acrobats“ auch anhört. „Fossils…“ baute hauptsächlich auf die Schaffung einer bestimmten Klangfarbe, „Acrobats“ ist fokussierter, die Band konzentriert sich mehr auf die Songs, die Melodien und den intensiv-berückenden Gesang von Rosa und Katy. Die Single „Song & Dance“ könnte keinen passenderen Titel tragen, Weirdo-Folk reicht sich mit tuckerndem Rave-Groove die Hände; der „Parking Meter Blues“ ist knochentrockener äh, Blues, „Funeral Beat“ ist so eindringlich, traurig und berückend wie ein Song von Azure Ray. Dass „Acrobats“ in Sound und Stimmung zuweilen an PJ Harvey erinnert, kommt nicht von ungefähr: Peggy Sue ließen ihre neue Platte von Harveys langjährigem musikalischen Partner John Parish produzieren.
Peggy Sue: Acrobats. Wichita (PIAS). Zur Homepage von Peggy Sue und zur Myspaceseite.
Wo Feuer ist, sprühen die Funken
(TK) Plaids neues Album ist lateinisch betitelt, „Scintilli“ bedeutet: „Ich bin viele Funken“. Klingt nach Feuer, dass nicht nur ein bisschen lodert. Nach acht Jahren Pause haben Plaid dreizehn Titel fertig gestellt, und gleich vorab: Es sprüht mächtig. Auf Warp wird ihnen die große Aufmerksamkeit sicher sein, sie haben sie sich mit diesem Meisterwerk aber auch redlich verdient. Plaid sind Ed Handley und Andy Turner, zuletzt traten sie mit dem Soundtrack zu einem Film von Michael Arias an die Öffentlichkeit. Doch nun zu ihren aktuellen Tracks. Was das Album wirklich außergewöhnlich macht, ist die ungeheure Vielfalt, die Leichtigkeit und Verspieltheit mit dem gebotenen Ernst und einem sinnvollen Gesamtkontext zusammen denkt. Wo andere nur pluckern und einige vor allem die Basslinie in den Vordergrund rücken, passiert hier alles nebenher, ohne allzu herausfordernd für den Hörer zu agieren. Ganz hervorragend.
Plaid: Scintilli. Warp (Rough Trade). Mehr hier.