Geschrieben am 16. März 2011 von für Musikmag

Beth Ditto: EP

Gossip sind (fast) tot, es lebe Beth Ditto – Christina Mohr hat sich das erste Soloalbum der Lagerfeld-Muse angehört.

Beth Ditto: EPDiscodiva

– Es war nur eine Frage der Zeit, bis Beth Ditto auf Solopfaden wandeln würde – so lautete zumindest die Prophezeihung der Rezensentin nach der Veröffentlichung von „Standing In The Way Of Control“ (2006). Der Besuch einiger Konzerte und das ’09er-Album „Music For Men“ verstärkten diesen Eindruck noch: (The) Gossip aus Arkansas sind eine gute Band, aber hauptsächlich durch Beth Dittos stimmliche und körperliche Präsenz. Gossips (neuerdings ohne „The“) Mix aus Disco und Rock mit queerer Punk-Attitüde ist zwar inzwischen äußerst erfolgreich, wäre ohne Ditto aber mutmaßlich nur einem kleinen, eingeschworenen Kreis bekannt. Ab 2009 ging Beth Ditto derart durch die Decke, wie es vorher noch keiner Independent-Künstlerin, einer dicken und lesbischen zudem, gelungen war: Karl Lagerfeld erklärte sie zu seiner Muse, seitdem sitzt Ditto bei Prét-à-Porter-Schauen in der ersten Reihe und gehört zur Stammbesetzung aller Hochglanz- und Yellow Press-Magazine. Dass der Gossip-Hit „Heavy Cross“ zu den fünf erfolgreichsten Singles gehört, die je in den deutschen Charts waren, gerät durch Dittos Popularität glatt in Vergessenheit.

Was schon zu Gossips Punk-Tagen spürbar war, zeigt sich nun bei den vier Songs der schlicht und einfach „EP“ betitelten CD, die Ditto mit den Musikern von Simian Mobile Disco aufgenommen hat, ganz deutlich: Beth Ditto ist eine Soulqueen, eine Discodiva. Ihre Stimme, die so rund und voluminös ist wie ihr Körper, gleitet smooth durch die Stücke. Kein Powershouting wie bei Gossip – wobei das natürlich auch toll ist. Spontaner Kommentar eines mithörenden Freundes zur „EP“: „auch schön, dass sie mal nicht alles zeigt, was sie kann.“ Soll heißen: die fast schon zurückhaltenden Vocals bei „I Wrote That Book“, „Good Night Good Morning“, „Open Heart Surgery“ und – dem Höhepunkt am Schluss – „Do You Need Someone“ tun den Songs gut und zeigen Beth Ditto in ganz neuem Licht. Im schmeichelnden Discolicht nämlich. „Music For Men“ wies auch schon deutlich in Richtung Dancefloor, knackige Synthie-Beats siegten über die Punkrock-E-Gitarre. Mit der Unterstützung des Simian-Teams aber schwelgt Beth Ditto nun gänzlich in durchaus retrospektiven House- und Discosounds, die 1980’er- und ’90’er Jahre schimmern durch die Tracks, wie auch bei „Blue Songs“, dem aktuellen Album von Hercules and Love Affair. Bei „One Heart Surgery“ wird ausgiebig Adamskis Hit „Killer“ zitiert, „I Wrote That Book“ ist eine so melancholische wie kämpferische, überzeugende Vocal-House-Nummer. Mit dem eingängigen, super-tanzbaren, warm instrumentierten „Do You Need Someone“ ist ein wahres Glanzstück gelungen, das – und auch hier wagen wir wieder eine Prophezeihung – den weiteren Kurs Beth Dittos vorgibt. Gossip sind (fast) tot, es lebe Beth Ditto, die Discodiva.

Christina Mohr

Beth Ditto: EP. Deconstruction Records (Sony).
Die Homepage von Beth Ditto, auf Myspace und bei Facebook.

Tags :