Bei den müden Löwen:
Damon Goughs Kreativität und künstlerischer Output befinden sich auf einem Allzeithoch – sagt Gough. Deswegen veröffentlicht er jetzt nicht nur ein Album, sondern startet eine Trilogie. Tina Manske ist nicht überzeugt.
Seit dem Soundtrack von „About A Boy“, mit dem Damon Gough aka Badly Drawn Boy seinen Durchbruch erlebte, seitdem kann man eigentlich keines seiner Lieder hören, ohne sich dabei einen kleinen Film dazuzuphantasieren, in denen irgendwelche desillusionierten Junggesellen oder suizidalen Mütter vorkommen. Mit seinem neuen Album „Photographing Snowflakes“ hat er jetzt den ersten Teil einer geplanten Trilogie vorgelegt, denn die Songs fließen seiner eigenen Aussage nach nur so aus ihm heraus, und warum schließlich sollte man immer nur dann ins Studio gehen, wenn es der Manager vorschlägt? Drei Teile also sollen es werden, aber man kann jetzt schon vorhersehen, dass die Materialdecke dieser Trilogie qualitativ recht dünn sein wird. Damon Gough kann leise Songs schreiben und dabei von einem kleinen Leben erzählen, auch findet er immer wieder schöne Bilder (zum Beispiel in der Zeile „throw me to the lions/ make me a man“ aus „The Order Of Things“), aber zu oft hat man das starke Gefühl, bereits an anderer Stelle in Goughs Karriere gehört zu haben, was er hier als neu verkauft, und es damals besser gehört zu haben. Diese Löwen sind ziemlich müde.
Auch bei Goughs Ausflug in die Hauptstadt, bei der er das „It’s What I’m Thinking Pt. 1“ vorstellt, kann man filmreife Szenen beobachten. Das Drehbuch sieht für die heterosexuellen Pärchen im Publikum die Konstellation Er-steht-hinter-ihr-und-wuschelt-ihr-wie-einem-Kätzchen-durchs-Fell-Quatsch!-Haar vor. Dazu wird zusammen im langsamen Takt von links nach rechts gependelt wie Uferbepflanzung, während sie nach hinten seine Schenkel umfasst. Erst, wer seinen Blick von diesem dutzendfach im Saal beobachtbaren Verhalten loszureißen imstande ist, kann sein eigenes Kopfkino ungestört weiterverfolgen.
„I Saw You Walk Away“ hält Gough laut Waschzettel für den besten Song, den er je geschrieben hat – das erwähnt er auch bei seinem Konzert im Berliner Lido. Man würde ihm gern zustimmen, kann aber nicht, denn nur weil einer endlich den Song geschrieben hat, den Morrissey bereits seit gefühlten Jahrzehnten immer wieder schreibt, und auch wenn man Gough seine Bewunderung für diesen Manchester-Helden sofort abnimmt – es ist ein guter Song, der funktioniert, aber er hat das Reißbrett zu sehr vor dem Kopf. Dazu passt, dass Gough beim Konzert prompt den Text vergisst und die Band von vorne beginnen muss.
Gough beginnt seine Show im Übrigen mit einem dreiviertelstündigen Akustikkonzert, nur er und seine Gitarre. Bei dieser Gelegenheit, unverhüllt von anderen Soundeffekten und insbesondere vom ewigen Hall hinter Goughs Stimme bemerkt man, wie flach und austauschbar doch viele seiner Lieder geraten sind. Dass es ihm nicht besonders gutgeht, das zeigt Gough an diesem Abend nicht nur damit, dass er das Konzert für eine zehnminütige Pause unterbrechen muss. Er zeigt es leider auch in seinen Songs.
Tina Manske
Badly Drawn Boy: It’s What I’m Thinking. Part I: Photographing Snowflakes. Twisted Nerve (Edel).
www.badlydrawnboy.co.uk/