Geschrieben am 7. März 2012 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Alcoholic Faith Mission, Subnarcotic, SoKo und Kristofer Åström, gehört von Janine Andert (JA), Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).

Alcoholic Faith Mission: Ask Me ThisPotenzial für große Popsongs

(JA) Langsam lässt es sich mit der Alcoholic Faith Mission in die Welt schöner Melodien träumen. Das suggeriert zumindest der erste Track vom neuen Album „Ask Me This“. Choräle und Bläser bauen eine Klangwelt auf, die schon bald mit verspielten, elektronischen Effekten aufgebrochen wird. Der Longplayer ist der vierte Streich der dänischen Band. Wer schon so lange im Geschäft ist, muss sich nicht dafür entschuldigen, dass er mit Synthesizer, Samples, den multiinstrumentalistischen Allstars Posaune, Streicher, Piano und Zupfinstrumenten sowie dem klassischen Rock-Band-Dreier Gitarre, Bass und Schlagzeug zeigt, was das letzte Jahrzehnt Popgeschichte hervorbrachte. Immerhin waren die Jungs und Mädels mit den unaussprechlichen skandinavischen Namen ein bisschen am Schreiben dieser Geschichte beteiligt.

Die verschiedenen Gesänge des Sextetts sind in ihrer Mehrstimmigkeit der Höhepunkt des Albums. Besonders hervorzuheben ist der ariengleiche Gesang in „Reconstruct My Love“. Allein, es fehlt ein Hit auf „Ask Me This“, das zusammen mit Tom McFall (R.E.M., Weezer, Stars) produziert wurde. Irgendetwas, das markant hervorsticht und in Erinnerung bleibt. Das ist schade, weil die popverliebten Tracks nur ganz haarscharf daran vorbeischrammen. Man spürt das Potenzial für ganz große Popsongs. Wer ohne Chartsstürmer leben kann, wird Gefallen an der gerade einmal 35 Minuten andauernden alkoholischen Glaubensmission finden.

Alcoholic Faith Mission: Ask Me This. Pony Records/WordandSound. Zur Homepage, die Band bei Facebook und ein kostenloser Download bei Soundcloud.

Subnarcotic: 39 Clocks60s-Psychadelic und Lo-Fi-Rock’n’Roll

(TM) Hannover hat nun wirklich nicht viel Cooles zu bieten; auch Anfang der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird das so gewesen sein. Ausnahmen allerdings bestätigen die Regel – so wie die Band Subnarcotic, die in einer Zeit, als alle Welt oder jedenfalls Deutschland mal wieder voll auf Pop mit deutschen Texten abfuhr, Musik machte, die eher an Velvet Underground und die Monks erinnerte und die der sogenannten Neuen Deutschen Welle ziemlich in die Beine grätschte.

Diedrich Diederichsen nannte sie nachgewiesernermaßen die „beste Band der 80er-Jahre“. Nachprüfen kann man dieses Diktum nun anhand des Re-Releases des zweiten Albums der Band. „Subnarcotic“, dieses Konglomerat aus 60s-Psychadelic und Lo-Fi-Rock’n’Roll, wurde dafür neu gemastert. So enthalten die Songs, deren Atmosphäre durchweg angeraut ist, etwas mehr Struktur. Besonders die mit extra viel deutschem Akzent auf Englisch gesungenen Lyrics prädestinierten Subnarcotic für den Nico-Rememberance-Award. Der ganze dreckige Saubatzensound kommt beim Bonustrack „Past Tense Hopes & Instant Fears On 42nd Street“ zur Geltung, denn der wurde 1983 live in der Hambuger Markthalle aufgenommen.

Subnarcotic: 39 Clocks. Bureau B (Indigo).

SoKo: I Thought I Was An AlienHyperemotional

(MO) Der Gedanke, ein fremdartiges Wesen, ein Alien zu sein, der von niemandem verstanden wird, befällt den Menschen zumeist während seiner Adoleszenz. Dass die 1986 geborene französische Singer-/Songwriterin Stephanie Sokolinski alias SoKo ihr Debütalbum „I Thought I Was An Alien“ nennt, unterstreicht, dass sich sehr gut daran erinnern kann, wie sie sich als tagebuchschreibendes Riot Grrrl fühlte  – und sie breitet dieses Gefühl in all seinen Facetten in ganzen fünfzehn Songs aus, die sie allein mit ihrer Gitarre und dem Computerprogramm GarageBand aufgenommen hat. Vorherrschendes Thema ist: die Liebe. Meistens unglücklich: „No More Home, No More Love“, „First Love Never Die“, „I´ve Been Alone Too Long“ oder „I Just Want To Make It New With You“ heißen die betreffenden Stücke, in anderen Songs geht es z. B. um Erdnussbutter und Tiere. Klingt ganz schön teeniemäßig-egozentrisch und hyperemotional, nicht wahr?

SoKo selbst sagt über ihre Musik: „Im Grunde ist alles, was ich tue, mich auf meiner Gitarre ausheulen.“ Dass „I Thought I Was An Alien“ zu weiten Teilen doch ganz nett anzuhören ist, liegt an den rauen Momenten, die SoKo im überwiegend gefälligen, angesagten Indie-Folk-Ambiente belassen hat. Im Opener und Songs wie „Don´t You Touch Me“ oder „Treat Your Woman Right“ finden sich sogar Spuren der Riot-Attitüde, die SoKo für sich beansprucht. Kurzum: SoKo wird mit diesem Album noch mehr Fans finden, als sie dank YouTube und Facebook ohnehin schon hat. Der große Wurf ist es aber (noch) nicht.

SoKo: I Thought I Was An Alien. Warner. Zur Homepage, SoKo bei Facebook.

Kristofer Åström: From Eagle To SparrowErbe von Nick Drake

(JA) Mundharmonika rausgeholt, Gitarre umgeschnallt und los geht die Singer-Songwriter-Show. Als gut aussehender Schwede bringt Mann so Mädchenherzen zum Schmelzen und liefert universell einsetzbare Melodien für Selbstfindungfilme ab. Kristofer Åström verbrachte die letzten zwei Jahre mit der Arbeit an neuen Songs, Beziehungen und dem Leben. Hätte er mal was Vernünftiges gemacht. Die Welt braucht wohl kaum noch mehr nette Liedchen über Herzeleid, Einsamkeit und Stimmungsschwankungen. Allein die Åström-Discographie hat mit acht vorherigen Studioalben und fünf EPs genug darüber gesagt. Um nicht ganz ungerecht zu werden: „From Eagle To Sparrow“ ist ein schönes Album. Aber es wiederholt – ewig gestrig – bekannte Songstrukturen und hat zum altbekannten Thema Liebe nichts Neues beizutragen.

Lieblich wird hier das Erbe von Nick Drake vorgetragen, ohne an wirklichen Emotionen zu kratzen oder jemals von Intensität gehört zu haben. Kurz, ein nettes Album, das ganz brauchbar für eine Überlandfahrt ist. Am besten an einem sonnigen Tag Ende März im Auto abspielen und sich so wehmütig vom Winter verabschieden und den Frühling zaghaft begrüßen.

Kristofer Åström: From Eagle To Sparrow. Startracks (Indigo). Zur Homepage hier, die Band bei Facebook hier, ein kostenloser Download bei Soundcloud hier und ein Video hier.

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