Geschrieben am 27. Februar 2013 von für DVD, Musikmag

A Tribe Called Quest: Beats, Rhymes & Life. The Travels Of A Tribe Called Quest

ATribeCalledQuest_Beats Rhymes & LifeDie ganz große Sample-Kunst

Alles, was wir haben, sind Schallplatten. Da kommen also Kool Herc, Grandmaster Flash und die ganzen Typen. Und wir müssen mit dem klar kommen, was wir haben. Also werden die Plattenteller zu unseren Instrumenten. Persönliche Erinnerungen von Hip-Hop-Legende Q-Tip im Documentary  „Beats, Rhymes & Life – The Travels of A Tribe Called Quest“, das nun als DVD und Blu-Ray-Disc erhältlich ist. Regisseur Michael Rapaport lässt das Quartett dort die eigene Geschichte erzählen. Eine faszinierende Reise nach Queens, New York, die zum Besten gehört, was in Sachen Musikfilm in diesen unseren Tagen auf die Leinwände und Bildschirme kommt. Von Thomas Backs

 „Werden A Tribe Called Quest jemals wieder gemeinsam Musik aufnehmen?“ Diese Leitfrage bewegte Michael Rapaport zu seinem Debüt-Film. Die Gelegenheit zu exklusiven Aufnahmen hatte der US-Schauspieler als Fan und Bewunderer im Jahr 2008. Für neun Konzerte in den USA waren die vier Musiker wieder vereint, Q-Tip, Phife Dawg, Ali Shaheed Muhammad und Jarobi White tourten als A Tribe Called Quest auf der „Rock The Bells-Tour“ – vor allem, weil Diabetiker Phife dringend Geld für seine Arztrechnungen benötigte.

Ganz nah kommt Rapaport den Künstlern auf der Bühne, im Backstage und mit persönlichen Interviews. Der Zuschauer sieht, dass das  ‚Comeback‘ im 3. Jahrtausend eine reine Zweckgemeinschaft ist. Q-Tip und Phife Dawg, sein kongenialer Partner und stimmlicher Gegenpart, haben sich abseits der Bühne nicht mehr viel zu sagen. Die Kamera hält diverse Diskussionen und einen – beinahe handgreiflichen – Streit der einstigen Buddys fest, die in den Tagen von Alben wie „People`s Instictive Travels And The Paths Of Rhythm“ (1990) und „The Low End Theory“ (1991) gemeinsam Musikgeschichte geschrieben haben.

 Wegweisend: Die Native Tongues

 Zusammen mit De La Soul, The Jungle Brothers, Monie Love und anderen wurden ATCQ zu den Native Tongues gezählt. Eine ‚Familie‘, die dem Hip-Hop eine neue Richtung gegeben hat. „Can I Kick It“, „Bonita Applebum“ oder „I Left My Wallet In El Segundo“ – Das sind Tanzflächenfüller aus den Anfangstagen, die gemeinsam mit De La Souls Debüt-Album „3 Feet High And Rising“ (1989) bis heute ihren Platz auf den weltweiten Turntables und im kollektiven Gedächtnis haben. Dank einer neuen Mischung aus Beats, Jazz und Samples, die in ihrer Improvisation dem Bebop oft sehr nahe kam. Dazu gab es clevere Lyrics und Basslines, die wohl nie zuvor lässiger gewesen waren. Der Kontrast zum leidigen Gangsta Rap – er hätte damals kaum größer sein können.

 „Für mich ist der Hip-Hop neben dem Jazz die letzte wirkliche amerikanische Kunstform“, sagt Mastermind Q-Tip an einer Stelle. Wer will es ihm verdenken?“

Die Tour 2008, die Backstage-Bilder, all das ist spannend und interessant. Zu einem Juwel wird Michael Rapaports Documentary aber durch die Flashbacks und persönliche, bewegende  Momente in den Rückblicken der vier Hip-Hop-Künstler, die sich an die 1990er und ihre Jugend in den 1980er-Jahren erinnern. Daneben kommt das Who is Who der Szene zu Wort. Jungle Brothers, De La Soul, Monie Love, The Roots, Pharrell Williams,  Beastie Boys, Everlast und,und, und – der Rest dieses Beitrags ließe sich mit einer Liste füllen. Daher nur ein kleines Zitat: „Mich… Kanye… uns gäbe es nicht ohne Tribe“, sagt Pharrell Williams an einer Stelle. Seine Generation verneigt sich in der Doku vor Künstlern, die Historisches für die Musik der Gegenwart geleistet haben.

 Flashbacks

Große Momente, davon gibt es in diesem Documentary viele. Zum Beispiel Q-Tip, wie er das Album „Drives“ von Ronnie Smith (Blue Note Records, 1970) aus dem Plattenschrank zieht und dabei berichtet, wie er es für 5 Dollar im Jazz Record Center an der 26. Straße gekauft hat. Die Beats zu „Can I Kick It“ stammen von dieser Scheibe, dazu kam auch ein Sample von Lou Reeds „Walk On The Wild Side“. Oder Phife Dawg, der sich an die gemeinsame Kindheit rund um Linden Boulevard erinnert. Die Wurzeln ihrer Musik, sie liegen dort. Phife und Q-Tip, die beiden MCs, kennen sich, seitdem sie 2 Jahre alt waren.

Und dann ist da Jarobi White, der noch einmal durch die alte Heimat St. Albans in Queens spaziert. Auf einem Wandbild am Bahnhof sind Musiker wie James Brown, Billie Holiday, Ella Fitzgerald und John Coltrane zu sehen, sie alle haben irgendwann einmal in diesem New Yorker Stadtteil gelebt. „’Vielleicht sind wir eines Tages auch auf dieser Mauer‘, Das haben wir früher immer gesagt“, erinnert sich Jarobi White. Nun wäre es wohl an der Zeit.

Thomas Backs

Beats, Rhymes & Life – The Travels of A Tribe Called Quest. Regie: Michael Rapaport. Dauer: 98 Minuten. Mindjazz Pictures (Alive), 2012. Zur offiziellen Website von A Tribe Called Quest

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