Geschrieben am 23. Juli 2014 von für Musikmag

3 Platten für die einsame Insel

Sommerzeit ist Reisezeit. Ein (imaginärer) Berg an aktuellen Scheiben wird durchwühlt, um drei Longplayer für den Trip auf die einsame Insel zu finden. Die Wahl fiel auf Gruff Rhys (wer hätte das gedacht?), dazu kommt eine extra-fruchtige Kollektion peruanischer Rhythmen aus den 1960ern und -70ern auf den Player. Und obendrauf: Tiefenentspannter NuSoul aus Berlin. Heiße Ware, das alles. Von Thomas Backs

Buttering Trio_ToastBerlin

Eins vorab: Snoop Dogg himself soll die tiefenentspannten Beats des Buttering Trio bereits mit den Worten „dope as fuck“ bejubelt haben. Das ist ja mal ein Wort, oder? Und tatsächlich: Jetzt liegt das Longplay-Debüt „Toast“ auf dem Teller und versüßt uns die heißesten Wochen des Jahres.

Extrem lässig, was Sängerin Keren Dun, Rejoicer und Beno Hendler (Balkan Beat Box) dort abliefern. Die drei Israelis haben sich in Berlin kennengelernt, in langen Nächten am gemeinsamen Werk gefeilt, das final in Tel Aviv aufgenommen wurde. ‚NuSoul‘ heißt die Schublade, die dieser Tage für die Beats auf Tracks wie „Mean To Me“ oder „Voyage“ geöffnet wird – eine Weiterentwicklung des TripHop der 1990er-Jahre, beim Buttering Trio oft genug bestens geeignet für die Chill Out-Area.

„Für uns ist das Album wie ein schizophrenes und new-school-verliebtes Kind, eine Sammlung von Beats, die von uns allen produziert worden sind, wobei jeder seine größten Stärken eingebracht hat“, gibt uns Keren Dun mit auf den Weg. Ausgeliefert wird der Longplayer mit einem detailverliebten Artwork – zu sehen ist ein ‚Garten der Lüste‘, in dessen Zentrum ein fett gebuttertes Toast liegt. Passt ganz wunderbar.

Buttering Trio: Toast. Raw Tape Records. Zur Website des Trios.

LP packshotOmaha

Echos von Country Rock und US-amerikanischem Folk finden sich in den Werken von Gruff Rhys (Walisisches Gälisch – Aussprache im Deutschen etwa: ‚Griff Ries‘) und seinen Super Furry Animals immer wieder. Wenig verwunderlich, dass auf ‚American Interior‘ mehr als ein Mal die Pedal Steel Gitarre erklingt, und der Hörer auch sonst oftmals in den Cowboy-Modus switchen darf.

Solo-Album Nummer 4 ist Teil eines Gesamtkunstwerks, zu dem auch Film-Doku und Sachbuch gehören. Nach der Patagonien-Exkursion (Film-Doku ‚Separado!‘ von Dylan Goch) nahmen Rhys und der befreundete Regisseur diesmal auf einer Reise durch das Landesinnere der USA die Spur ihres walisischen Landsmanns John Evans (1770 – 1799) auf, folgten den Wegen seiner sieben Jahre dauernden Odyssee vom Ende des 18. Jahrhunderts. *

Als „Investigative Konzert-Reisen“ bezeichnet Ausnahmekünstler Rhys im Beiheft des Albums Projekte wie dieses – das Resultat ist erneut ein Hörgenuss, eine ähnlich relaxte und melodieverliebte Indie-Pop-Sammlung wie das kleine Meisterwerk (zur CM-Rezension) „Hotel Shampoo“ aus dem Jahr 2011.

Gruff Rhys – American Interior (Official Video) from Ryan Owen Eddleston on Vimeo.

Die meisten der 13 Tracks entstanden auf besagter Tour – ein guter Teil wurde quasi zwischendurch bei Mike Mogis (Mitglied und Produzent der Bright Eyes) in Omaha, Nebraska aufgenommen. Mit auf Reisen ging eine ca. 1 Meter hohe Puppe von John Evans, die auch den Film und das Artwork des Longplayers prägt. Schöpfer, wie eigentlich immer bei Rhys und auch den Super Furry Animals: Pete Fowler.

Ob der kleine Herr Evans auch die kommende Europa-Tournee mitmacht, das können wir hier nur vermuten. Rhys & Co. ist aber auf jeden Fall mehr Resonanz zu wünschen als zuletzt, im März 2011. Damals konnte wirklich und tatsächlich der so oft von den Medien im Mainstream bemühte „intime Rahmen“ angesprochen werden. Der Autor dieser Zeilen zählte jedenfalls im Kölner Gebäude 9 gerade einmal 14 Musikliebhaber.

* John Evans aus Snowdonia in Wales reiste 1792 im Alter von 22 Jahren nach Amerika, um herauszufinden, ob die Erzählungen seiner Landsleute stimmen und der in walisischer Sprache sprechende Indianerstamm der Madogwys noch durch die Great Plains zieht. Um Evans und seine lange Reise ranken sich jede Menge Legenden.

Gruff Rhys: American Interior. Turnstile/ Caroline (Universal Music). Die Website des Künstlers, die Website des Projekts.
Gruff Rhys live 2014: 6. Oktober: Fahimi, Berlin; 8. Oktober: Theater der Wohngemeinschaft, Köln, 9. Oktober: Atomic Café, München.

Peru_MaravillosoLima

Bereits im letztenWinter erreichte diese fabelhafte Compilation unsere Redaktion. Sie ist aber einfach zu gut, um sie Euch, liebe Leser, in diesem Sommer zu verschweigen. ‚Peru Maravilloso‘ vereint 15 peruanische Tracks aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die liebevoll zusammengestellte Sammlung ist auf dem winzigen Label ‚Tiger`s Milk Records‘ erschienen.

Lateinamerikanischen Klänge, also Mambo, Salsa, Bossa und peruanischer Cumbia mischen sich hier oft und kunstvoll mit den Beat-Gitarren der ‚Swinging Sixties‘ – musikalisch muss das eine sehr aufregende Epoche gewesen sein. Wie schön, dass mit Martin Morales, Duncan Ballantyne und Andres Tapia drei Plattensammler und Labelbosse die Glanzlichter ihrer persönlichen Vinyl-Kollektionen vereint haben.

‚Easy Listening‘ voller Lebensfreude und Leichtigkeit – mit ‚Me Siento Felíz‘ von Los Ecos hat es auch ein instrumentales Beatles-Cover („I Feel Fine“) in die Auswahl geschafft. Interessant: Das Plattenlabel ‚Tiger`s Milk Records‘ gehört zum peruanischen Restaurant ‚Ceviche‘ in London. Dessen Besitzer Martin Morales ist gemeinsam mit seinen beiden oben genannten Freunden für das Projekt verantwortlich. Prädikat: Besonders wertvoll.

Peru Maravilloso – Vintage Latin, Tropical And Cumbia. Tiger`s Milk Records (Alive). Zur Website des Labels.

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