Geschrieben am 15. Januar 2014 von für Musikmag

50 Jahre Andreas Dorau – Reden wir von dir!

AndreasDorau2013_picA_Foto_Soenke_HeldSpezieller Blick auf die Welt

– Die Tageszeitung mit den vier großen rot-weißen Buchstaben lobt die „neue Lässigkeit der 50-Jährigen“ aus. Untermauert wird diese These mit mehr oder weniger coolen Fotos von Til Schweiger, Quentin Tarantino, Brad Pitt, Johnny Depp und Eros Ramazzotti, die alle unlängst ihre 50. Geburtstage feiern durften.

Die sogenannte Lässigkeit manifestiert sich in albernen Häkelmützen, Deep-V-neck-Shirts und zotteligen Bärten – lauter verzweifelt wirkenden Jugendlichkeitsattributen, mit denen Andreas Dorau, dessen 50. Wiegenfest am 19. Januar hoffentlich und garantiert von der xxxx-Zeitung übersehen werden wird, nichts zu tun haben will.

Dorau, für viele der ewige „Fred vom Jupiter“, scheint ohnehin die Jugend für sich gepachtet zu haben: je älter er wird, desto jünger klingt seine Stimme, auch in seinem Gesicht sucht man Spuren des Alters vergeblich. Auftritte absolviert er meist im neutral-eleganten Anzug, jedenfalls war das bei der letzten Tour zum „Todesmelodien“-Album von 2011 so.

Dass nun sein 50. Geburtstag ansteht – „das hätte ich mit zwanzig auch nicht gedacht: dass ich mal SO alt werde!“ – und mit zwei großen Galas (Galen?) in Hamburg und Berlin begangen wird, ist ihm nicht ganz geheuer, und er betont im Interview, dass die Idee zu den Feierlichkeiten von seinem Label stammt und er „sehr stark überzeugt werden musste.“

Denn eigentlich ist es überhaupt nicht seine Art, sich so feiern zu lassen – und auf eine weitere Idee des Labels, die Veröffentlichung der Werkschau „Hauptsache Ich“, konnte er lässig kontern, dass er sowieso ein echtes, neues Album fertig habe.

andreasdorau„Aus der Bibliothèque“ heißt es, ist das neunte reguläre Dorau-Album und erscheint zeitgleich mit der opulenten Best-of-Compilation, die dann gleich nicht mehr ganz so monumental wirkt. Die neue Platte ist den Hamburger Bücherhallen* gewidmet, einer großen Bibliothek resp. „dem kleinen Internet für Haptiker“, in das Andreas häufig einkehrt (bzw. mit dem Taxi hinfährt), um in seinen „Designerplastiktüten“ keineswegs nur Gedrucktes, sondern auch und vor allem CDs und DVDs leihweise nach Hause zu schleppen.

Dabei interessieren ihn besonders die Exponate, die man nicht unbedingt kaufen würde: Trash-Filme, AOR-Rock-Platten, Top-Ten-Sampler, Greatest Hits längst vergessener Bands. Und von denen leiht er sich was aus – teils unmerklich, manchmal aber auch als deutliches Sample (hier höre ich wieder seine gestrengen Worte aus einem länger zurückliegenden Gespräch: „Samplen tut man schon LANGE nicht mehr!“) wie zum Beispiel die prägnanten Takte aus Adamskis 1990er-Hit „Killer“, die in Doraus Song „Reden wir von mir“ in neuem Glanz erstrahlen dürfen.

Reden wir vom Album: Eingespielt wurde es mit der Unterstützung der Liga der Gewöhnlichen Gentlemen, Nachfolgeband von Superpunk, abgemischt von den kunstfertigen Fingern Zwanie Johnsons. Zu hören sind u. a. ein Höfner-Geigenbass, Saxofone, Klavier, Elektro, House und beatlesinspirierter Sixties-Pop. Der Stimmungsbogen reicht von fröhlich über melancholisch bis ernstlich wütend – und bitte bitte, nennt seine Musik niemals „naiv“ oder „kindlich“ oder „lustig“. Das ist Andreas Dorau nämlich alles nicht. Eher könnte man von einem inhärenten Humor oder sagen wir, speziellen Blick auf die Welt sprechen, der ihn manchmal sehr grantig werden lässt wie in „Löwe“: der Song skizziert eine Partysituation, in der der Protagonist von einer extrem aufdringlichen Sternzeichen-Gläubigen traktiert wird. Es steht außer Frage, dass Steinbock Dorau von esoterischem Quatsch nichts wissen will und sich über alles, aber bloß nicht über Sternzeichen unterhalten möchte.

Viel lieber möchte er auf den Geburtstags-Galas über seine Musik sprechen, und unumwunden zugeben, dass „ja jeder Künstler nur so seine zwei, drei Themen/Melodien hat und diese immer wieder variiert“ – den Vorwurf, dass Doraus Lieder schon immer ein bisschen ähnlich klingen, kann man also gleich wieder in die Büchertasche packen und sich lieber darüber freuen, dass Andreas auch nach 32 (!) Jahren im Showbusiness noch immer Themen findet, die sich in einen Song verwandeln lassen.

Zum Beispiel das Element Wasserstoff. Der Text zum so betitelten Song stammt indes nicht von Wolfgang Müller, worauf ich meine Großmutter verwettet hätte, schließlich ist Multitalent Müller in Doraus Universum der Fachmann für Naturwissenschaften (siehe Lyrics zu „Edelstein“, „Das Eis“ oder „Blaumeise Yvonne“) – nein, „Wasserstoff“ ist eine Gemeinschaftsarbeit von Dorau und Justus Köhncke, entstanden am Café-Tisch. Ohne Wolfgang Müller geht es aber auch nicht, dieser zeichnet verantwortlich für den schönen Text von „Fli-Fla-Flaschenpfand“ (15, 20, 25 Cent, ein Jeder diese Zahlen kennt…) und, dann doch wieder von der Natur inspiriert, für das nachdenkliche „Bienen am Fenster“.

Ach, und so könnte man endlos weiter schwärmen oder sich gruseln, denn mit „Tannenduft“ verfolgt Dorau die morbide Linie weiter, die „Todesmelodien“ dominierte: in „Tannenduft“ geht es um den Hamburger Frauenmörder Fritz Honka und es zeugt von großer Kunst, dass ein solches Stück nicht deplatziert wirkt neben Liedern über Taxifahrten, Wochentage und Partytalk.

Jetzt bleibt noch, vehement auf die Geburtstagsgalas in Hamburg (dort wird reingefeiert, na logisch) und Berlin zu verweisen, man munkelt ja, dass unter anderem die Originalformation von DER PLAN aufspielen wird. Aber vielleicht ist das auch nur ein Gerücht. Auf alle Fälle tritt Herr Dorau selbst auf, was das Verlassen der heimischen vier Wände unbedingt rechtfertigt; wer es im Januar nicht nach HH und B schafft, darf sich auf den Mai freuen, dann wird es eine größere Tour geben.

* Die pittoreske Adresse „Am Hühnerposten“ inspirierte Dorau zum gleichnamigen Song auf der neuen Platte.

Christina Mohr

Andreas Dorau: Aus der Bibliothèque; Hauptsache Ich (Beide Bureau B). Andreas Dorau bei Facebook. Foto: Soenke Held.

Dorau live:
18/01/2014 – Hamburg / Knust
25/01/2014 – Berlin / Bi Nuu

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