Geschrieben am 4. Dezember 2005 von für Litmag

Zum Tod von Franz Schönhuber

Immerhin – er war ehrlich.

Von Carl Wilhelm Macke

De mortuis nihil nisi bene. Von den Toten solle man nur gut sprechen? Mag sein, aber als guter Christenmensch ist man ja auch zur Wahrheit verpflichtet. Wie also soll man sich verhalten, wenn man hört, der Boandlkramer (bayr. für der ‚Knochenhändler‘) hat bei Franz Schönhuber angeklopft und ihn dann auch gleich auf seine ewige Reise mitgenommen? Ist man einem zivilen Kodex oder der christlichen Ablehnung der Lügeverpflichtet? Einmal, wenigstens ein einziges Mal, entscheide ich mich für Wahrheitsgebot auch und gerade angesichts eines Toten. Dass Franz Schönhuber gestorben sei, war eine gute, der Adventszeit angemessene erwartungsfrohe Meldung.

Vor meinem Umzug von Norddeutschland nach München, hatte ich den Namen Schönhuber noch nie gehört. Und als ich ihn zum ersten Mal irgendwo im Zusammenhang mit seiner Entlassung als Kommentator des Bayerischen Rundfunks vernahm, war mir diese Notiz auch keine längere Aufmerksamkeit wert. Der ‚Bayerische Rundfunk‘ erschien mir aus der Ferne ohnehin als ein einziger ‚schwarzer Block‘, bei dem mir der Ausfall eines besonders schwarz-bräunlichen Journalisten nicht sonderlich aufregend erschien. Inzwischen hat sich mein Bild vom Bayerischen Rundfunk wesentlich verändert. Der BR ist eine große Sendeanstalt mit vielen hochprofessionellen und unabhängigen Mitarbeitern. Und selbst im ‚schwarzen Bereich‘ existieren viele Schattierungen. Das Bild von Franz Schönhuber jedoch verlor mit den Jahren immer mehr an Differenzierungen.

Einmal begegnete ich ihm persönlich. Nicht unter vier Augen (Gott bewahre!), aber immerhin in der Distanz eines journalistischen Berichterstatters. In der U-Bahn auf der Fahrt zur Olympiahalle, dem Ort einer großen Kundgebung der ‚Republikaner‘ in ihren Hochzeiten. Die von Station zu Station hinzukommenden Fahrgäste lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die Richtung stimmt: zu den Reps. Gruppen von Männer, die, noch gar nicht richtig eingestiegen, schon über die ersten Lachsalven über ‚Emanzen‘ und ‚Schwule‘ in den Waggon hineinknallen ließen. Dazwischen einzelne unscheinbare, graue, ein wenig verängstigt wirkende Paare, die ihre Blicke stumm auf zwei mitfahrende dunkelhäutige Frauen richteten. Auf dem langen Fußweg von der U-Bahn-Station bis zur Olympiahalle tauchen dann immer mehr Menschen auf, wie man sie hier auch erwartet hatte: in Trachtenanzügen, in Lederjacken, in blass-beigen Anoraks und Trenchcoats. Die Photographen an den Eingängen zu der Halle stürzten sich sofort auf einen Prototyp von deutschem Nazi: bayerischer Provinzdimpfl mit Lederhose, Trachtenhut und knallroter Biernase. Diese Photos erschienen am anderen Tag dann auch in den Zeitungen, um die Leser in ihren Weltbildern zu beruhigen. Ja, so sind’s die ‚German Nazis‘ und Alt-Faschisten.

Aber dann im Foyer der Halle stimmten diese Bilder schon nicht mehr so eindeutig. Erstaunlich der Anteil von Frauen, die zwar selten hier alleine auftauchen, aber der Zahl man hier nicht erwartet hatte. Sie passen so überhaupt nicht in das Bild, das vermutlich die Mehrzahl der Demonstranten draußen vor der Halle von den ‚Rep-Anhängern‘ hatte. Einen besseren Einstieg konnte sich Schönhuber für seine Rede gar nicht wünschen. Draußen der kämpfende Anti-Faschismus der „feinen Bürgerkinder“, die „Schicki-Micki-Linken“, drinnen in der Halle die „rechtschaffenen deutschen Arbeiter und Handwerker“. Sie, die ‚gesunden Teile Deutschlands‘ bediente Schönhuber en gros und en detail mit allen gängigen Klischees über „Ausländer, Asylbetrüger, Drogenhändler und Pazifisten“. 15 Prozent, so tönte Schönhuber damals in er Olympiahalle, werden ihn und seine Partei wählen. Aus dem Stand diese Zahl an Anhänger? Man hielt ihn für verrückt, bierumnebelt. Dann der Schock am Wahlabend der Europawahl 1989. In Bayern erhielten die ‚Republikaner‘ 14,6 Prozent. In Fürth, Hof oder in der Oberpfalz erhielten sie fast zwanzig Prozent. Ebenso in den bieder-christlichen Mittelstädten wie Ingolstadt oder Kempten. In Rosenheim, der Heimatstadt Schönhubers waren es sogar 22 % der abgegebenen Stimmen.

Diese Zustimmung erhielt der deutsch-nationale, seine SS-Vergangenheit nie leugnende ehemalige Fernsehjournalist Franz Schönhuber später dann nie mehr. Die von ihm aus dem tief schwarz-bräunlichen Boden Bayerns aufgebaute Partei, die sich auch noch einen verlogenen Namen gab („Die Republikaner“) schaffte es in den neunziger Jahren noch zu gelegentlichen Aufmerksamkeitserfolgen bei verschiedenen Landtags- und Kommunalwahlen. Besonders in einigen ostdeutschen Gegenden wurde sie aber von der besser organisierten und im Vokabular noch eindeutiger nationalistisch auftretenden NPD an den Rand gedrängt.
Bis auf die Episode mit der Dresdner Nachwahl anlässlich der diesjährigen Bundestagswahl, die ihn als Spitzenkandidaten der extremen Rechten noch einmal kurz in die internationale Öffentlichkeit schwemmt, hörte man dann aber nichts mehr von Franz Schönhuber. Als Franz Joseph Strauß einmal zu einem Urteil über Franz Schönhuber gefragt wurde, dem er lange Zeit durchaus freundschaftlich verbunden gewesen war, antwortete er unzweideutig: „Franz Schönhuber, das ist ein Arschloch“. Selten, fast nie, war man sich um der Wahrheit willen so einig mit Franz Joseph Strauß….

Von Carl Wilhelm Macke