Geschrieben am 9. August 2009 von für Litmag, Porträts / Interviews

Zum 100. Geburtstag von Adam von Trott zu Solz

Repräsentant des anderen Deutschland

Was für ein starker, vorbildlicher Mensch, Diplomat und Citoyen war doch dieser Adam von Trott zu Solz, für seine liberalen, weltoffenen Ideen verurteilt und gehängt von den miesesten Figuren der jüngeren deutschen Geschichte. Carl Wilhelm Macke erinnert an den Widerstandskämpfer.

Am 9. August 2009 wäre Adam von Trott zu Solz 100 Jahre alt geworden. Vielleicht – wer weiß – hätte er diesen außergewöhnlichen Geburtstag ja noch erlebt. Auch Ernst Jünger wurde über 100 Jahre alt … Aber Adam von Trott zu Solz wurde am 26. August 1944 nach einer Gerichtsfarce am nationalsozialistischen ‚Volksgerichtshof’ als Unterstützer des Attentats vom 20. Juli in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Es werden – hoffentlich – im zeitlichen Umfeld des 9. August Zeitungsartikel zu seinem Gedenken veröffentlicht werden. Es gibt – und gab – bereits – Veranstaltungen, mit denen an den anti-nazistischen deutschen Widerstand erinnert werden soll. Reinhard Silberberg, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hat zur Erinnerung an Adam von Trott zu Solz eine bemerkenswerte Rede über die Schuld einer Mehrheit deutscher Diplomaten bei der Vorbereitung und Durchführung des Holocaust gehalten. Und seit wenigen Tagen ist eine ganz außerordentlich gründliche und sehr zum Lesen zu empfehlende Biografie von Adam von Trott zu Solz auf dem Markt: Benigna von Krusenstjern „Daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben“ (Wallstein-Verlag Göttingen, 2009).

In dieser großen Lebensrecherche wird noch einmal – manchmal zu – akribisch, aber dennoch lebendig geschrieben, das Leben des Widerständlers von der behüteten Kindheit in Berlin, später dann in Imshausen bei Kassel, über die Studienjahre in München, Genf, Göttingen und Oxford, die ausführlichen Reisen nach Asien und in die USA, die Zeit im Diplomatischen Dienst, vor allem dann die immer intensiver werdenden Widerstandsaktionen innerhalb der außenpolitischen Administration des Nazi-Staates bis hin zur Verurteilung und Hinrichtung 1944 vorgestellt. Über einen großen Mann hat Benigna von Krusenstjern eine ihm angemessene große Biografie geschrieben. Man wünscht ihr viele Leser – und dennoch bleibt da ein zögerndes Nachfragen. Wer außer den Fachhistorikern, wenigen Publizisten und den Angehörigen und Freunden der jeweiligen Widerstandsfamilien nimmt diese Arbeiten zur Geschichte des ‚besseren Deutschlands’, der ‚besseren Teile des deutschen Adels und Bürgertums’ eigentlich zur Kenntnis?

Noch wichtiger: Was außer großer Rhetorik an den sonntäglichen Erinnerungsfeiern zum Gedenken an den anti-nazistischen Widerstand in allen Kreisen der deutschen Gesellschaft in den 30er, 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bleibt bestehen als Ferment einer lebendigen, demokratischen politischen Kultur heute? In den 60er, 70er Jahren konnten (und mussten) sich noch die Kinder der Anhänger und Mitläufer der Nazis unter Bezugnahme auf den anti-faschistischen Widerstand gegen ihre Eltern, gegen ihre Lehrer, gegen einen Teil der veröffentlichten Meinung zur Wehr setzen, um die demokratische Republik zu fundieren oder zu schützen. Und heute wehrt man sich mit dem Wissen um eine andere demokratische Tradition in Deutschland gegen überall herummarodierende Neo-Nazi-Gangs.

Grenzenlose Gastfreundschaft

Ist das aber die einzige, bleibende, verteidigenswerte Erbschaft, die wir heute aus der Lektüre der Bücher über den deutschen Widerstand, aktuell der Studie über Adam von Trott zu Solz für uns übernehmen? In dem Abschnitt, dem Benigna von Krusenstjern den Kindheitsjahren des Adam von Trott zu Solz widmet, gibt es eine sehr schöne Passage über die gelebte Weltoffenheit dieser scheinbar in provinzieller Abgeschiedenheit unweit von Kassel lebenden adeligen Familie: „Das in vielen Adelshäusern übliche Gesellschaftsleben fehlte in Imshausen ganz. Niemals wurden dort rauschende Feste gefeiert, auch keine Jagdgesellschaften und keine opulenten Diners gegeben … (Man) führte jedoch ein gastfreies Haus für einen weiten Kreis von Bekannten und Verwandten aus dem In- und Ausland. Auch die unterschiedlichsten Freunde und Freundinnen der Kinder waren willkommen. Die Gastfreundschaft der Familie von Trott kannte bezeichnenderweise keine sozialen Grenzen. Ob standesgemäß oder nicht, das war hier keine Frage …“

Der späteren unbeugsamen Standhaftigkeit des Diplomaten Adam von Trott zu Solz vor dem schreienden und herumpolternden Roland Freisler lagen gewiß noch weitere Werte und Ideale zu Grunde, familiäre, christliche, humanitäre, aber diese in der Kindheit erlebte Welt- und Gastfreundlichkeit blieben immer das unzerstörbare Gerüst im Leben dieses bewundernswert geradlinigen Widerständlers.

In ihrem Nachwort schreibt die Biografin, Adam von Trott zu Solz habe Tausende von Spuren hinterlassen. Eine dieser Spuren ist sicherlich sein Kosmopolitismus, seine Öffnung der deutschen Kultur zur Welt hin, seine ‚Compassion’ für das Leiden der Anderen, in Nordhessen genauso wie in Ostasien. Ein stärkeres Gegengift gegen die Schollenromantik, die Deutschtümelei und den Rassismus der Nazis ist nicht denkbar als es dieser adelige Diplomat repräsentierte.

Und noch in dem bewegenden Abschiedsbrief an seine Frau kurz vor der Hinrichtung verbindet Adam von Trott zu Solz in einem kurzen Satz die Welt da draußen mit dem seit Kindheitstagen gewohnten Waldstimmungen seiner Heimat: „Es ist heute ein klarer ‚Peking-Himmel’ und die Bäume rauschen.“ Und etwas weiter dann noch ein Bezug zur Weltliteratur: „Ich habe in den letzten Tagen noch das Purgatorio (von Dante) gelesen, auch Maria Stuart und, was mich seltsam stark berührte, den Jürg Jenatsch.“

Was für ein starker, vorbildlicher Mensch, Diplomat und Citoyen war doch dieser Adam von Trott zu Solz, für seine liberalen, weltoffenen Ideen verurteilt und gehängt von den miesesten Figuren der jüngeren deutschen Geschichte.

Carl Wilhelm Macke

Benigna von Krusenstjern: Daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben. Adam von Trott zu Solz 1909-1944.
Biografie. Gebunden. Wallstein-Verlag Göttingen 2009. 607 Seiten. 34,90 Euro.