Geschrieben am 29. Oktober 2014 von für Film/Fernsehen, Kolumnen und Themen, Litmag

Wolfram Schütte über die 48. Hofer Filmtage

hofer-filmtage-2014Das Hohe Lied der Freundschaft

–Auf den 48. Hofer Filmtagen mit Wolfram Schütte.

In dem bizarrste Film, den der in allen Ehren buchstäblich ergraute Festivalleiter Heinz Badewitz für seine 48. Internationalen Hofer Filmtage ausgewählt hat („Snow in Paradise“), wird (ausgerechnet) der Islam als besänftigender Friedensstifter anempfohlen. Der Kleingangster & Drogendealer Dave wird am Ende einer von Kokain befeuerten Odyssee durch das mörderische Kriminellenmilieu des Londoner Eastends von einer Gruppe bärtiger junger Männer in einer Moschee vor dem teuflisch Bösen gerettet, der einen Spitzbart trägt, den jungen Mann zum Mord an dem alten Freund seines ermordeten Vaters ultimativ aufgefordert & auch Gottes Existenz geleugnet hatte. Allerdings wird bei Daves islamistischen Erweckung aus der Hölle des Mafia -Verbrechens & seiner rigiden Rituale, auf deren Verletzung der Tod durch die Hinrichtung mit einem Hammer steht, nur dem nicht mulmig werden, der sich im Islam auskennt.

Denn der ungläubige Dave ist bei den bärtig-sanftmütigen Rettern nicht an Salafisten, sondern an Sufis geraten – eine mystische-religiöse, pazifistische Sekte, deren Gläubige in manchen islamischen Staaten selbst als Ungläubige angesehen werden & deshalb nicht nur bei der IS auf der Todesliste stehen. Allerdings erfährt man das von dem 1963 in Nottingham geborenen Regisseur Andrew Hulme nicht. In seinem optisch & akustisch erregten Filmdebüt, das weitgehend aus der Drogenperspektive erzählt wird, hat er Teile der fatalen Lebensgeschichte seines Drehbuchautors adaptiert. Hulmes fulminante Darsteller sprechen einen solchen Slang, dass der Film mit englischen Untertiteln versehen werden musste, damit ein britisches Publikum seine Dialoge verstehen konnte. Auch das – neben den Themen Gewalt, Loyalität, Männerfreundschaft & Religiosität – erinnert an Martin Scorseses erste Filme aus New Yorks „Little Italy“.

Andrew Hulme kommt als Filmemacher aus der Musikszene – ein biographischer Hintergrund, auf den man häufiger bei heutigen Jungregisseuren trifft. Der 1980 in Afghanistan geborene & in Deutschland aufgewachsene Burhan Qurbani hat an der Filmakademie in Ludwigsburg studiert & mit seinem dort entstandenen ersten Spielfilm „Shahadra“ schon 2010 unter Kennern der deutschen Nachwuchsfilmszene Aufsehen erregt. Und zwar sowohl wegen seines Sujets als auch wegen seiner formalen Innovationskraft, die ihm einen Festivalpreis auf dem Deutschen Filmfestival von Mannheim/Ludwigshafen eintrug.

Wirsindjung_Plakat_A1.inddDie Erinnerung des schnell vergessenen Skandals

Leider ist der dreiteilig verschachtelte Film über das Konfliktfeld Islam & deutsche Kultur offenbar im Kino gar nicht wahrgenommen worden. Das dürfte nun Qurbanis zweitem Spielfilm „Wir sind jung, Wir sind stark“, mit dem das Festival glanzvoll eröffnet wurde, nicht mehr passieren. Denn der filmästhetisch versierte Regisseur hat thematisch einen zeitgeschichtlichen Stoff recherchiert & aufgegriffen, von dem seine gleichaltrigen deutschgebürtigen Kollegen gar keine Ahnung mehr, geschweige denn Wissen haben – obwohl es sich um ein Geschehen handelt, das ebenso bestürzend war wie die klandestine Mordserie der NSU. Am 24. August 1992 wurde in Rostock-Lichtenhagen eine Plattenbausiedlung, in der Vietnamesen wohnten, unter laufenden Kameras einer TV-Live-Übertragung von einem gewaltbereiten Mob belagert. Die zuerst zum Schutz der Asylsuchenden aufmarschierte Polizei, wurde zeitweise abgezogen, Molotowcocktails aus der Menge in die Wohnungen geworfen, die verängstigten Vietnamesen flüchteten auf das Dach des teilweise in Brand gesetzten Hochhauses, in das eine Gruppe Rechtsradikaler eingedrungen war, die die Wohnungseinrichtungen mit den Habseligkeiten der Ausländer wütend zerstörten – bevor eine erneut angerückte Polizei noch Schlimmeres verhütete. Die Lynchmob-Ereignisse von Lichtenhagen, bei denen besonders das mordlüsterne Johlen der gaffenden Zuschauer nationale & internationale Bestürzung über das gerade erst wieder vereinigte Deutschland auslöste, erinnerten an das Land der „Reichskristallnacht“.

Qurbani & sein Co-Drehbuchautor Martin Behnke haben eine multiperspektive Erzählstruktur für ihren schwarz/weiß-Film gewählt, der kurz vor dem Überfall in Farbe wechselt – um die Distanz schlagartig zu liquidieren & das historische Geschehen heutigen Zuschauern ganz nahe zu bringen, damit es ihnen unter die Haut geht (wie der Regisseur hofft).

Die Erzählung schreitet in Zeitstationen des 24. August 1992 fort – vom frühen Morgen bis zum späten Abend (wie in Kubricks „The Killing“). Im Zentrum steht eine kleine Gruppe arbeitsloser Jugendlicher, die in der öden Wohnsiedlung am Rostocker Stadtrand herumhängen & hin & wieder die Polizei provozieren & vorübergehend verhaftet werden. Zu ihnen gehört auch Stefan, der Sohn eines allein erziehenden Lokalpolitikers, der hilflos zusehen muss, wie Partei-Intrigen die öffentliche Hand am entschiedenen Eingreifen gegen die sich abzeichnende rechtsradikale Gewalteskalation in Lichtenhagen hindern. Der mutterlos aufwachsende Stefan entfernt sich von seinem schwachen Vater & rutscht immer tiefer in das ausländerfeindliche Milieu seiner Kumpels; parallel dazu erzählt der Film von Vietnamesen in dem Plattenbau. Die Wäscherin Lien hat ihren deutschen Chef um seine Hilfe für ihre Einbürgerung gebeten, während ihr Bruder mit seiner schwangeren Frau wegen des wachsenden Rassismus´ nach Vietnam zurückkehren will.

Indem er die Perspektiven wechselt & Identifikationsfiguren schafft, mit denen er Konflikte innerhalb der Täter & Opfer näher beschreiben kann, fächert Qurbani den historischen Stoff auf; zugleich aber dynamisiert er seine Erzählung & zieht den Betrachter in das Konfliktfeld – eine sehr gelungene ästhetische Form der Vergegenwärtigung, die der polnisch-deutschen Coproduktion „Agnieszka“ von Tomasz Emil Rudzik nicht gelang. Die Titelheldin wandelt als ein abstrakt bleibendes menschliches Rätsel durch diese Geschichte einer Flucht von Polen nach Deutschland. Keuscher als hier sind noch nie die Aufgaben einer Domina im Kino dargestellt worden, was aber kein Manko des Films ist, der zumindest in dieser Hinsicht so puritanisch ist wie einst Robert Bresson in seinen Filmen. Was „Agnieska“ scheitern lässt: dass der Regisseur seine Titelheldin wie einen Gegenstand behandelt, von dem wir nichts über seine Vorgeschichte & psychologischen Befindlichkeiten erfahren, um diese junge Frau, die aus der Kälte kommt, zumindest „interessant“ zu finden.

Ganz anders, nämlich bewegend & einnehmend für ihre Plots & Personen waren in Hof zwei unverkennbar die derzeitige soziale Situation in ihren Gesellschaften reflektierende Filme aus Argentinien & Spanien. Adrian Biniez beschreibt den tapferen Kampf eines Provinzfußballspielers, der sich für ein Arbeitsleben nach dem Ende seiner Fußballerei in einem Verein der 4. Argentinischen Liga qualifiziert. Ohne die geduldige Hilfe & menschliche Solidarität seiner Frau hätte das junge Pärchen keine Aussicht, je auf einen grünen Zweig zu kommen. Es besticht an „El 5 de Talleres“ die unprätentiöse Darstellung eines alltäglichen Sujets & einer herzergreifenden, auch humorvollen sinnlichen Lebenswärme bei der Beschreibung der Anstrengungen der beiden jungen Existenzkämpfer in der argentinischen Provinz weit unterhalb des Glamours, den der Fußball auch am Rio de la Plata (mit großen Namen wie Maradona oder Messie) entfaltet.

 

Ocho_apellidos_vascos_-_PosterBurleske Komödie über die gegenseitigen Vorurteile der Regionen

Der 1973 in Asturien geborene Alfonso Zarauza zielt mit dem Sujet seines dritten Spielfilms „Aces“ direkt in die spanische Sozial- & Wirtschaftskrise, indem er den kriminellen Bauboom & die Verschuldung vieler Kreditnehmer zum Thema seines hochaktuellen Films macht. Aber das ist nur das „Futteral“ seines „Aces“, in dem das höchst vitale Porträt seiner weiblichen Heldin Neneta steckt – virtuos gespielt von dem spanischen Star Lola Duenas. Sie kann sich auf dem Bau gegen die Machos durchsetzen & als Schichtführerin an deren Spitze setzen. Aber so souverän sie Häuser im Rekordtempo mit ihren Kollegen hochzieht, so zieht sie ihre spontane Liebesentflammtheit zu dem unsteten Mann, der sie mit einem Kind sitzen gelassen hatte, wieder in die prekäre Existenz in einen Wohnwagen hinab. Als der Vater ihrer Tochter sie am Ende auffordert, mit ihm Spanien zu verlassen, bleibt sie mit ihrem Kind und ihrer alten Mutter, die für ihren Kredit bei der Bank gebürgt hatte, in Spanien. „Hier bleiben & gemeinsam den in den Dreck gefahrenen Karren wieder herausziehen“: das soll dieser demonstrative Schlusssatz wohl für das spanische Publikum annoncieren.

Als Dany Boon mit seinem „Willkommen bei den Sch´tis“ 2008 einen Kassenhit landete, hatte er zugleich ein neues satirisch-komisches Kino-Genre erfunden, das die in jeder Nation umlaufenden Witze über die klischierten Eigenarten ihrer historischen Provinzen & deren Einwohner auf die Spielfilmlänge einer burlesken Komödie streckt. So multikulti-weit wie der derzeit bei uns beliebte „Monsieur Claude und seine Töchter“ treibt es der 1945 geborene Madrile Emilio Martinez-Lazaro mit seinen „8 Namen für die Liebe“ jedoch nicht; aber seine romantische Komödie über einen liebestollen Andalusier, der ein baskisches Mädchen im Baskenland für sich gewinnen will ohne sich als Andalusier erkennen zu geben, läßt doch hinreichend viele baskische Puppen tanzen & treibt die prekäre Grundkonstellation gleich mehrfach bis in die überkandidelte Selbstparodie. Die spanisch sprechende Hofer Community nicht allein, auch deutsche Zuschauer haben sich amüsiert wie weiland Bolle auf dem Milchwagen – als noch Beppo Brehm den „damischen Bayer“ & Hubert von Meyerinck den zackigen Musterpreußen in deutschen Nachkriegskomödien gaben & für gute Stimmung sorgten.

Es gab mannigfach Anlass zum Lachen auf den 48. Internationalen Filmtagen in Hof, obwohl das Programm insgesamt eher von jenen Filmen bestimmt wurde, die sich der tristen politischen Aktualität & dem Nahost-Konflikt widmeten. Stanislaw MuchasTristia“ (ein Buchtitel des von Octavian ans Mare Euxenium lebenslang verbannten römischen Dichters Ovid) hält die Balance zwischen einem elaborierten Reisebericht (rund um das „Schwarze Meer“) & einer Sammlung skurriler Momentaufnahmen von Menschen & Orten in Bulgarien, der Ukraine, Russland, Abchasien, Georgien, Armenien, der Türkei & Rumänien. Der polnische Regisseur hat mit einem kleinen Team kurz vor dem Beginn der Ukraine/Rußland-Krise gerade noch eine Rundreise um das Schwarze Meer machen können, die heute wegen der angespannten politisch-militärischen Lage nicht mehr möglich wäre. Seine Dokumentation richtet ihr Augenmerk auf Schönheit & Hässlichkeit der Landschaften & Städte, auf Ruinen & Denkmäler (für Ovid & Lenin), auf Kuriositäten, Folklore, Einzelgänger & Verrückte, auf populäre Gerüchte, Erinnerungen & ideologische Restfetzen. Muchas „Tristia“ ist nichts anderes als ein hochpoetisches filmisches „Klagelied“ über die Gottverlassenheit, Armseligkeit & Gefährdetheit der Menschen an den Rändern des Schwarzen Meeres. Ohne den Humor des Regisseurs & dessen Hinneigung zu den Absonderlichkeiten der menschlichen Natur wären seine Reisebilder & bloß ein chaotisches Kaleidoskop. So aber nimmt man als Mitreisender an einem bewegenden Abenteuer in den gelebten Wahn & Unsinn der menschlichen Rasse teil.

Foto Riklis by Hofer Filmtag

Foto Riklis: Hofer Filmtag

Zweimal Israel

Die diesjährige Retrospektive galt dem 1954 in Jerusalem geborenen israelischen Regisseur Eran Riklis, der eine kleine Reihe von Spiel- & Dokumentarfilmen aus seinem umfangreichen Oeuvre selbst ausgewählt & präsentiert hatte. Der Autor, von dem in den vergangenen Jahren mehrfach Arbeiten in Hof gezeigt worden waren ( z.B. „Die syrische Braut“, „Der Zitronenbaum“ oder „Zaytoun“) widmet sich in allen seinen erzählprallen, symbolstarken Filmen den virulenten politischen & psychologischen Konfliktfeldern seiner Heimat & deren prekärem Verhältnis zu den vertriebenen und unterdrückten Palästinensern.

Eran Riklis´ brillantes Erzähloeuvre ist so etwas wie die filmische Entsprechung von Amos Oz´ literarisch-epischem Werk. „Meine Vision“, erklärte Riklis jetzt in Hof, „ist eigentlich ganz einfach und hat mit Fürsorge zu tun, mit Verständnis, Respekt, bisweilen Verdacht, manchmal Zweifel. (…) Es geht immer um Vertrauen, um gegenseitiges Vertrauen. Es geht um Kommunikation und darum, eindeutig genug zu sein, um auch vieldeutig genug sein zu können“.

Wenn man gerade Eran Riklis Spielfilm „Zaytoun“ wiedergesehen hat, erscheint er einem dann, wenn man aus dem fesselnden Dokumentarfilm „Der grüne Prinz“ des 1971 in Jerusalem geboren Nadav Schirman wieder in die Realität des Tages zurückkehrt, fast wie dessen fiktionale Paraphrase.

In „Zaytoun“ befreit ein palästinensischer Junge, der allein mit seinem Großvater in einem Vorort von Beirut lebt, einen israelischen Piloten, der nach dem Abschuss seines Jets, in die Hände der Hisbollah gefallen ist. Ein wertvoller Gefangener für die Erwachsenen & für den Jungen ein Hassobjekt, weil sein Vater kürzlich bei einem Bombenangriff der Israelis getötet wurde. Als sich der Gefangene mit einem Trick befreien will, schießt ihm der Junge, der ihn bewacht, ins Bein. Beide schließen jedoch später mit Handschlag einen Vertrag: der befreite Pilot verpflichtet sich, den Jungen mit nach Israel zu nehmen, wo er den bei der Flucht mitgenommenen Olivenbaum im Dorf, aus dem die Familie stammt, wieder einzupflanzen will. Nachdem sie die beiden Flüchtigen die gefährliche Grenze erreicht & auf abenteuerliche Weise überwunden haben & der Pilot von seinen Geschwaderfreunden mit Freude in Empfang genommen wurde, muß er jedoch mit Nachdruck darauf bestehen, dass der Vertrag mit seinem jungen palästinensischen Befreier eingehalten wird. Er sucht mit dem Jungen die verlassenen Dorfruinen auf, um das Olivenbäumchen an seinen Ursprungsort, der von den Landkarten getilgt ist & von dem Jungen nur durch die Erinnerungen an die Erzählungen seiner Mutter lokalisiert wird, schließlich zurückzubringen.

Freilich fragt man sich, was mit dem eigenmächtigen Jungen geschehen dürfte, nachdem er das Angebot des Piloten, in Israel zu bleiben, ausgeschlagen hatte & unter UN-Schutz nach Beirut zurückgebracht wurde. Schließlich hat er ja als „Verräter“ den wertvollsten israelischen Gefangenen der Hamas befreit.

Der Verrat des exilierten palästinensischen Waisen nimmt sich jedoch wie eine Petitesse aus gegenüber dem Verrat Mosab Hassan Yousefs. Der älteste Sohn eines der Gründungsmitglieder der Hamas war im Alter von 17 Jahren vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet rekrutiert worden. Er hatte, als engster Vertrauter seines Vaters, jahrelang u.a. zur Verhaftung hochrangiger Hamasmitglieder (darunter sein Vater) & zur Verhinderung von Selbstmordattentaten beigetragen – weil er den militärisch-militaristisch-terroristischen Flügel der Hamas verabscheute. Heute lebt er in den USA – ähnlich unstet wie Roberto Saviano, dem literarisch-politische Kämpfer gegen die italienische Mafia in Italien.

the-green-prince_plakatDass Mosab Hassan Yousef überhaupt noch am Leben ist, verdankt er einzig & allein seinem ersten Schin-Bet-Kontaktmann Gonen Ben Itzhak, der heute als Anwalt arbeitet. Er verlor seine Stellung bei dem Geheimdienst, als er eigenverantwortlich mit dem Risiko, als Landesverräter angeklagt zu werden, sich um Leib & Leben des ihm geheimdienstlich Anvertrauten kümmerte, als der Geheimdienst den wertvollen Verräter seinem absehbaren Schicksal überlassen wollte, nachdem dessen Tätigkeit von der Hamas identifiziert worden war. Der couragierte Israeli sorgte dafür, dass der von seiner Familie natürlich verstoßene Palästinenser, der einst den Decknamen „Der grüne Prinz“ trug, heute in den USA anonym leben kann.

Der Dokumentarist Nadav Schirman hat auf der Basis einer literarischen Lebensbeichte des „grünen Prinzen“ eine erzählerische Dokumentation erstellt, in der die beiden heutigen Freunde ihre gemeinsame Lebensgeschichte als atemberaubende doppelte Zeugenschaft direkt in die Kamera sprechen. Nur selten wird die Kontrast-Montage der beiden separat aufgenommenen Aussagen mit historischem dokumentarischem Fremdmaterial aufgefüllt. Alle Dramatik dieser inszenierten Dokumentation liegt in der sachlichen Summierung einer extrem prekären Spionagetätigkeit & der sich daraus entwickelten Freundschaft zwischen zwei außerordentlichen Männern, die (jeder auf seine Weise) die Einsamkeit des Verrats gewählt haben & als es notwendig wurde, sich gegen die ganze Welt verbrüderten! Ein einzigartiges filmisches Dokument intimer menschlicher Solidarität & moralischer Solidität. An Schirmans „Hohem Lied der unverbrüchlichen Fürsorglichkeit & des Vertrauens unter extremsten Bedingungen“ hätten Friedrich Schiller ebenso wie Albert Camus Gefallen gefunden. „Nie wird es zu hoch besungen, eines Freundes Freund zu sein“ (frei nach Beethovens „Fidelio“).

Wenn „Snow in Paradise“ der bizarrste Film der 48. Internationalen Hofer Filmtage war, dann „Der grüne Prinz“ der bewegendste. Für mich zumindest.

Wolfram Schütte

Zum Internetauftritt der Hofer Filmtage.

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