Geschrieben am 1. August 2017 von für Litmag, News, SEXMAG, Specials

Viviane Joyce: Weiber, Sex und Rock’n’Roll

Sherin - Vivianne Joyce
Weiber, Sex und Rock’n’Roll

Sex in Liedern ist absolut okay – ausser, wenn eine Frau darüber schreibt und singt

Von Viviane Joyce

Sex macht Spaß. Über Sex zu singen, macht Spaß. Als Frau über Sex zu singen, ebenfalls. Nie aber wird das mit derselben Selbstverständlichkeit vom Publikum rezipiert, wie wenn Männer über Sex singen. Der Vorteil: Das Lied fällt auf, wird diskutiert. Der Nachteil: Als Frau muss ich mich für Zeilen rechtfertigen, mit denen ein Mann nicht einmal ein müdes Schulterzucken auslösen würde. Von Annie Lennox und den Eurythmics‘ „I Need A Man“ bis hin zu Yeah Yeah Yeahs „Bang“ – Zeitschriften und Internetforen haben sich immer schnell mit Diskussionen zu einem Thema gefüllt, das keines sein müsste. Nicht, dass ich etwas an solchen Debatten auszusetzen habe. Mich stört aber, dass Männer auch 2017 noch über den Sex in jeder erdenklichen Stellung johlen können, ohne mit ihrem Geschwafel über Bitches und Hos irgendwelche Kritik auf sich zu ziehen.

Mit meiner ersten Band schrieb ich hin und wieder sexuell explizite Songtexte („What’s Wrong With A Quickie“), aber ich realisierte schnell, dass dies zu Problemen führte, ja führen musste. Was ich auf der Bühne sang, wurde eins zu eins auf mich als Person projiziert. Das ging öfters schief. Mit Anmachen, Pöbeleien, Anzüglichkeiten aller Art konnte ich umgehen. Als mich ein Zuschauer nach einem Konzert in Bern jedoch mit den Worten „Hey, ich hab schon verstanden, was Du willst“ sexuell massiv bedrängte, war ich so geschockt, dass ich ihn nicht abzuwehren wusste. Ich hatte Glück, dass unser Bassist rechtzeitig auftauchte, den Kerl von mir losriss und aus dem Lokal schmiss.

Wer ich auf der Bühne und in meinen Songs bin, ist nicht unbedingt dieselbe Person, die ich in Wirklichkeit bin. Keine neue Erkenntnis im Rock’n’Roll, aber ich musste dies schmerzhafter erfahren, als mir lieb war. Und was sich Männer auf einer Bühne und mit dem Publikum erlauben können, muss sich eine Frau gut überlegen, ob sie das wirklich will. Ein Bad in der Menge? Nein, danke. Courtney Love, Frontfrau der US-amerikanischen Grunge-Band Hole, beschrieb ein Stage-Diving etwa als eine „Beinah-Vergewaltigung“. Ich war nie selbstsicher und aggressiv genug, diese Erfahrung selber auszuprobieren. Auch meine Texte änderten sich. Ich ging weg vom Expliziten hin zu Anspielungen, die teilweise kaum subtil waren, aber dennoch keine Reaktionen hervorriefen.

2005 schrieb ich für meine damals frisch gegründete Frauenband Gretel den Song „Vagina Warrior“, ein Song, der von weiblicher Wut und Kraft handelt. Wir waren kaum im Studio mit unserem irischen Produzenten Kieran Kennedy angekommen, als dieser gerade über diesen Song zu diskutieren begann. „Wie kannst Du ein so weibliches, sanftes Wort wie Vagina neben ein kriegerisches wie Warrior stellen?“, fragte er ungläubig. Meine Erklärungen über die weibliche Stärke – auch jene zwischen den Beinen – beeindruckten ihn nicht, er blieb dabei: Vagina hatte für ihn etwas Samtenes, Weiches, das er unmöglich mit Wut oder Krieg in Verbindung bringen konnte.

Eine Freundin verdrehte die Augen, als sie den fertigen Song zum ersten Mal hörte, und meinte: „Kannst Du das Thema Sex nicht mal einfach aus Deiner Musik weglassen?“ „Vagina Warrior“ blieb bis heute jener Song meiner Musikkarriere, der am meisten falsch verstanden wird, und das nicht nur vom anderem Geschlecht. Wenn wir „Vagina Warrior“ aufführten, stießen sich die Jungs gegenseitig die Ellbogen in die Rippen und grinsten uns wissend an, Frauen sangen lautstark mit und klopften mir nach dem Konzert auf die Schulter: „Endlich ein Sexlied!“

Trotz der vielen Probleme, die mit Songs über Sex entstehen, wenn sie von Frauen gesungen werden: Ich werde so weitermachen wie bisher. Vermutlich werde ich den Ausgleich zwischen Ironie, Explizitem und Subtilität nie ganz hinkriegen – die Auseinandersetzung mit dem wichtigen, heiklen Thema Sex und Musik bleibt aber für mich spannend genug, dass ich mich ihm weiter stellen werde.


Viviane Joyce,
49, Journalistin, Feministin und Sängerin der Rockband Furlong und des Singer-Songwriter-Duos Rez. Spielte zuvor u.a. in der Frauenpunkband Gretel und der Frauenmetalband Zerotonine. Wuchs in New York auf. Lebt seit 25 Jahren in Basel.

 

Vagina Warrior                                           music: V. Joyce, Gretel / lyrics: V. Joyce


People don’t deserve to die
But I wonder why you live
Don’t know why you take so much
I guess you never learned to give

You know, I’m getting tired
Of being kicked and kicked again
I’m getting on a high horse
I’m gonna hunt you till the end


CHORUS:

            Cause I’m a Vagina Warrior baby

            You won’t believe what I can do

            I’m a Vagina Warrior baby

            Wait until I’m through with you


I’ve seen the face of violence
And yes, I wear it, too
I heard you take no prisoners
Well I guess I’m just like you

Why don’t you get running
I’ll give you a little lead
But when I catch you you’d better start crying
I’m gonna make you bleed


CHORUS:

            Cause I’m a Vagina Warrior baby

            Wait until Im through with you

            I’m a Vagina Warrior baby

            You wont believe what I can do


Cancel all the kitchen scraps
No help for lepers, too
No merciful beheadings
And no Christmas for you

I’m the new born villain
The worst one on the set
I will make you suffer
You ain’t seen nothing yet


CHORUS:

            Cause I’m a Vagina Warrior baby

            You won’t believe what I can do

            I’m a Vagina Warrior baby

            Wait until I’m through with you

 

 

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