Geschrieben am 2. Mai 2012 von für Film/Fernsehen, Litmag, Spotlight, die TV-Kritik

Spotlight, TV-Kritik: Monatsrückblick April

Bergprediger, Moralprediger, Hassprediger, gesehen von Christiane Geldmacher.

– 31. März. Am Vorabend des Monats April gerate ich in „Verraten und verkauft“ von „Gott und die Welt“ des einflussreichen Massenmediums Bayerischer Rundfunk. Das Format zeigt, wozu Menschen fähig sind, die einfach vor der Kamera mal losreden dürfen. Die Story: Sebastian R. erkrankt schwer an Krebs, seine Frau verlässt ihn und bringt beider Vermögen durch. Furchtbare Krankheit, furchtbare Frau, furchtbare Enttäuschung: Das mag ja alles sein. Leider kommt die Ex nie zu Wort, deren Intimleben hier ausgebreitet wird. Nur der genesene Mann mit neuer, sehr empathischer Frau. Frage mich, ob das ein Aprilscherz sein soll.

5. April Bergprediger Günter Grass, gealtert und mit hoffentlich letzter Tinte, hat mal wieder was veröffentlicht: ein „Gedicht“ in der Süddeutschen Zeitung. In einer bizarren Veranstaltung lädt er drei der „gleichgeschalteten Medien“ exklusiv in seine Parallelwelt vor seine intellektuelle Bücherwand ein. Bei 3sat machen sie  einen „Schwerpunkt Grass“ draus, in der ARD darf er sein Gedicht vortragen, das ZDF schaltet live nach Israel. Günther Jauch lässt das Thema nochmal in seiner mediatisierten Versammlungskommunikation am Sonntagabend hochkochen und Günter Grass darf später in der Woche nicht mehr nach Israel einreisen.

8. April Off-TV, On-DVD: Zwei Staffeln von „Downton Abbey“, einer Mischung aus Brideshead Revisited und Eaton Place. Drehbuch: Jane Austen, bzw. der verdiente Julian Fellowes. Meine Lieblingsfiguren: Der Major Domus Carson, der mit dem Lineal die korrekten Abstände zwischen dem Besteck und der Tischkante abmisst, sowie die prächtigst aristokratisch die Mundwinkel herabziehende Maggie Smith.

12. April Die ganze Welt lacht über den missglückten Raketenstart der Nordkoreaner. Zu schön!

13. April Schiffbruch mit Zuschauern: Tina Mendelsohn empfindet in einem „Kulturzeit Extra“ zusammen mit der Schriftstellerin Katja-Lange Müller, dem Künstler Philipp Lachenmann und den Medienwissenschaftlern Thomas Macho und Jochen Hörisch vor dem Schiffswrack der Costa Concordia auf der Isola de Giglio mit allen Sinnen den tragischen Schiffsunfall nach. Das passt auch gut zu dem hundertjährigen Jubiläum des Untergangs der Titanic. Sie reden von Fortschritt, Zivilisation, Angst, Katastrophen und dem alten Europa. Und vor allem: Wann wird eine Katastrophe zur Kunst?

15. April Wir werden jetzt doch hoffentlich nicht jeden Morgen den rechtsradikalen Gutenmorgengruß des Anders Breivik sehen?

16. April Semiotisches Amalgam (das ist eine Mischung aus Foto, TV und Internet) bei „Brisant“: Die Luft für den spanischen König wird dünn. Nicht nur, dass er wohl eine Geliebte hat, nein, er erschießt auch Elefanten in Botswana (was den spanischen Steuerzahler 44 000 Euro mit Hin- und Rückflug kostet), obwohl der Moralprediger Ehrenpräsident der spanischen Sektion des WWF ist. Das Foto von ihm und dem erschossenen Tier ist schon ein paar Jahre alt, aber seit dem Wochenende kursiert es in einem shitstorm wieder im Netz, denn Juan Carlos hat sich in Afrika die Hüfte bei einer neuerlichen Safari gebrochen – während sein Volk darbt.

18. April Was haben uns die martialischen Denkmäler in Deutschland noch zu sagen, fragt das „ZDF-Morgenmagazin“. Willy I, Willy II, Niederwalddenkmal, Völkerschlachtdenkmal? Das Völkerschlachtdenkmal, 91 Meter hoch, erinnert an eine Schlacht bei Leipzig, die 1813 rund 100 000 Menschen das Leben kostete. Heute hat man eine ganz schöne Aussicht von da. Die Leute vor Ort versuchen, den Pathos des Ortes ironisch zu brechen, indem sie Badewannenrennen in lustigen Schwimmanzügen veranstalten.

22. April Die spanische Journalistin Gemma Casadevall schreibt für die Zeitungen „Diario de Barcelona“, „Avui“ und „El Mundo“ und ist als Korrespondentin für die Berichterstattung über Deutschland, Skandinavien und Polen zuständig. Sie sagt (situativer Kontext: der Presseclub der ARD zum Thema „Euro“), dass in Spanien jetzt Deutsch gelernt würde: das Wort Minijob.

Am gleichen Tag, abends: Uli Deppendorf hat Philipp Rösler zu Gast, später im Interview Sigmar Gabriel. Der Gastgeber hat den Bogen noch nicht ganz raus, wie man nicht nur eine Frage stellt, sondern auch der Antwort zuhört, so dass intelligentes Nachfragen theoretisch möglich wäre. Was es dem Zuschauer nicht leicht macht, seine Handlungsentscheidung am Wahlabend zu präzisieren.

23. April. Ereignisübertragung in „n-tv news spezial“: Samuel Koch stellt in einer Live-Pressekonferenz mit Thomas Gottschalk das Buch „Zwei Leben“ (Autor: Christoph Fasel) vor. Er verdrängt damit den Sieg Francois Hollandes im ersten Wahlgang in Frankreich vom Bildschirm sowie den Deutschen Fußballmeister Borussia Dortmund. Am Vorabend war Koch schon mit seinem Vater und seiner Schwester bei Günther Jauch: ein bewegendes und exzellent promotetes Einzelschicksal.

Außerdem: Der Hassprediger Abouie-Nagie – Initiator der umstrittenen Koran-Verteilaktion in deutschen Fußgängerzonen – erhält 1860 Euro monatlich vom Deutschen Staat. Das ist jetzt natürlich nicht soooo toll – 1200 Euro gehen direkt für die Miete des Reihenhauses drauf, erklärt er. We are not amused.

27. April Vielversprechend, aber idiotische Sendezeit: Auf Pro 7 läuft samstags um 13.35 Uhr die NBC-Sitcom „Community“. Jeff Winger (Joel McHale) gründet eine Lerngruppe, um den Grundkurs Spanisch bei Senor Chang (Ken Jeong) zu bestehen. Die Lerngruppe produziert intelligente und witzige Dialoge – ich habe bei jedem zweiten Satz gelacht (das ist der Pointensatz). The Dalai Lama and I …

29. April Wir haben die Wahl zwischen dem Tanztag auf 3sat und einem  Hochzeitstag auf Sixx (anlässlich des ersten Hochzeitstags von William und Kate, präsentiert von Triumph und windeln.de). Zuerst probiere ich es mit „A Chorus Line“, weil es ja immer sein kann, dass ich einen Film damals im Kino bescheuert fand, er aber in der Zwischenzeit an Tiefe gewonnen hat. Das ist hier definitiv nicht der Fall, eher das Gegenteil, also schalte ich um zu „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“. Das ist jener Film, in dem die falsche Frau (Andie MacDowell) Hugh Grant kriegt. Die richtige Frau wäre sie gewesen: Kristin Scott Thomas als Fiona!

30. April Hey, morgen ist 1. Mai! Das übersetzt sich in Tanz in den Mai! Und 3sat tanzt mit! Mit seiner „bewährten“ Oldies-but-Goldies-Nummer „Pop around the clock“;  „diesmal“ mit den Stones, Santana, dem unvermeidlichen Bryan Adams, Simon and Garfunkel, Herbert Grönemeyer, AC/DC und U2.

Wen das nicht vom Hocker reißt, gefällt vielleicht das hier: Fly, Robin, fly von der Silver Convention! Unmatched, wie sie „up up to the sky“ zeigen!

… to be continued …

Christiane Geldmacher

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