Geschrieben am 16. März 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Im Kochkurs

Kochen lernen

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige, abenteuerliche und ganz normale Sachen aus. Diesmal hat sie den Kochlöffel geschwungen.

Die Köchin sagt, es gibt drei Gruppen von Leuten, die Kochkurse besuchen: erstens solche, die den Kurs geschenkt bekommen haben, zweitens die Schenker, die mitgehen (oft sind das diejenigen, die den Kurs eigentlich besuchen wollen), und die dritte Gruppe sind nur ein paar seltene Ausnahmen.

Tatsächlich sind drei Paare da, bei denen einer dem anderen den Kurs geschenkt hat. Wir haben aber auch einige der seltenen Ausnahmen dabei: einen Vater mit Sohn („wir sind so ’ne Männer-WG und wollten mal unser Repertoire erweitern“), eine junge Frau, einen mittelalten Herrn und mich.

Zutaten

Wir sind im Nil, dem Restaurant, in dem auch der streng selektive Fleischesser guten Gewissens Fleisch essen kann, hier werden ausschließlich Tiere von handverlesenen Biohöfen im Hamburger Umland verwendet. Das Thema des Kurses ist „Asiatische Küche“, es soll vier Gänge geben, zwei Vorspeisen, ein Hauptgericht, Dessert.

Ich lande in der Vorspeisengruppe. Wir machen Tempuraröllchen vom Lachs mit Wasabi-Gurkensalat und als Zweites einen grünen Papayasalat mit Rindfleisch und Erdnüssen. Die Haupt-und-Nachspeisengruppe kocht ein Curry aus Huhn und Süßkartoffeln und eine Ingwer-Crème Brûlée mit Mango. Ich entwickle auf der Stelle einen kleinen Futterneid und wäre auch lieber in der Curry- und Crème Brûlée-Gruppe.

Egal, denke ich, schnibbel ich halt Salat. Der Sohn nimmt sich die Papayas vor, der Vater erteilt Anweisungen und möchte ansonsten flirten. Der Sohn schneidet die Papaya erst mit dem Messer klein, dann versucht er, sie mit einer Reibe zu raspeln, es gibt Matsch und der Sohn auf. Ich schneide eingelegten Ingwer, presse zwei Limonen, filetiere eine weitere, beziehungsweise versuche es. Als ich fast fertig bin, zeigt die Köchin mir, wie man Zitrusfrüchte filetiert. Geht natürlich ganz einfach. Ich rühre die Marinade an, der Vater ist ebenso verschwunden wie der Sohn, der Rest meiner Gruppe macht die spannenderen Sachen, nämlich die Tempura-Lachsröllchen.

Kräuter

Ich schnibbele Kräuter, andere Kräuter und noch mehr Kräuter und hacke Erdnüsse und rühre Marinaden und Dressings an. Der Vater, der sich inzwischen aufs Fotografieren verlegt hat, kommt vorbei, ich frage ihn, ob er vielleicht ein paar Kräuter schneiden kann. Er beschwert sich, den Unterton hätte er wohl gehört! Der Sohn kommt vorbei, ich bitte ihn, mir den Wasabi zu holen. Er kommt mit einer Süßkartoffel wieder und sieht mich fragend an. Das ist eine Süßkartoffel, sage ich, Wasabi ist so eine grüne Paste in einer Tube. Ohne Unterton diesmal, ich bin nämlich durchaus nicht der Meinung, dass jeder wissen muss, wie Süßkartoffeln und Wasabi aussehen. Es ist ihm allerdings auch völlig egal. Der Sohn legt mir die Süßkartoffel hin, ich hole mir den Wasabi selbst und bringe auf dem Weg auch gleich die Süßkartoffel wieder weg. Der Sohn erzählt derweil der Hühnchengruppe, dass er mal eine Sau abgestochen hat, auf Kuba, ein paar Männer haben sie festgehalten, sie hat gequiekt und sich gewehrt, und das Messer war stumpf, da musste er richtig an dem Schwein herumsäbeln, aber er hat es geschafft, irgendwann kam endlich das ganze Blut. Der Vater salzt das Rindfleisch.

Lachs

Die Köchin zeigt uns, wie man einen Fisch aus der Decke schlägt, wie man den Lachs in Nori einrollt, ohne dass es bricht, und wie die Stäbchenprobe einem sagt, ob das Frittierfett heiß genug ist, und sie erklärt, wie man Fleisch richtig anbrät – früh genug aus dem Kühlschrank holen, damit es Zimmertemperatur annimmt, salzen, zwanzig Minuten warten, bis sich eine feuchte Schicht gebildet hat, eine Bratpfanne (Brat-! Nicht irgendeine Pfanne) erst heiß werden lassen, dann das Öl hineingeben und ebenfalls richtig heiß werden lassen, dann das Fleisch rein und scharf anbraten. Im Ofen warmhalten und nachgaren, und während sie all das erklärt, vergisst die Crème Brûlée-Gruppe zu rühren. Das Ei stockt oder so, jedenfalls wird irgendetwas klumpig. Na, mal sehen, sagt die Köchin, vielleicht kriegen wir das noch hin.

Ich rühre den Tempurateig an, zwei Leute frittieren die Lachs-Nori-Tempuraröllchen. Die Crème Brûlée wird in den Ofen geschoben, immer noch mit der Ansage „na, mal sehen“. Weiter hinten köchelt längst das Curry mit Huhn und Süßkartoffeln und duftet. Jetzt wird genauer geplant – wann müssen die Sachen gemacht werden, die à la minute fertig sein sollen?

Ich probiere zum hundertsten Mal das Wasabi-Dressing für den Gurkensalat und gebe zum achtzigsten Mal mehr Wasabi hinein. Ungefähr genauso oft probiere ich den Papayasalat und weiß nicht, was fehlt. Ein bisschen Zucker, schlägt jemand vor, und ja, das war’s. Am Ende schmecke ich gar nichts mehr, die Köchin segnet aber alles ab, und ich rühre die ganzen Kräuter in den Salat. Es kann angerichtet werden!

Vorspeisen

Wir verteilen die Vorspeisen auf die Teller, zwei Sorten Salat, auf die eine kommt das Rindfleisch, neben die andere die frittierten Lachsröllchen. Der Tisch war schon gedeckt, als wir ankamen, es sieht sehr hübsch aus. Der Vater sitzt bereits, während alle anderen noch beschäftigt sind. Die Nachspeisengruppe guckt in den Ofen und betrachtet skeptisch die Crème Brûlée, die Köchin kocht noch schnell Kompott aus den kleingeschnittenen Mangos.

Dann sitzen alle und kosten die Vorspeise, und tatsächlich: alles toll. Perfekt gegartes Rindfleisch, herrliche Lachs-Tempuraröllchen, erstaunlich köstliche Salate, die Kräuter haben den Papayasalat rausgerissen.

Curryhuhn

Das Hühnchencurry ist sehr lecker, aber nicht spektakulär, dabei haben sie sogar die Currymischung selbst gemörsert. Es sieht auch eher selbstgekocht aus als nach schickem Restaurant, aber es ist ja auch kein Foodstylingkurs. Das Einzige, was wirklich nicht geklappt hat, ist die Crème Brûlée. Sie ist auch nach langer Zeit im Ofen noch recht flüssig, wir essen sie trotzdem, geschmacklich ist sie gut, aber in der Konsistenz leider verunglückt. Fällt wohl unter shit happens.

Mit dem letzten Löffel flüssiger Crème mit Mangokompott stehen Vater und Sohn auf, es täte ihnen leid, aber sie müssen wirklich los. Wir anderen räumen auf, spülen, wischen, räumen die Spülmaschine ein und halten noch ein Schwätzchen.

Dass ich tatsächlich allerlei gelernt habe, geht mir erst in den nächsten Tagen so richtig auf.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zur Webseite von Isabel Bogdan.