Geschrieben am 15. Dezember 2008 von für Litmag, Lyrik

Rutger Kopland: Dank sei den Dingen

Geschmack von Brot und Jenever

Endlich liegt nun auch eine deutsche Übersetzung von Gedichten eines der derzeit wichtigsten Lyrikers der Niederlande vor. Von Carl Wilhelm Macke.

Verwunderung und Erstaunen. Da liest man in einer neueren Geschichte der niederländischen Literatur, dass die Gedichte von Rutger Kopland bereits in fast alle Weltsprachen übersetzt worden seien. Nur im Deutschen, immerhin die Nachbarsprache der Niederländer, waren sie bislang noch nicht lesbar. Dank der nicht genug zu lobenden Edition Lyrik Kabinett bei Hanser unter der Federführung von Michael Krüger, Raoul Schrott und Ursula Haeusgen ist jetzt eine Auswahl seiner Gedichte in einer Übersetzung von Mirko Bonné und Hendrik Rost zu lesen. Kopland, eigentlich R. H. van den Hoofdakker, arbeitete bis vor wenigen Jahren als Professor für Psychiatrie an der Universität Groningen. Als Schlaf- und Depressionsforscher besitzt er auch international eine große Reputation. In den Niederlanden aber ist Kopland vor allem bekannt und auch populär als Lyriker. Dreizehn Gedichtbände sind von ihm bereits erschienen und dazu kommen weitere Essaybände. Hohe und höchste literarische Preise wurden ihm in seinem Heimatland bereits zuerkannt. Hin und wieder taucht sein Name sogar in der Liste von nobelpreiswürdigen Schriftstellern auf. Nur in Deutschland ist Kopland bis heute fast unbekannt. Das könnte und sollte sich jetzt ändern.

Von Dingen und Menschen

Ist es wichtig zu wissen, dass der Autor viele Jahre lang Gedichte schrieb, während er noch vornehmlich als Psychiater tätig war? Bei der Lektüre seiner Gedichte schwingt diese Information immer mit und doch wäre es vollkommen falsch, seine Gedichte vorschnell als melancholisch, gar „depressiv“ gefärbt zu bezeichnen. Will man einen „roten Faden“, einen „Basso continuo“ der Gedichte von Rutger Kopland nennen, dann ist es vielleicht seine große, manchmal schon stoisch erscheinende Konzentration in der Betrachtung von „Dingen“ oder in der Annäherung an einen Menschen, der sich auch nach vielen Versen immer noch als ein „Geheimnis“ dem Autor und auch dem Leser dieser Gedichte präsentiert. Eines der schönsten Gedichte, in dem das Besondere des Schreibens von Kopland hervorsticht, trägt den Titel „Weggehen“: „Weggehen ist etwas anderes / als aus dem Haus schlüpfen / sachte die Tür ins Schloss ziehen / hinter dem, was du bist, und nicht / zurückkommen. Du bleibst / jemand, der erwartet wird.// weggehen kannst du als eine Art / Bleiben beschreiben. Niemand / wartet, denn du bist noch da./ Niemand nimmt Abschied / denn du gehst nicht weg//. “

Und über die Kunst des Dichtens heißt es bei ihm, sie sei der Versuch, mit größtmöglicher Sorgfalt zu konstatieren, „dass beispielsweise am frühen Morgen die Vogelbeeren Tausende Tränen tragen gleich einer Zeichnung aus der Kindheit so rot und so viel“. Ein Langgedicht trägt den lapidaren Titel „G“. Ein weit ausholendes Porträt eines Menschen, in dem bereits in der ersten Zeile das Geheimnis des Buchstabens G angedeutet wird: „G. ich schrieb ein Gedicht über dein Gesicht …“ Was dann folgt, ist eine elegische Erinnerung, ein wunderbar poetisches Nachrufen auf einen vielleicht gestorbenen, vielleicht nur weggegangenen Menschen. „Die Tage mit dir, G., sie schmeckten sehr heftig / nach wenig, wie der Tag eines aufgeschobenen / Abschieds, wenn du allein sein willst und es nicht kannst, / der Geschmack von altem Brot und Resten Jenever.“ Wenn man Gedichte lesen will, die ein irritierendes Echo hinterlassen, die auch von der Liebe handeln zu Menschen, zu Dingen und eben nicht poesiealbentauglich sind, dann sollte man sich den Namen Rutger Kopland merken. Das die bislang erste und einzige Übertragung einer Auswahl seiner Gedichte in der Edition Lyrik Kabinett erschienen ist, zeigt auch, wie bedeutend Kopland von Kennern moderner Lyrik eingestuft wird. Eingang findet in diese in ihrer Form so nüchternen, fast kargen, inhaltlich aber so überaus gehaltvollen Edition, wer in der modernen Gegenwartslyrik Gehör verdient.

Carl Wilhelm Macke

Rutger Kopland: Dank sei den Dingen. Ausgewählte Gedichte 1966-2006.
Aus dem Niederländischen von Mirko Bonné und Hendrik Rost. Mit einem Nachwort von J. M. Coetzee.
Carl Hanser Verlag 2008. 96 Seiten. 14,90 Euro.