Fragen an Verlage
Wir haben den Programmleitern von Malik, Bettina Feldweg, und DuMont Reiseabenteuer Dr. Philip Laubach-Kiani, drei Fragen über heutige Literatur des Unterwegsseins gestellt.
1. Das renommierte britische Literaturmagazin Granta stellt aktuell die Frage „is travel writing dead“? Wie können sich Reisebücher heute gegen die Konkurrenz von leicht konsumierbaren Multimedia-Vorträgen, TV-Dokumentationen und kostenlosen Blogs behaupten?
Feldweg:
Ich sehe die einzelnen Medien eher im Zusammenspiel; unterschiedliche Kanäle, die Unterschiedliches leisten können und sich gegenseitig befruchten. Die meisten unserer Autoren berichten nicht nur in Buchform über ihre Reisen, sondern auch bei Live-Veranstaltungen, in Online-Magazinen, als Blogger, im TV etc. Dabei helfen sich die einzelnen Kanäle viel mehr, als dass sie einander schaden: Nach einem spannenden Multimediavortrag kauft sich der Besucher gern ein signiertes Buch, als Geschenk oder auch um selbst zuhause noch tiefer in die Geschichten einzusteigen. Blogs von unterwegs geben oft wertvolle Initialzündungen für Bücher, und auch aus spannenden TV-Formaten oder YouTube-Filmen sind bei uns schon großartige Bücher entstanden. Interessanterweise sind gerade Blogger auch sehr printaffin. Ein gutes Beispiel dafür sind unsere beiden sehr erfolgreichen Bände mit TRAVEL EPISODES, die aus der gleichnamigen Scrollytelling-Plattform hervorgegangen sind.
Laubach-Kiani:
Sehr gut, wie der Blick auf die aktuelle Bestseller-Liste zeigt: 3 Reisebücher unter den 20 meistverkauften Büchern im Hardcover und Paperback, das spricht für sich. Ausgerechnet in England, Heimat des „travel writing“ und von Granta, sieht es anders aus. Das hat allerdings mehr mit den großem Buchhandelsketten dort zu tun. Diese haben sich jahrelang auf wenige bekannte Autoren konzentriert und in Rabattschlachten erschöpft, statt den Lesern das Besondere neuer Reisebücher zu vermitteln.
2. Haben sich in Zeiten, wo Menschen u.a. um den ganzen Globus joggen und im Winter Achttausender besteigen, die Reisethemen erschöpft? Muss sich ein Reisender immer größere Hindernisse auferlegen (z.B. Begleitung von Kleinkindern, ungeeignetes Vehikel, Ballast wie ein Kühlschrank), um noch ein neues Abenteuer bestehen zu können und sich für Ihren Verlag und das Publikum interessant zu machen?
Feldweg:
Ausgefallene Reisevehikel oder Erschwernisse sind eine Möglichkeit, eine Reise besonders zu machen. Und die Vielfalt dessen, wie man reisen möchte – wie unsere Autoren Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma, die zwei Jahre per Anhalter Südamerika bereisten. Oder Jessica Braun und Christoph Koch, die mit vorher völlig Fremden die Wohnung tauschen – mal für ein Wochenende, manchmal aber auch für mehrere Monate – und so neue Orte wie die Einheimischen erleben.
Dass sich die Reisethemen und -ziele sonst erschöpfen würden, sehe ich aber nicht. Es gibt doch immer wieder Verschiebungen bei den Sehnsuchtsorten; Länder, die lange tabu waren, entwickeln sich zu nachgefragten Zielen, wie der Iran. Stephan Orths wunderbares Couchsurfing-Buch ist der beste Beweis dafür, dass es eben gerade keinen Ballast braucht, sondern die Bereitschaft, sich bei den Menschen auf den Fußboden zu legen und mit ihnen in den Alltag einzutauchen. Umgekehrt hat es beispielsweise die Türkei, eigentlich ein klassisches Lieblingsland der Deutschen, derzeit schwerer, das gilt ein Stück weit auch für die Reiseliteratur darüber.
Laubach-Kiani:
Das extreme Abenteuer hat starke Konkurrenz von Blogs und Livecams bekommen. Geschichten rund ums Reisen müssen daher erzählerisch unverwechselbarer sein und charakterlich überzeugender als früher. Was eine extreme Geschichte für mich interessant macht, ist genau das: Charakter. Eine tiefere Ebene. Erfahre ich durch sie etwas über mich selbst, über die Stärken und Schwächen von uns als Menschen, was ich noch nicht wusste. Unsere neue Abenteuer-Reihe TRUE TALES im DuMont Reiseverlag setzt genau da an.
3. Wie wichtig ist für Sie der Stil bei Reiseliteratur? In welchem Ausmaß greifen Sie beim Lektorat ein, wenn ein Reisender nicht so begabt im Schreiben ist, aber Wichtiges zu erzählen hat?
Feldweg:
Das hängt sehr davon ab, wie viel Erfahrung und Zeit ein Reisender für die Arbeit am Buch mitbringen kann und möchte. Es ist unser Job, im Lektorat die Autoren zu unterstützen. Oft setzt die Unterstützung auch schon wesentlich früher an: indem wir Reisende motivieren, ein Buch zu schreiben, mit ihnen Ideen für die Konzeption, Schwerpunktsetzung und Dramaturgie entwickeln. Oder sogar schon bei der Überlegung, wohin die Reise gehen könnte.
Laubach-Kiani:
Der Stil ist enorm wichtig. Stil ist der erste Eindruck, den ein Text auf den Leser macht, noch vor seinem Inhalt. Ich habe das Glück, ein Programm verantworten zu dürfen, in dem nur Autoren publizieren, die etwas zu erzählen haben und das auch sehr gut können.
Die Fragen stellte Michael Höfler.
Mit Dank an die Antwort-Geber und
MALIK PIPER VERLAG
DUMONT REISEVERLAG