Geschrieben am 21. Februar 2009 von für Litmag

Oliver Maria Schmitt: Der beste Roman aller Zeiten

Nicht ungeil

So geht das: Ein Buch gerät in ein Umfeld, in dem es um Kriminalliteratur geht. Und ist vielleicht gar keine. Oder doch? Oder wird es ein anderes Buch, wenn man es anders liest? Atzung für Rezeptionsästhetiker, Paranoiafutter für Schubladendenker und fun & frolic für Menschen, die gerne debattieren. Voilá, Tina Manske antwortet auf den letzten Kopfschuss von Uta-Maria Heim

Dieses Buch, dem Titel-Kolumnistin Uta-Maria Heim an dieser Stelle einen Hang zum „frühsenilen Zynismus“ bescheinigte und das sie am liebsten auf dem „endgelagerten Papierschrott“ sähe, muss unbedingt Gerechtigkeit widerfahren. Denn Der beste Roman aller Zeiten, obwohl es darin (auch) um eine Entführung geht und am Ende tatsächlich jemand stirbt, dieses Buch also den Maßstäben eines Krimis zu unterwerfen ist in etwa so, als würde man Art Spiegelman für einen Zoologen halten, weil er ab und zu auch Mäuse gezeichnet hat.

Denn das neue Buch von Oliver Maria Schmitt ist vielmehr eine Satire auf den deutschen Literaturbetrieb und das Beraterwesen, so wie sie sich heute darstellen. Der Held Mike Rademann, der gerade bei Professor Pelz ein Seminar in Entschleunigung hinter sich gebracht hat, sich als professioneller Spammer über Wasser hält und am liebsten als Coach arbeiten möchte, trifft im Frankfurter Bahnhofsviertel per Zufall auf den Erfolgsautor Jo Hollenbach (bekannt aus Schmitts Debüt Anarchoshnitzel schrieen sie – Rezension hier), dessen letztes Buch überall als eben „der beste Roman aller Zeiten“ gefeiert wird, als „BRAZ“ (in deutlicher Anlehnung an den „GröFaZ“, den „größten Feldherrn aller Zeiten“, wie Generalmarschall Keitel Adolf Hitler genannt haben soll). Geschrieben wurde der laut Hollenbach in Erftstadt-Liblar, in derselben Wohnung, in der Hans-Martin Schleyer 1977 im „Volksgefängnis“ saß. NSDAP und RAF als Grundstöcke der deutschen Historienschreibung, nicht der schlechteste Beginn für eine Satire. Sogar Rademanns zukünftige Ex-Freundin hat den Roman gelesen:

„Ich habe es sogar zweimal gelesen“, sagte sie.
„Ich auch“, sagte Hollenbach.
„Vor allem die geile Stelle mit dem entführten Linienbus.“
„Meines Wissens ist es das erste Mal, daß ein entführter Linienbus in einem Bestseller eine tragende Rolle spielt. Nach Gladbeck hat das keiner für möglich gehalten.“

Rademann wird Hollenbachs Manager, was zunächst nur dazu führt, dass er ständig mit dessen Mutter telefonieren und ihn in dessen Wagen (der früher Pol Pot gehörte) durch Frankfurt chauffieren muss. Schnell aber beginnt „eine Kette von Ereignissen, die alle Beteiligten nachhaltig verändern wird“ (courtesy of Berlinale-Programm 2009), denn die beiden werden von der albanischen Buchmafia entführt – nach Albanien. Dort sitzen sie in Bunkern, während man von ihnen erwartet, dass sie als Auslöse den nächsten „BRAZ“ schreiben, den der Mafiaboss Filip Cakuli dann für viele Gulden vermarkten kann.
„’Wenn ihr hier Scheiße baut, dann bin ich meinen Job los und meine Ehre, und ich schwör: Dann habt ihr Streß.‘
Er ging zur Tür, drehte sich noch mal zu Hollenbach um und sagte:
‚Ey, wenn du ungeil schreibst, ich mach dich kalt, Alder!’“

Schmitts Buch ist voller schlechter Witze und Kalauer, aber dies in einer Dichte, dass man schon sehr dicke Haut haben muss, um sich nicht wenigstens kurzweilig unterhalten zu fühlen. Und dazu kommen noch die guten Witze …

So sieht Satire aus, die sich nicht scheut, in den täglichen Dreck zu greifen und kräftig darin rumzuwühlen. Zynisch sind im Gegenteil all die Autoren, die ihre Schmonzetten allenthalben tatsächlich und gar nicht zum Scherz als große deutsche Romane verkaufen wollen. Namen seien hier gnädig verschwiegen – wer die Feuilletons dieser Republik liest, kennt sie ja.

Tina Manske

Oliver Maria Schmitt: Der beste Roman aller Zeiten. Rowohlt Berlin 2009. 256 Seiten. 16,90 Euro.

Trailer zum Buch