Geschrieben am 5. Juni 2013 von für Litmag, Neuer Wort Schatz III

Neuer Wort Schatz: Martina Hefter

mahefterNicht viel Bruch

Martina Hefter

Tanzen

Vorgestellt von Lara Rebecca Rüter


tanzen

auf einer Party, inmitten von anderen Gästen, die man nicht kennt

Von der Bewegung den Aspekt des Imperialen
isolieren. Vier Eckchen festzwecken mit einem Hupf.

Was in deinem Blickfeld lebt, gehört jetzt dir, aber
schlupfe unter, wo du nicht ruhen darfst, flirre im Glitter,

aufs nächste Level: fünf Eckchen beherzigen,
sie poppen beim Drauftreten auf. Bausche aus Raum.

Tauch hinein, grätsche in Nester, lese
von Scheiteln der Gäste Pailletten

im Gestus des Verschwendens,
hangel dir Lämpchen von Wänden, quetsche

plötzlich aus Herumstehen Turns.
Hechte zuletzt in Szenen aus Kill Bill.

Zeige auf Herzchen.

 

=> Kopfschütteln
bei klarer werdender Erinnerung an den Traum von letzter Nacht

Herzen auf Zeigern,
Raum aus Nestern.

Lese das als: verschwenderisch
leben, Szenen des Herumstehens.

Glitter, Pailletten.
Du turnst, trittst auf Lämpchen.

In deinen Blick gequetscht: Bill,
sich aufbauschend vor Gästen,

in seinen Bewegungen Ruhe und Gesten.
Jetzt vier Imperial, sie gehören dir,

aber in den Ecken flirren
Aspekte von Pop.

Was taucht plötzlich auf,
eine Wand? Zuletzt gescheitelte Killer.

 

Mehr Bewegungen, mehr Flattern

Martina Hefters Gedichte aus „Vom Gehen und Stehen“ sind Schmetterlinge. Einen zentralen Punkt haben die Gedichtpaare, das Herz – und von dem ausgehend schlagen sie Flügel. Beide sind unterschiedlich, obwohl sie einer Herkunft sind, flattern sie selten im selben Takt, sind Schwestern, keine Zwillinge.

Martina Hefters Gedichte sind auch Sanduhren. Sie sind gefüllt mit Bewegungsfetzen, sich aneinander reibend laden sie sich auf, lassen Neues entstehen. Eine Bewegung in einer anderen, Bewegung hoch n. Der Sand fällt durch eine kleine Öffnung, das Herz ist der Filter für die Worte, sie landen neu sortiert.

Martina Hefter zeigt die Bewegung des Tanzens auf, lässt die Worte hüpfen und springen, schlägt mit Flügeln, täuscht an – und dann spiegelt sich das Tanzen im Kopfschütteln wider, als versteckte Note, denn Kopfschütteln ist natürlich viel ruhiger als Tanzen. Der Traum muss entwirrt werden, damit etwas Neues entworfen werden kann, Gedanken oder Körper. Wo Tanzen dynamisch und springend ist, ein Schmetterling, der aus Nervosität nicht stillhält, ist das Kopfschütteln das Rieseln des Sandes im Glas.

mantra, heftig 001(1)

Ein Collagegedicht von Lara Rebecca Rüter, als Hommage an Martina Hefter

Es gibt nicht viel Bruch. Die Wörter, die danebenfallen, sind kaum sichtbar, und eigentlich bin ich mir nicht mal sicher, ob sie tatsächlich danebenfallen. Sie schwingen mit, sind vielleicht mit anderen verschmolzen. Ein pikfeines Auseinanderziehen der Zeilen scheint mir hier unangebracht. Viel eher zeigt Martina Hefter, wie viel Kraft in den Wörtern selbst steckt. Die bloße Transformation eines Verbs in ein Subjekt lädt sie so auf, dass sie die Komposition in ein vollkommen neues Gefüge rutschen lässt.

Wenn ich mir die Leser vorstelle, all die unterschiedlichen Lesebewegungen, und wie jeder von ihnen andere Ideen und Gefühle mitbringt, stelle ich mir auch eine Unzahl Gedichte vor. Mehr Bewegungen, mehr Flattern. Martina Hefter, deine Schmetterlinge.

Lara Rebecca Rüter

In Fortsetzung der Neuer Wort Schatz Reihe von Gisela Trahms lesen Sie hier von nun an Neuer Wort Schatz 3, jede Woche eine Gedichtrezeption. Die Beiträge werden zusammengestellt von Carolin Callies und Yevgeniy Breyger.

Zur ersten Staffel von NWS geht‘s hier, zur zweiten Staffel hier, die aktuellen Texte finden Sie hier. Foto Marquardt: Katja Zimmermann..

Das Gedicht ist erschienen in:  Martina Hefter: Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch. Gedichte. Kookbooks Reihe Lyrik 2013. Herausgegeben von Daniela Seel. Band 30. 80 Seiten, mit beiliegendem Heftchen mit Illustrationen von Andreas Töpfer. 19.90 Euro.

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