Geschrieben am 3. August 2011 von für Litmag, Porträts / Interviews

Nachruf auf Giuseppe ‚Peppe’ D’Avanzo aus Neapel

Tod eines Journalisten

– „Diese Welt braucht uns Journalisten mehr als jemals zuvor … Wir Journalisten haben eine unverzichtbare Rolle. Ich glaube allerdings auch, dass die dunklen Kräfte wie repressive Regime, kriminelle Banden und militante Gruppen alles daran setzen werden, die Arbeit von Journalisten zu verhindern.“

Dieses klare und auch etwas stolze Bekenntnis zur Profession des Journalisten stammt von Joel Simon, Präsident des amerikanischen „Committee to protect Journalists“. Simon und sein Komitee zum Schutz der Journalisten wissen wovon sie reden. Seit Jahren schon beobachten und verurteilen sie weltweit alle offen repressive oder „nur“ zensierende Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit.

Natürlich weiß auch Joel Simon, wie opportunistisch, nur auf die eigene Karriere bedacht, oft auch ideologisch verblendet, getrieben nur und ausschließlich vom „Scoop“ viele Journalisten ihren Berufsstand in Verruf bringen. Die jüngst bekannt gewordenen Schnüffelleien von Journalisten aus dem Murdoch-Konzern sind ja – leider – nur ein Beispiel unter vielen.

Aber trotzdem „braucht die Welt Journalisten mehr als jemals zuvor“. Was wüssten wir zum Beispiel über die seit Jahrzehnten aufgehäuften Machenschaften, kriminellen Delikte, Korruptionen und mehr als fragwürdigen privaten Amüsements von Silvio Berlusconi ohne die hartnäckigen und zeitaufwendigen Recherchen vieler italienischer Journalisten?! Berlusconi hat immer Heerscharen von ihm ergebenen Medienproduzenten für sich arbeiten lassen. Sie mussten die Homestories und Verteidigungen seiner Geschäfte schreiben, um seine Wähler und Fans bei Laune zu halten. Sie mussten mit ihren Kommentaren und Artikeln alle Gegner wegbeißen, die sich dem Herrn zu sehr genähert hatten.

Es gab – und gibt – aber auch immer die „anderen Journalisten“, die den von Berlusconi und seinen Getreuen präsentierten halb- und nicht wahren Geschichten nicht trauten. Die seit Jahren den öffentlichen Machtmissbrauch aufgedeckt und angeklagt haben. Die mit ihren Recherchen nicht locker gelassen haben, wenn die „Mächtigen“ – und das war und ist keineswegs nur der Hofstaat um Silvio Berluscoi – versucht haben, Korruptionen, Nepotismus und Selbstbereicherung zu vertuschen.

Und es gab – seit dem vergangenen Wochenende muss man leider im Imperfekt schreiben – einen, der unter vielen guten investigativen Journalisten als der wichtigste, professionellste und hartnäckigste Rechercheur galt. Seien es die dunklen Verbindungen zwischen Mafia und Politik, die als undurchschaubar geltenden Beziehungen zwischen den Geheimdiensten, der Polizei und dem Militär, die Verflechtungen zwischen hohen und höchsten Bankenkreisen mit den Parteien: Es gab in den letzten Jahrzehnten in Italien keinen größeren Skandal, über den der Neapel geborene Giuseppe D’Avanzo nicht recherchiert hätte.

Es lässt sich so leicht über die Verkommenheit, Korruption und die Rolle der Mafia in Italien daherreden. Woher haben wir aber unsere entsprechenden Informationen? Irgendwann wird man bei der Suche nach Quellen immer auf Artikel und Bücher von Giuseppe D’Avanzo stoßen, den seine Freunde und Kollegen nur ‚Peppe’ nannten. Dass Berlusconi ihn von Herzen hasste, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Bei der Hartnäckigkeit, mit der D’Avanzo den Mailänder „Egokraten“ jahrelang mit seinen Recherchen begleitet hat, ist diese Spinnefeindschaft auch weiter nicht verwunderlich.

Giuseppe D’Avanzo war ein Bär von einem Mann (Ex-Rugby-Spieler), scheinbar von denkbar robuster körperlicher Konstitution und extrem belastbar – was bei seinem Arbeitspensum als unentwegt tätiger investigativer Journalist auch unbedingt gefordert wird. Doch er starb, wie von einem Blitzstrahl getroffen, an Herzversagen während einer Fahrradfahrt inmitten seines Urlaubs.

Michele Serra, auch er einer der derzeit wichtigsten und bekanntesten italienischen „Edelfedern“, schrieb aus Anlass des Todes von Giuseppe D‘Avanzo: „Die gut gewählten und oft unter Mühen dem Schweigen und Konformismus abgerungenen Worte, können eine fantastische Waffe sein, ein Geschenk an alle. Ein Geschenk der Freiheit. Der Journalismus im Allgemeinen befindet sich nicht auf diesem Niveau. Einige Journalisten aber wissen uns diese Freiheit zu schenken. Giuseppe D’Avanzo war einer von ihnen.“

Carl Wilhelm Macke