Das siebente Sonett
von Alexander Bessmertny
Der Müllerbube schiebt hinauf zur Mühle
Auf seinem Karren einen Mühlenstein,
Und in die Öffnung schob er glatt hinein
Sein steifes Glied und schaffte so sich Kühle.
Die blonde Müllerin sieht’s im Sonnenschein.
Und trotz der unerträglich dumpfen Schwüle
Läuft sie hinab, daß prüfend sie’s befühle:
Sie faßt und fühlt, es ist von Fleisch und Bein.
« Na hör, mein Junge », ruft sie sehr brutal,
«Was soll die Schweinerei mit deinem Schweif ? !
Ist das die Prüfung, die ich dir befahl,
Ob du auch würdig wärest für mein Bett ?»
Doch er zeigt nur die Inschrift um den Reif,
Und ach! sie liest gerührt: Elisabeth.
„Das siebente Sonett“ erschien erstmals im Jahr 1912 in dem von von Ede S. Blehmches (d.i. Franz Blei) herausgegebenen Privatdruck „Erbrochene Siegel“ als eines von 10 erotischen Sonetten, denen vom Herausgeber die Autorschaft von Friedrich Schlegel angedichtet wurde. Das Bilder-Lexikon Band II (Literatur und Kunst) aus dem Verlag für Kulturforschung, Wien/Leipzig 1929, schreibt dazu unter dem Eintrag über Franz Blei: „Zehn (apokryphe) Sonette von Friedrich Schlegel (1912) schreibt man ihm ebenfalls zu, sie stammen aber von A. Bessmertny und Blei schrieb hierzu nur die Vorrede.“ Die wahre Autorschaft wird sich wohl nicht mehr klären lassen – insbesondere da auch Franz Blei als Multi-Herausgeber, Schriftsteller eigener Werke und hervorragender „Parodist“ (u.a. „Das große Bestiarium der modernen Literatur“) durchaus als Urheber in Frage kommt.
Besonders hervorzuheben ist an diesem Gedicht neben dem Witz und der erotischen Fantasie (man denke nur an die üblichen Größenverhältnisse zwischen einem Mühlstein, seiner Öffnung und eine männlichen „Schweif“) die absolut gekonnte Beherrschung von Versmaß und Reim in der klassischen Sonettform, der „Königin“ unter den Gedichtformen.
Manfred C. Reimann
Das Gedicht entstammt dem Band: „Darum sollte man im Leben mit dem Dorn nach vorne streben“. Moderne erotische Lyrik. Herausgeber: Manfred C. Reimann, Gesine Karge, Andreas Fischer. Zürich: Walde + Graf 2011. 192 Seiten mit Abbildungen. 19,90 Euro.