Geschrieben am 19. März 2014 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Pablo Neruda

Pablo_NerudaOde an das Danke

Dank an das Wort,
das Dank sagt.
Dank an das ‚Danke‘,
weil das Wort Schnee schmilzt oder auch Eisen.

Bedrohlich sah die Welt aus,
solange nicht das ‚Danke‘
mild
wie eine helle
Feder
oder süß wie ein Blütenblatt aus Zucker
von Lippe zu Lippe
sprang,
mal groß, aus vollem Mund,
mal kaum hörbar
geflüstert,
so war das Wesen wieder Mensch
und kein Fenster,
so fiel ein wenig
Licht in den Wald,
und unter den Blättern ließ es sich singen, ‚Danke‘, du bist die Pille gegen den scharfen Rostfraß der Verachtung, Licht bist du gegen den Altar der Verhärtung.

Vielleicht
warst du auch einTeppich,
ausgerollt
zwischen den entferntesten Menschen.
Die Fahrgäste
verstreuten sich
in der Natur,
aber da,
im Dickicht
der Unbekannten –
‚Merci‘,
im Zug, der hektisch
die Länder wechselt,
der Grenzen auslöscht –
‚Spasiwo‘,
vor den spitzen
Vulkanen, ganz Frost und Feuer – ‚Thanks‘, ja doch, ‚Gracias, und sogleich wird die Erde zum Tisch, saubergefegt von einem Wort, Teller und Gläser glänzen, es klappern die Gabeln, die Ebenen sehen wie Tischtücher aus.

Danke, ‚Danke‘,
verreise ruhig und komm wieder,
fahre hinaus
und hinunter.
Natürlich kannst du
ein Wort nur, ‚danke‘
nicht alles ausfüllen,
aber
wo du hereinwehst,
kleines Blütenblatt,
werden die Dolche des Stolzes weggestreckt, und zum Vorschein kommt für ein Centavo Lächeln.

Übersetzung: Monika Lòpez

 

Wer vor einigen Jahren – oder sind es schon Jahrzehnte – von „Weltlyrik“ sprach, dachte sofort an Pablo Neruda. Mit seinem von Mikis Theodorakis vertonten „Canto General“, seinen vielen großen Oden, seinen Hymnen auf das Meer und vor allem seinen Liebesgedichten galt er als eine der ganz großen poetischen Stimmen in der Zeit der weltweiten Studentenbewegungen in den sechziger bis achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Inzwischen ist es um das Werk des 1973 verstorbenen chilenischen Dichters ruhiger geworden. Seine politischen Gedichte, von denen nicht wenige auch nicht frei waren von einem heute schwer erträglichen Pathos (einige Lenin-Oden eingeschlossen…) sind heute weitgehend vergessen – jedenfalls im europäischen Kontext. Heute werden von seinem sehr umfangreichen Werk fast ausschließlich nur noch die Liebesgedichte gelesen. Und immer wieder geistern durch die europäischen Medien auch Nachrichten von einem bizarren Streit um die Ursachen seines Todes. Wurde er nun vergiftet oder starb er eines natürlichen Todes? Um das zu beantworten wurden sogar seine Überreste aus dem Grab gebuddelt, allerdings ohne eindeutige Beweise weder für die eine noch für die andere These.

Auf Deutsch liegen von ihm eine Unmenge an Editionen vornehmlich seiner „Liebesgedichte“ vor. Wer sich sein Bild von dem großen Lyriker Pablo Neruda weder auf die im engeren Sinn politischen Gedichte noch auf den Liebespoeten verengen lassen will, sollte hin und wieder einmal in den drei dicken Bände „Das lyrische Werk“, herausgegeben von Karsten Garscha (Darmstadt, 1986) blättern.

Dort findet man immer wieder Gedichte Nerudas, von denen man noch nie etwas gehört und gelesen hat. Dazu gehört auch die „Ode an das Danke“. Man kann mit erhobenen pädagogischen Zeigefinger Kinder dazu ermahnen, sie sollten sich doch immer bedanken, wenn man ihnen etwas geschenkt hat. Man kann aber auch jeden erzieherischen Ton einfach mal beiseitelassen und sich selber oder an andere gerichtet die „Ode an das Danke“ vorlesen. Vielleicht sieht dann tatsächlich wenigstens für eine kurze Zeit die Welt weniger bedrohlich aus….

Carl Wilhelm Macke

Nachsatz zur Reihe „Weltlyrik“: Wenn man fast täglich im Rahmen der Koordinierung des Netzwerks „Journalisten helfen Journalisten“ (www.journalistenhelfen.org) mit Mord und Totschlag auf allen fünf Kontinenten konfrontiert wird, dann wundert man sich, warum immer wieder auch verfolgte Journalisten in aller Welt neben ihren Recherchen über korrupte und diktatorische Regime Gedichte schreiben und lesen. Gäbe es sie nicht, es würde uns etwas fehlen – etwas Großes, etwas, das uns leben und träumen, kämpfen und trauern, lieben und verzeihen lässt. Aber „Poesie ist aber auch eine große Sprachübung. Ich kann nicht auf sie verzichten. Sie verlangt tiefe sprachliche Konzentration, und das kommt der Prosa zugute“ (Der polnische „Weltreporter“ Ryszard Kapuscinski). CWM

Foto: Wikimedia Commons, Autor: Revista argentina Siete días ilustrados, Quelle.

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