Geschrieben am 1. Juni 2016 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Katarina Frostenson

1200px-Katarina_Frostenson_fra_Sverige,_nomineret_til_Nordisk_Rads_litteraturpris_2012_til_litteraturarrangement_hos_Kulturkontakt_Nord_i_Finland_(2)Nahe Subotica
(Für Danilo Kis)

Wilde Hunde. Schienen. Maisfelder rings um Subotica
Weiße Sonne

Spuren vom Zirkusbesuch im Lehm, Pfähle im Boden
Licht nach Wimpeln in der Luft

eine Arche in der Landschaft gestrandet, ein Mann
mit lammbraunen Haaren schaut daraus hervor

aus deinem dreistöckigen Körper schaust du über die Felder
sprichst zu dem, was du siehst: Wem gehören die Felder

Felder, kommt zurück, wie ihr wart
vor der Schlacht, ihr gehörtet nur den Amseln

die Stimme verschwindet rau im Nebel
eine blauschwarze Zunge, unser Schiff.

Aus dem Schwedischen von Verena Reichel

Im deutschsprachigen Raum ist die 1953 in Stockholm geborene Katarina Frostenson bislang vielleicht nur in der kleinen Gruppe der Kenner und Freunde skandinavischer Gegenwartslyrik bekannt. Eine ebenfalls von Verena Reichel ins Deutsche übersetzte Veröffentlichung von Katarina Frostenson existiert auch bereits, wurde aber bislang nur wenig zur Kenntnis genommen: „Die in den Landschaften verschwunden sind“ (München, 1999). Allein der Titel hätte neugierig machen müssen, aber wer nahm das Buch zur Kenntnis – den Schreiber dieser Zeilen eingeschlossen.

Ihren ersten Gedichtband veröffentlichte die Autorin 1978. Auch mehrere Theaterstücke hat sie geschrieben und literarische Texte aus dem Französischen übersetzt. Mehr erfährt der der schwedischen Sprache unkundige Leser nicht von der Autorin dieser so irritierend nachhallenden Gedichte. Das den Gedichtband abschließende Nachwort gibt zwar Zeugnis ab von der selbstverliebten Formulierungskunst der Autorin Monika Rinck, aber über die Lyrikerin Katarina Frostenson erfährt man nur wenig.

Also muss man sich schon selber auf Entdeckungsreisen durch die Lyrik von Katarina Frostenson begeben. „Nahe Subotica“ ist ein dem leider früh verstorbenen serbischen Dichter Danilo Kis gewidmetes Gedicht. Hier fügt sie gut die Beschreibung einer wilden, von „weißer Sonne“ beschienenen Landschaft zusammen mit einem „Anderen“, der Kis sein könnte. Kursiv geschriebene Zeilen können auf ein Zitat aus einem Buch von Kis hindeuten. Auch an die historische „Schlacht auf dem Amselfeld“ (auf die sich der aggressive serbische Nationalismus der neunziger Jahre immer berufen hat), wird erinnert. Aber was ist dann „dein dreistöckiger Körper“ und eine „blauschwarze Zunge; unser Schiff“?

Wenn heute ein Gedicht Rosa Luxemburg gewidmet wird, vermutet man (befürchtet man) zunächst immer ein vordergründig politisches Bekenntnisgedicht. Aber bei Katarina Frostenson wird es ein fast schon betörend persönliches Porträt einer Frau, die eben nicht nur eine revolutionäre Kämpferin und marxistische Denkerin war, sondern auch eine sensible Liebhaberin der kleinen Dinge am Rande der großen Welt, der Vogelstimmen und ziehenden Wolken.

„…Der Himmel spannt sich, Tiere spielen/ Wolken ziehen/ alles geht vorbei/ und der ganze herrliche Krieg zog an mir vorbei“. Die Frostenson hat diese Zeile kursiv geschrieben, was wieder auf ein bei Rosa Luxemburg gefundenes Zitat hindeutet. Und das soll die zarte kleine Kämpferin Luxemburg geschrieben haben?! Nicht nur an dieser Stelle wird der Leser der Gedichte von Katarina Frostenson in seiner Weltwahrnehmung und in seinem Sprachverständnis durcheinandergewirbelt. „Keine Gefahr nirgends/ ein Fluss/ ist unterwegs“.

Carl Wilhelm Macke

Das Gedicht ist erschienen in: Katarina Frostenson: Sprache und Regen. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Hanser Verlag, München, 2016. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Foto Frostenson: Wikimedia Commons, Autor: Seppo Samuli; Quelle.

Nachsatz zur Reihe “Weltlyrik”: Die fast tägliche Konfrontation mit Nachrichten von verfolgten, inhaftierten oder hingerichteten Journalisten lässt gleichzeitig auch den Wunsch nach anderen Bildern und einer anderen Sprache wachsen. Immer wieder erfährt man auch von Journalisten, die nicht nur über das Dunkle und Böse in der Welt recherchieren, sondern auch Gedichte schreiben. Wie heißt es in einem Gedicht von Georgos Seferis „Nur ein Weniges noch/ und wir werden die Mandeln blühen sehen…“ (www.journalistenhelfen.org).

Tags : ,