Geschrieben am 23. Januar 2013 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Charles Simic

Simic_20772_MR.indd21. Dezember

Diese Kriege, die nur enden,
um neu zu beginnen,
wie der Friseur beim Haarschneiden,
oder wie diese Winter
mit den trüben Tagen,
die bis zu Kain zurückreichen.

Alles, was ich je getan habe,
war – so scheint es –, mit einem Stock
in Ruinen herumzustochern,
bis mich Ruß
und Asche bedeckten,
die ich nicht abwaschen konnte,
selbst wenn ich gewollt hätte.

Aus dem Amerikanischen von Wiebke Meier

Der 1938 in Belgrad geborene und bereits 1945 in die USA ausgewanderte Charles Simic ist sicherlich in der ersten Reihe der heute einflussreichsten Lyriker anzusiedeln. Aber reiht man ihn ein in die Reihe der zeitgenössischen amerikanischen Lyrik oder gehört er immer noch in die große Tradition moderner Lyriker aus den Regionen des ehemaligen Jugoslawien? Da er seit vielen Jahrzehnten in den USA lebt und auch in englischer Sprache schreibt (u.a. ständig für die „New York Review of Books“), ist er zweifellos ein amerikanischer Schriftsteller (geworden).

Simic lehrte an verschiedenen Universitäten amerikanische Literatur und betätigt sich darüber hinaus als Übersetzer und Herausgeber. Seine osteuropäische Herkunft spürt man auch immer noch, etwa in der Lakonie seines Schreibens, die sich vermischt mit surrealistischen Elementen. Simic selbst hat seine Dichtung einmal als das „törichte Vergnügen eines politisch Inkorrekten“ bezeichnet. Die Gedichte atmen eine große poetische Freiheit aus, die sämtliche Begrenzungen und eindeutige Zuordnungen überspringen. Geschichten werden erzählt, die irgendwann im Verlauf des lyrischen Prozesses durch surreale oder phantastische Bilder überblendet werden.

Man kann aus Simic-Gedichten nicht einzelne „schöne Verse“ wie etwa bei Rilke herausnehmen, man muss die Gedichte schon in ihrer ganzen Ausbreitung lesen und zu verstehen suchen. Hilfreich kann dabei auch sein, was Simic einmal auf seinem Blog bei der „New York Review of Books“ unter dem Titel „Why I still write poetry“ geschrieben hat: “Most of the Interviewers typically ask me in interviews when and why I decided to become a poet….They want to hear something heroic and poetic, and I tell them that I was just another highschool kid who wrote poems in order to impress girls…“

Carl Wilhelm Macke

Gedicht in: Charles Simic: Mein lautloses Gefolge. Gedichte. Aus dem Amerikanischen von Wiebke Meier. Hanser Verlag 2006. 14,90 Euro. 128 Seiten.

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