Geschrieben am 12. Juli 2012 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Kommentar: Nach der Layout-Reform der „Süddeutschen Zeitung“

Erwischt & doch entkommen

– Jetzt hat er auch sie erwischt: nämlich der so genannte Relaunch, der nun leider auch die SZ erreicht hat! Von Wolfram Schütte.

Im Konzert der großen überregionalen deutschsprachigen Qualitäts- & Printzeitungen war die „Süddeutsche Zeitung” immer etwas Besonderes – besonders zuletzt auch deshalb, weil sie den Relaunch bislang vermieden hatte, dem sich im Laufe der letzten Jahre die „Zeit“, die FAZ , die NZZ – & am radikalsten leider auch die einstens satisfaktionsfähige FR unterzogen haben.

Seit Montag dieser Woche ist das Erscheinungsbild der bayerischen Tageszeitung verändert – nicht gerade besonders auffällig, aber doch bemerkbar für den Kenner & Liebhaber.

Die SZ war aber vorsichtig, was ihr ein Relaunchfreak bei der TAZ sogleich höhnisch vorwirft, weil er zu wenig Auffälliges an ihr nun bemerkt hat. Dabei ehrt es die SZ eher, dass sie ihr Layout nicht mehr als unbedingt nötig verändert hat; dass sie – wie ihr Chefredakteur nun offenbart – erst „unter den Redakteuren und dann unter den Lesern erforscht“ hatte, „was bleiben soll, was verändert werden kann und was gemacht werden muss“; und dass der Chefredakteur Kurt Kister zwischen den Zeilen seiner kleinen journalistigen Begleitmusik zum neuen Layout der SZ den Lesern sein Unbehagen vermittelt über die grassierende Große Relauncherei. Möglicherweise hat es die Redaktion einige Mühen gekostet, eben dies abzuwehren.

Die angeblich zeitopportunen Layout-Veränderungen bedeuteten aber für die SZ, so Kister, glücklicherweise nur eine „neue Garderobe, die zu ihr und vor allem zu ihren Lesern und Freunden passt“. So etwas hört man gerne, vor allem, wenn es auch noch stimmt wie in diesem Fall.

Kein Botox und kein Silikon

Kister, der einem Printprodukt vorsteht, das zwar mehr als ein halbes Jahrhundert alt, aber dadurch nicht im geringsten altersschwach ist, betont weiter mit schneidender Ironie, die SZ werde nicht „gebotoxt, nicht verschnitten, und Silikon kriegt sie auch nicht“.

Der bärbeißige Chefredakteur, der als klassischer Bayer kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es grundsätzlich um die bundesweit angesehene Zeitung geht, hält auch jetzt mit seiner (sehr berechtigten) Aversion gegen „österreichische oder spanische Designschamanen“ oder den in der Zeitungsbranche derzeit besonders häufig auftretenden „Unternehmensberatern, Design-Consultants und Digital-Nerds, die fordern, dass man alles kürzer, bunter und netzaffiger machen solle“, nicht hinterm Berg.

Das Relaunchen, schreibt endlich einmal ein davon Betroffener, „erfreut oft die Leser mäßig und hebt die Abozahlen wenig“. Kister ist hier sehr vorsichtig bzw. zu höflich.

Denn von einem Jubilate bei Lesern nach einem Zeitungsrelaunch hat man bisher noch nicht gehört; und noch weniger davon, dass daraufhin die Abonnements- und Verkaufszahlen der Printmedien in die Höhe gegangen oder gar geschossen wären.

Eher ist das Gegenteil an der Tagesordnung, wenn man z.B. an den unaufhaltsam fortschreitenden Trauerfall der FR denkt, die sich zumindest als konkurrenzfähige Überregionale durch ihr Tabloidformat, das als herausragendes““Alleinstellungsmerkmal“ ihres letzten Relaunchs einst gefeiert wurde, immer näher an den Untergang gelauncht hat.

Mehr als eine „Content“-Sammlung

Denn der Printzeitungsleser, der in dem von ihm gewählten Produkt mehr sieht als bloß eine „Content“-Sammlung, ist konservativ & schätzt den spezifischen Charakter seiner Zeitung, mit der ihn oft eine längere Lebens-, wo nicht gar eine (unausgesprochene) Liebesbeziehung verbindet. Das erkennt auch Kurt Kister, daher rührt seine erkennbare Reserve gegenüber den Relaunchwünschen der SZ-Verlagseigentümer, denen er aber sogleich ins Stammbuch schreibt, die Qualität der Zeitung lieber „durch als unzeitig empfundene Investitionen“ zu bewahren & zu steigern als durch modische Relaunch-Mätzchen aufs Spiel zu setzen.

Auch scheint die Relauncherei bei den Printmedien generell auf den Zugewinn einer jüngeren Lesergeneration gerichtet – & weil man sie bei denen sucht, die (wie die SZ jetzt berichtete) lieber die um Politik kastrierten Nachrichten in RTL2 als die ARD-Tagesschau sich ansehen, wäre eine „netzaffine“ Layout-Reform das Falscheste, wohin man ein Printprodukt heute treiben sollte.

Kurz (& gut). Zwar hat man den im Laufe der Zeit wild gewachsenen Wuschelkopf der Zeitung durchgekämmt & ihm einen ordentlichen Haarschnitt verpasst, aber weder einen Scheitel noch eine aufgetakelte oder gegeelte Frisur. Noch ist die SZ geblieben, was sie auch ohne das neue Layout & dessen systematisches Ordnungssystem war: eine der besten deutschsprachigen Tageszeitungen, deren Kapital auf der journalistischen Kompetenz und der sprachlichen & literarischen Qualität ihrer Redakteure & Mitarbeiter beruht.

Ein neues Layout hat sie zwar jetzt auch erwischt, aber dem (großen) „Relaunch“ ist sie glücklicherweise doch noch einmal entkommen: die „Süddeutsche Zeitung“.

Wolfram Schütte

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