Geschrieben am 2. Juni 2011 von für Litmag

Knappe Rekonstruktion von 4 Tagen Prosanova (nachgereicht)

Anständige Bilder und Berichte von der Prosanova, dem Hildesheimer „Festival für junge Literatur“ finden Sie hier und hier. J.S. Gosze studiert in Hildesheim Kulturjournalismus und macht gerade ein Schreibpraktikum bei CULTurMAG. Zusammen mit 79 weiteren Studenten hat er bei der Umsetzung geholfen. Gerade noch nicht mal wieder halbwegs nüchtern, versucht er, die vier Festivaltage anhand des Aufräumprozesses für uns zu rekonstruieren.

Unendliche Arbeit.

Ich weiß von den Stunden vor der Eröffnung. Es gab seit einigen nichts mehr zu tun. Unter einem Baum beobachtete ich, wie A. auf einem Ergometer unter einem gelben Schirm strampelte und winkte. „Es funktioniert wirklich“, sagt er.  Davor hatten wir den Auftrag bekommen etwas Laub zu rechen. Wir schlugen ein kontrolliertes Abfackeln vor. Man reichte uns Rechen und gab uns jemanden zum Aufpassen mit. Abends gab es die Eröffnungsveranstaltung, danach geht alles in einen homogenen Brei über. Lesungen, Thekendienst, Wartezeit, Bühne, A., etc. Meinem Gehirn konnte ich bloß paraphrasierte Fixpunkte vom 26. Bis 29. Mai entlocken, Notizen habe ich keine gemacht. Also versuche ich anhand des Aufräumens an den darauffolgenden Tagen das Festival (Eskalation) für den Leser zu rekonstruieren.

Auf einer Matratze wache ich auf. Sie ist schwarz und auf ihr zeichnen sich meine Speichelpfützen ab. Ein junge Frau liegt auf der Couch neben der Matratze. Wo ist A.? Gestern Abend hatte ich ihn gesucht, weil ich ihn für zu betrunken hielt. Aus dem Zimmer raus trete ich in den Flur und will nach draußen, links, in einer Nische des Ganges liegt er, oben ohne, mit Filz als Haaren, einer Flasche Wasser. Er stiert auf den Boden, dann sagt er: Hey. Wir streifen über das wüste Gelände. In der Partyhalle finden wir gekühlten Schnaps und trinken ihn mit denen die schon am Scherben aufkehren und Bühneabbauen sind. 5 Stück trinke ich. Das ist gut, sagt A., der Angst vor den Kopfschmerzen bekommt, so bleibt man einfach betrunken.

D. sagt, V. braucht Hilfe beim Raustragen von Wiese. Wiese. 20m² davon haben wir ausgestochen, unterwühlt (Gottfried Benn) und in einen Raum getragen. Svenja Leibert sollte dort lesen, passe irgendwie zum Text. Jetzt würde ich sie hassen, aber ich helfe nicht, ich kann gerade nicht. Auch beim Sand (5m³) ausschaufeln aus dem Raum in dem Leif Randt las, helfen A. und ich nicht, weil wir langsam wieder richtig wenig denken können. Alles muss irgendwo hin, am besten zurück. Energieerhaltungssatz des Suffs. Aber bleiben darf nichts, dass stehe so im Mietvertrag mit der Stadt. „Das wird doch eh alles gesprengt“, pöbelt A. Viele fühlen mit ihm. Diejenigen, die dies verinnerlicht haben, tauchen erst gar nicht auf. Es war soviel Arbeit das Zeug herbeizukarren, zu installieren, verlegen und zu schreinern, man sollte es mit dem ganzen Gelände zusammen untergehen lassen. Wir schnappen uns einen Besen und kehren symbolisch etwas Staub mit Kronkorken auf. Dann gehen wir hier wieder, schleichen über das Gelände. Ein Trupp Weiber kommt uns die Hände über den Kopfe schlagend entgegen. A. sagt: „Mit einem Besen in der Hand sieht man aus wie eine beschäftigte Arbeitskraft.“ „Deshalb suchen wir ja welche.“ Dann erwischt uns unser Boss beim Sitzen. Es gibt eine Wand aus Matratzen, die von Balken gestützt wird, welche gebaut wurden, um einen Lesungsraum akustisch zu schützen, die eingerissen werden soll.

Betrunken wie wir sind, fällt uns nichts besser ein als „geil.“ Als Belohnung durften wir, vom Boss aus, Sicherheitsbedingungswarnschilderzeichen mit einem MAN-Ball von der Wand schießen. Alle Besen waren mittlerweile vergriffen und es dauert nicht lange, bis wir eine neue Aufgabe hatten: Die Reithalle, welche für zwei der drei Hauptveranstltungen (Mara Genschel und Robert Wehnrich) genutzt wurde, die größte Halle auf dem Gelände, vielleicht 1,5 Handballfelder, musste unterwühlt (wieder Gottfried Benn) werden. Der Teppich musste wieder raus; auch dieser war aus akustischen Gründen verlegt worden. Dabei erzählt uns der Boss von den finanziellen Gewinnen und den Raubzugverlusten, auch von dreisten Alkoholdieben, die Kistenweise Schnaps in einem Zelt verstecken wollten; diese stellten sich als wir heraus.

Robert Wehnrich betritt die Reithalle. Er sagt: Die Hochsitze (denn für seine Lesung hat er sich zwei Hochsitze vom Förster geliehen, um von diesen hinab zulesen) müssen zurück. „Gute Lesung“ hat A. ihm nie gesagt, obwohl sie ihm doch so gefallen hatte. A. bleibt hier, zwei Personen reichen aus. In den Transporter, dass Gelände nach vier Tagen zum ersten Mal verlassen, ich fahre hinten mit den Hochsitzen. Nicht viel scheint sich draußen verändert zu haben. Ich trage ein weißes Shirt und eine Frauensonnenbrille. Bevor wir einsteigen, um vom Förster wieder zum Gelände zu fahren, meine ich: „könnt ihr mich am Hindenburgplatz raus lassen? Ich müsste kurz nen Schlüssel holen, ich komm dann mim Bus wieder.“ Diesen Bus habe ich nie gesehen. Ich mache mir Pizza und schaue Fern, bis ich nicht mehr besoffen bin.

J.S.  Gosze

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