Geschrieben am 5. Februar 2014 von für Film/Fernsehen, Litmag

Klassiker Check: Philip Seymour Hoffman in „Capote“

capoteIn Cold Blood

– Philip Seymour Hoffman ist am 2. Februar tot in seiner New Yorker Wohnung gefunden worden. Für CULTurMAG hat sich Christopher Werth einen seiner wichtigsten Filme noch einmal angesehen: Capote. Für die Rolle wurde er 2006 mit dem Oscar für die beste Hauptrolle ausgezeichnet. Von Christopher Werth

Mit Nebenrollen fing es an. Damit wurde er zur Kultfigur. Er hat nie gedacht, Mist, eigentlich müssten mir diese Idioten die Hauptrolle geben, naja, spiel’ ich die kleine Drecksrolle mal eben schnell runter. Mit radikaler Ernsthaftigkeit hat er das Potential dieser Charaktere für sich entdeckt, sie voll ausgeschöpft, sie gestaltet, ihnen Tiefe gegeben und damit ganze Filme bereichert. Diese Nebenrollen-Kunstwerke zu Beginn seiner Karriere waren der Indikator für großes Kino. Boogie Nights, Happiness, Magnolia, Big Lebowski – er spielte in den coolsten Filmen mit und erweiterte sie um die Philip Seymour Hoffman Dimension. Umso größer die Freude, als er mit „Capote“ endlich eine vielversprechende Hauptrolle erhielt.

Freude. Aber auch Druck. Hauptrolle – das heißt, einen ganzen Film allein stemmen, raus aus dem geschützten Biotop der Nebenrollen. Und dann auch noch Truman Capote. Die exzentrische Ikone der amerikanischen Literatur und Popkultur. Ein kleiner Mann mit fein geschnittenen Gesichtszügen und unfassbar hoher, manirierter Stimme. Man muss schon viel Fantasie haben oder verrückt sein, um bei dieser Rolle an einen Schauspieler mit tiefer Stimme und Plauze zu denken. Regisseur Bennett Miller und Drehbuchautor Dan Futterman wussten zum Glück, was sie taten.

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Hoffman in Capote

Der Film zeigt Truman Capote am Wendepunkt seiner Karriere. Wie sein weltberühmtes, bis heute millionenfach verkauftes Buch, der Tatsachenroman „In Cold Blood“ entsteht. Wie Capote in der Zeitung vom Mord an einer Farmerfamilie in Kansas liest, nach Kansas fährt, recherchiert, eine Beziehung zu den Mördern aufbaut, schließlich ihre Todesstrafe so lange juristisch verzögert, bis er genug Stoff hat, um sein Buch beenden zu können. Kaltblütig – das bezieht sich in diesem Film nicht nur auf die Täter im Buch, sondern auch auf die Arbeitsweise des Autors.

Die ruhig und klar inszenierten Bilder, die minimalistische Musik und das hervorragende Darstellerensemble bilden das perfekte Passpartout für die Kunst Philip Seymour Hoffmans. Für die Entwicklung seines Charakters, die er so selbstverständlich spielt, als hätte er nie eine andere Rolle gehabt: Capote der Literatur-Popstar, der Unsichere, der Fashion Geek, der Manipulierer und Verführer. Wie er Zeitung liest. In den Sarg der Opfer schaut und in seinem Kopf die Idee zum Buch entsteht. Wie er immer wieder sein Glas hält. Telefoniert. Wie er lässig sein Outfit präsentiert. Sich lachend einen Bademantel zuknotet. Raucht. Apathisch auf dem Bett liegt. Dem Mörder Perry bei seinem Bericht über die Mordnacht zuhört. Schreibt. Und Perry schließlich fallenlässt. Triumphiert. Am Ende selbst den höchstmöglichen Preis für die Kunst bezahlt. Und sich damit zerstört. Denn nach „In Cold Blood“ war er zwar der berühmteste Autor der Welt. Aber er hat keinen weiteren Roman mehr beenden können.

Hoffmans Kunst hat sich immer weiter verfeinert. Als Capote macht er Gedanken sichtbar, spielt die Figur durch Weglassen und gibt so jeder Geste Kraft, lässt jede Bewegung erzählen. Er gibt so dem Zuschauer Raum für seine eigene Fantasie, seine Assoziationen, seinen Film im Kopf. Hoffman war kein Selbstdarsteller, keiner, der zeigen wollte, wie gut er war. Er wollte echte, kaputte, berührende Charaktere gestalten. Sich voll und ganz der jeweiligen Rolle verschreiben. Koste es, was es wolle. Diese Sehnsucht nach der absoluten Verwandlung entdeckte er schon als Kind im Theater. Gleich bei seinem ersten Theaterbesuch hat es ihn gepackt und nicht mehr losgelassen.

Anspruch haben viele. Wenige gehen den harten Weg, dem auch gerecht zu werden. Hoffmans Geheimnis? Sein kompromissloses Commitment, sich diesem Anspruch radikal auszusetzen und so lange zu arbeiten, bis er am Ziel war. Egal, wie viele Takes es benötigt, egal, ob es Minus 20° sind, wie bei den Dreharbeiten zu Capote. Egal, ob er sich am Ende vielleicht selbst damit zerstörte.

Christopher Werth

Capote, USA 2005. Regie: Bennett Miller. Drehbuch: Dan Futterman, Gerald Clarke (Buch). Musik: Mychael Danna. Kamera: Adam Kimmel. Schnitt: Christopher Tellefsen. U.a. mit: Philip Seymour Hoffman, Clifton Collins Jr., Chris Cooper, Catherine Keener.

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