Geschrieben am 29. Juni 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Kick-Ass: Kulturkritik im „Focus”

Kick-Ass: Neues aus dem alltäglichen Branchenwahnsinn. Diesmal: Kulturjournalismus á la Burda.

Burdies, Burda, Burdadada

– Manch traditionelle Instanz der Literaturvermittlung gibt langsam den Geist auf. Ein aktuelles Beispiel von Joachim Leser.

Der mit 20.000 Euro dotierte Petrarca-Preis unterscheidet sich wohltuend von anderen Literaturpreisen. Die Jury – bestehend aus Peter Handke, Alfred Kolleritsch, Michael Krüger und Peter Hamm – zeichnet weitgehend unbekannte Autoren aus. In diesem Jahr waren es der Schotte John Burnside sowie der Kärtner Slowene Florjan Lipuš. In Resonanz in den deutschen Medien auf die Preisverleihung war eher flau, eine kurze Meldung – das war’s. Mit einer Ausnahme.

Christine Eichel, leitende Kulturredakteurin beim „Focus“, widmet der Preisverleihung in der aktuellen Ausgabe (27. Juni 2011) vier Seiten. „Gipfeltreffen“ ist die unbescheidene Überschrift, die sie ihrem Artikel voranstellt und was folgt, ist eine enthusiastische Besprechung – der Preisverleihung. „Gegen die Gefahr einer globalen Monotonie erhebt der Petrarca-Preis kraftvoll Einspruch“, so eine Erkenntnis der Kulturchefin. Der Preis sei „unverwechselbar“, mache er doch sichtbar, dass doch „mitten in Europa und doch unbeachtet vom Literaturbetrieb (…) Weltliteratur entstehen“ könne. Was Frau Eichel unerwähnt lässt: Dr. Hubert Burda, der Stifter des Preises, ist auch gleichzeitig Verleger des „Focus“ und somit der Brötchengeber der Kulturchefin.

Im Kulturteil des Magazins richtet man hingebungsvoll seinen Focus auf die Aktivitäten des eigenen Hauses. Im Anschluss an die Laudatio auf die Preisverleihung folgt  – mit Foto von Maria Furtwängler, der Gattin des Verlegers – eine Buchbesprechung: Die „Kulturbilanz“ – so der Titel des 170 Seiten starken Werkes – widmet sich vollumfänglich der Beschreibung des kulturellen Engagement der Hubert Burda-Stiftung. „Die Kulturbilanz zeigt, was ein Unternehmen für die Gesellschaft bewirken kann.“ Damit nicht genug: vier Seiten weiter findet sich ein Kurzbericht über den „Tag des Schreibens“, der am 29. Juni zu feiern sei und den das „Autorennetzwerk Suite 101“ ausrichtet. Nicht unerwähnt bleibt, dass die Hubert Burda Media Anteilseigner an just diesem Netzwerk ist. Burdies, Burda, Burdadada. Es folgt im Kulturteil noch ein Bericht über Miederhöschen für Männer und die Probleme bei der Herstellung der olympischen Fackel auf Elefantengrasbasis und man hat’s überstanden.

Die Unabhängigkeit des Journalismus ist eine der Grundvoraussetzungen für glaubhafte Berichterstattung. Dass Medienunternehmen ihre eigenen Redakteure zunehmend für Public Relation-Belange in eigener Sache einsetzen, ist inzwischen bei allen Zeitungen und Zeitschriften feststellbar. Seit Jahren wird der schwindende Einfluss der Kulturkritik beklagt. Eine Berichterstattung, die mehr den Arbeitgeber erfreuen als dem Gegenstand der Betrachtung gerecht werden will, beschleunigt diesen Verfall. Dr. Hubert Burda sollte sich (und seine Verlegerkollegen) wieder daran erinnern, dass in erster Linie die Gewährleistung von unabhängigem Qualitätsjournalismus die Aufgabe eines Verlegers ist und dass eine unabhängige Kulturkritik, die in der Lage ist, ein Werk zu erfassen und zu vermitteln, mehr bewirken kann als hochdotierte Preise.

Florjan Lipuš

P.S.: Was im Bericht über die Preisverleihung unerwähnt bleibt: 2008 ist eine achtbändige Werkausgabe von Florjan Lipuš im Wieser Verlag erschienen. Befragt nach den Auswirkungen des Petrarca-Preises auf die Verkaufszahlen der Bücher des Preisträgers, gab Verleger Lojze Wieser an: „Bislang sind keine direkten Auswirkungen feststellbar.“

Joachim Leser