Zu den wunderbaren Dingen rund ums Thema Fußball gehört auch die Tatsache, dass man so viel dabei lernen kann. Skeptiker, von denen es eine nicht unerhebliche Anzahl gibt – die sich in der Regel allerdings dadurch auszeichnen, noch nie ein Fußballstadion von innen gesehen zu haben und bezüglich dessen Besuchern grundsätzlich und ausschließlich vom Hörensagen sprechen – denken dabei an Dinge wie: In welchem Winkel muss ich mein Feuerzeug werfen, um den gegnerischen Torwart zu treffen? Wann lasse ich meine Bengalofackel fallen, um mir daran nicht die Finger zu verbrennen? Wie viel Bier kann ich trinken, ohne bei der Rückfahrt in den Bus zu kotzen? Tatsächlich geht es aber um völlig andere Dinge.
Hinter der Linie, vor dem Spieltag
Eine Kolumne von Mara Braun
Haben Sie sich beispielsweise schon mal Gedanken darüber gemacht, wo genau Vanuatu liegt? Nein, das ist weder ein besonders seltener Schnaps noch der neueste Duft von Dior, sondern vielmehr ein pazifischer Inselstaat, der, Sie ahnten es vielleicht bereits, auch eine Fußballnationalmannschaft stellt. In der Qualifikationsphase für die WM 2014 in Brasilien gelang der zwar ein so beeindruckendes Ergebnis wie das 5:0 gegen Samoa – andererseits musste man sich auch Neukaledonien mit 2:5 geschlagen geben. In ihrer Gruppe wurden Vanuatus Kicker lediglich dritter (von vier Teams) und letztlich ist es ohnehin regelmäßig Neuseeland, das aus dem Beritt der Ozeanischen Fußball-Konföderation weiter darf in die entscheidenden Play Offs.
Fußball ist Politik ist Fußball
Nicht nur in Sachen Geografie ist Fußballleidenschaft nützliche Triebfeder für regelmäßige Weiterbildung, auch bezüglich diverser Staatschefs lässt sich beim Ballsport immer wieder etwas dazulernen. Die sitzen bei Auftritten ihrer Mannschaft gegen das Team von Jogi Löw nämlich gerne links und rechts von Angela Merkel, fragen sich dabei vielleicht, warum die erste deutsche Kanzlerin nicht so aussieht wie diese Claudia Schiffer, die ihnen in den 80ern ein Jahrzehnt lang als die typische deutsche Frau verkauft wurde, und nicken allein deshalb zuverlässig nicht ein während der Spiele, weil Frau Merkel nebenan Torbegeisterungstänze aufführt. Ohnehin munkelt man längst, die sprichwörtliche deutsche Stärke am europäischen Verhandlungstisch liege daran, dass die Herren Staatschef nach Fußballbesuchen mit Angie regelmäßig traumatisiert und fürs Leben gezeichnet die Stadien dieser Welt verlassen – und sich auf dem Heimweg schwören, niemals Streit mit dieser Frau vom Zaun zu brechen. Und ja, ich schweife ab, aber so ist das eben, wenn alles mit allem zusammenhängt…
Nun also Pause in der Bundesliga zugunsten von Länderspielen, teils unter freundschaftlicher Flagge, teils aber immens bedeutungsvoll – es geht um nicht weniger als die letzten Tickets für die WM 2014. Eng ist es in Puncto Turnierteilnahme neuerdings regelmäßig für Portugal, und diesmal geht es im Duell der Giganten um die Frage, ob am Ende Ibrahimović oder doch Ronaldo die dickeren Eier hat. Wobei diese Formulierung weniger obszön gemeint ist, als es auf den ersten Blick wirkt, denn es ist tatsächlich sein Gesamtgemächt, mit dem der Schwede Zlatan nach einem Foul im Fallen den Ball beim Rückspiel zum 2:1 ins Tor, äh, schiebt – und zusammengenommen mit dem unerwartet öden 0:0 im Hinspiel bedeutet das Sommerurlaub für Ronaldo, WM-Teilnahme für Schweden.
Schimpf, Schande und Italien
Außerdem kann sich die Ukraine überraschend gegen Frankreich durchsetzen, das nach einem ebenfalls spucklangweiligen 1:1 im Rückspiel mit 0:1 unterliegt. Ebenfalls dabei bei der WM im kommenden Jahr sind Griechenland und Kroatien, die Rumänien und Island außer Gefecht setzen. Doch all das ist in Sachen Brisanz weit entfernt von der Aufgabe, der sich Jogis Jungs zeitgleich stellen müssen – Italien. Ein Wort wie ein Donnerhall, die Begegnung der ewigen Schande, das Trauma von Generationen, Tränen, Schutt und Asche liegen in diesem Duell.
Bis, ja, bis Löw nach Jahrzehnten der Ignoranz endlich auf die Stimme von rund 80 Millionen deutschen Hobbynationaltrainern hörte und den jugendlichen Torwart Roman Weidenfeller in den Kasten der Nationalmannschaft berief; eine völlig unumstrittene und sinnvolle Aktion, ist es doch gerade der Nachwuchs, der an das Team herangeführt werden soll. Und was ist dieser Roman für ein Tausendsassa! Nicht nur hält er den Kasten in der regulären Spielzeit sauber – auch als Elfmeterkiller im spontan, um die Spannung aufrecht zu erhalten, ans 0:0 angepappte solche Schießen erweist er sich als Held, indem er vier von fünf Elfern hält und zudem auf der anderen Seite zwei sicher selbst verwandelt.
Damit gehört die Ergebnisschande gegen Italien endlich der Vergangenheit an, und das hätte man natürlich alles viel früher haben können, wenn Jogi nicht so resistent gegen des Volkes Stimme wäre. Geläutert nominiert der Bundestrainer daraufhin Stefan Kießling für das Spiel gegen England nach, das natürlich mit 17:0 (16 Mal Kießling) gewonnen wird. Der Titel in Brasilien ist somit reine Formsache!
Mara Braun
Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.