Hinter der Linie, vor dem Spieltag
– Eine Kolumne von Mara Braun.
Niemals ist es so gefährlich, sich morgens vom Radiowecker aus dem sanften Schlummer reißen zu lassen, wie in der Vorweihnachtszeit, wenn der Horror einen Namen hat: Wham – Last Christmas. Selbstredend berechnet sich die Antwort auf die Frage, wie man durch den Advent gekommen ist, denn auch so: Tag, an dem man dem Song erstmals zum Opfer fiel, geteilt durch 24; mein Ergebnis lautet in diesem Jahr 0,71 – ich hatte also Glück. (Schlimmer dran ist, wer den Song bereits im November hört, auch, weil das mathematisch komplizierter wird, weil die Tage im elften Monat negativ gerechnet werden. Äh, ja.)
Überhaupt gehört es zu den Krücken dieser Jahreszeit, sich zwischen Lebkuchen und Stollen mit der Frage zu beschäftigen, wo man zur gleichen Zeit im Vorjahr stand – und sich, daraus folgernd, für das damals noch ferne heute sah. Sich zu vergleichen ist bekanntlich Motor für Unzufriedenheit, weil man beim anderen meist nur sieht, was an der Oberfläche strahlt; das allein ist keine neue Weisheit. Den eigenen Status quo mit der Liste der Vorhaben für das zu Ende gehende Jahr abzugleichen, bleibt dennoch vorweihnachtlicher Trendsport; so schließt sich der Kreis zu Wham, bieten die doch quasi den Animationssong der persönlichen Haben-und-Soll-Statistik.
Man ist wohl kaum gefeit vor derlei Überlegungen, immerhin wollten Nikolaus, Christkind und Co. von uns schon im zartesten Kindesalter wissen, ob wir denn das Jahr über anständig waren und uns unsere Präsente verdient haben. Was bietet sich also zum letzten Spieltag vor der Winterpause besser an, als eben doch die selbe Kurve zu drehen wie der Rest der Welt – und die große Last Christmas-Vergleicherei anzuzetteln, in diesem Fall: Tabellenplätze heute und vor dem 17. Spieltag 2012.
(Keine) Überraschungen in den Top 3? Vorm letzten Hinrundenspiel der Vorsaison standen die Bayern auf Platz 1, so weit so erwartbar. Aber wer hätte noch gewusst, dass auch damals Leverkusen und nicht der BVB den 2. Rang belegte? Kleine Abweichungen gibt es indes bei den Punkten, die Münchner haben den Stand aus der Vorsaison um 2 verbessert (44 statt 42), Bayer sogar um 4 (37 statt 33), der BVB immerhin um 2 (32 statt 30). Daraus ergeben sich 5 von 5 möglichen Päckchen für Pep & Co. sowie je 4 von 5 für Bayer und den BVB.
Mit 30 Punkten fand sich die Frankfurter Eintracht vor einem Jahr auf dem 4. Platz wieder, heute dümpeln die Hessen mit 14 Punkten auf Rang 15. Den 4. Platz hat indes Gladbach mit 32 Punkten inne, in der Vorsaison standen 25 Punkte und Platz 8 zu Buche. Für dieses prima Ergebnis erhalten die Borussen nicht nur 5 von 5 Päckchen, sondern ein weiteres Präsent aus Hessen, da die Frankfurter für ihren Absturz mit -1 Päckchen bestraft werden.
Traurig mutet auch das Schicksal des SC Freiburg an, der vor einem Jahr mit 26 Punkten vom Europapokalplatz 5 grüßte und nun mit 11 Zählern auf Rang 16 im Abstiegskampf steckt. Die mahnenden Worte von Trainer Christian Streich alleine konnten den Absturz des Teams nicht verhindern, für diese Weitsicht erhält der Club aber 1 von 5 Päckchen. Trotz der um 3 Ränge und 5 Punkte schlechteren Platzierung im Vergleich zum Vorjahr gibt es noch 2 Päckchen für Tuchels Mainzer, deren zweistelliger Abstand zum Relegationsplatz definitiv ein Erfolg ist. 3 von 5 Päckchen erhält der FC Schalke für eine leichte Verbesserung um 2 Punkte und 1 Platz, dass diese Bilanz dem Trainer den Job rettet, gilt indes als kaum wahrscheinlich.
Der VfB Stuttgart sah kürzlich noch nach einem absoluten Verlierer dieser Hinrunde aus, hat sich inzwischen aber ein wenig berappelt und hinkt dem Ergebnis der Vorsaison nur noch um 1 Platz hinterher, allerdings bei einer Differenz von 6 Punkten. Für die kleine Aufholjagd gibt es dennoch 3 von 5 Päckchen, nur die Schleifchen fallen etwas kleiner aus. Um 8 Punkte und 3 Plätze hat sich der Dino aus Hamburg nach hinten verschoben, was in der Konsequenz 0 von 5 Präsenten bedeuten würde – für einen Trainerwechsel, der Hoffnung macht, gibt es aber ein Ausnahmepäckchen, das van Marwijk persönlich auspacken darf. Mit 5 Punkten und 1 Platz Abstieg gegenüber der Vorsaison hinkt Hannover dem eigenen Anspruch klar hinterher, 0 von 5 Päckchen. Seinen Höhepunkt erreicht das nördliche Leiden in Bremen, wo die Hanseaten vor einem Jahr sicherlich niemals damit gerechnet hätten, 12 Monate später sogar noch 2 Plätze und 6 Punkte schlechter da zu stehen – dafür setzt es -1 Päckchen.
Schlappe 10 statt 20 Punkte und in der Tabelle Platz 17 statt 14 – schlimmer als in Nürnberg derzeit geht’s wohl wirklich nimmer. Die Franken erhalten mit -2 Päckchen die schlechteste aller Wertungen. Um 10 Plätze und 10 Punkte gesprungen ist die neue Mannschaft des alten Clubtrainers Dieter Hecking, dafür gehen 5 von 5 Päckchen nach Wolfsburg – auch wenn es weh tut, denn wer will schon konzernfinanzierten Sport auch noch belohnen? Eben… In eine ähnliche Kategorie von fanromantischem Unbehagen fällt auch die Verbesserung der TSG Hoffenheim um 5 Plätze und 6 Punkte, dafür gibt es grummelnde 3 von 5 Päckchen.
Um sensationelle 9 Plätze und 14 Punkte gesprungen sind die Augsburger, dafür gibt es 5 von 5 Päckchen sowie das Präsent aus der Bremer Negativwertung. Noch besser schneidet nur die Hertha ab, Platz 7 und 25 Punkte für den Aufsteiger werden mit 5 von 5 Präsenten sowie den beiden Päckchen aus der Nürnberger Minusbewertung belohnt. Leider leer gehen dagegen die Löwen aus Braunschweig auf dem letzten Platz aus, deren Hoffnungen in der 1. Liga so bitter enttäuscht wurden, man möchte mit der Sammelbüchse durch die Republik reisen und überall einen Punkt für das Team erbitten, damit es an Weihnachten doch etwas zu feiern hat.
Aber wie gehen nun die Begegnungen an diesem 18. Spieltag aus? Ganz einfach – die Liga übernimmt für ein Wochenende die Punktregelung aus Haiti, bei der die Sieger stolze 4, die Verlierer noch 1 und beim Unentschieden beide Teams 2 Punkte erhalten. Daraufhin trennen sich die Mannschaften allesamt schiedlich, friedlich aber im Sinne der Fans spektakulär mit 4:4 und erhalten jeweils 2 Punkte und einen Schokoweihnachtsmann. Klingt unglaublich, ist aber so. Vergleiche unnötig, Bilanz gerettet, frohe Weihnachten: Wir lesen uns im Januar zur Rückrunde wieder!
Mara Braun
Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog. Mara Braun in Action.