Geschrieben am 14. Januar 2010 von für Kolumnen und Themen, Litmag

eBook – Was Apple online so alles vermasselt

Keine Schenkel weit und breit

Die großen Verlage stellen zunehmend attraktive Ebooks bei iTunes zur Verfügung. Doch die Print-Bestseller werden meist zu elektronischen Ladenhütern. Dafür ist in erster Linie Apple verantwortlich. Die Firma hat es bislang nicht geschafft, ihr Portal mit den Grundfunktionen eines Ebook-Shops auszurüsten. Ein Kommentar von Joachim Leser.

Cecilia Ahern, Stieg Larsson, Daniel Glattauer, Richard David Precht, Leonie Swann, Harald Schmidt, Bastian Sick, David Nicholls, Siegfried Lenz – keiner dieser Titel, die in gedruckter Form sechs oder siebenstellige Verkaufszahlen erreichten, ist bei iTunes in den Top100 zu finden. Einzig Andrea Maria Schenkel (Tannöd, Platz 83) und Frank Schätzing (Der Schwarm, Platz 86) tauchen auf (Stand: 9. Januar 2010). Stattdessen findet sich dort ein Sortiment, das aussieht, als sei ein 16-jähriger Gymnasiast in die Restekiste eines Klosterkiosks gerauscht: Softpornos neben Luther- und Herderbibel, Anselm Grün neben Karl Marx und Vornamenbuch neben iPhone-Tipps. Romane – und das gilt nicht nur für die aktuellen Titel der Verlage – sind bei den Nutzern kaum gefragt. Die Lektüre ist an dem kleinen Bildschirm offensichtlich zu mühsam.

Verschwindend gering

Dass die Print-Bestseller in ihrer elektronischen Form bislang nicht reüssieren, hat jedoch in hohem Maße damit zu tun, dass der Anbieter es bislang nicht geschafft hat, den Shop mit den Grundfunktionen eines elektronischen Ebook-Vertriebes zu versehen. Es gibt keine Möglichkeit, nach Genre, Kategorien, Sprachen oder gar Erscheinungsdatum zu suchen. Auf der Startseite finden sich jeweils die aktuellen Neuerscheinungen aus unterschiedlichen Ländern. Das können mehrere hundert pro Tag sein, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass ein aktueller Titel dort entdeckt wird, verschwindend gering ist.
Als weitere Rubrik werden die aktuellen Bestseller bei iTunes präsentiert. Entscheidenden Einfluss auf die Downloadzahlen hat offensichtlich nicht die Prominenz oder gar Qualität der Titel, sondern der Verkaufspreis. Der Durchschnittspreis für die Ebooks der Top 20 bei iTunes liegt unter 1,50 Euro. Die Ebook-Versionen aktueller Bestseller werden jedoch nur selten unter dem Ladenpreis der gedruckten Bücher angeboten. Es würde also Sinn machen, den Preis des Titels bei der Platzierung in der Bestsellerliste zu berücksichtigen.

Frustrierter Rückzug

Die Struktur, mit der Apple bei iTunes „Bücher“ verkauft, ist nicht mal im Ansatz von der gut 400jährigen Geschichte des Sortimentsbuchhandels gestreift worden. Wer beispielsweise mit dem Suchbegriff „Roman“ versucht, Unterhaltungslektüre zu erwerben, scheitert grandios. Ihm wird ein Programm angeboten, das lateinische Zahlen umrechnet. Wer „Krimi“ eingibt, landet bei dem Spiel „Räuber und Gendarm“. Kein Larsson, keine Schenkel weit und breit. Insofern wundert es auch nicht, dass die elektronische Variante zahlreicher Bücher – wie etwa Kochbücher, Reiseführer, Lexika – nicht mehr im Bereich „Bücher“ geführt werden, sondern längst in andere Bereiche im Appstore abgewandert sind. Auch fehlen derzeit nahezu gänzlich mediale Strukturen, die über das Angebot an Ebooks informieren. Das Berliner Unternehmen Textunes ist auch hier Vorreiter und versucht, mittels einer Leseprobenapplikation über Neuerscheinungen zu informieren. Außerdem ist das Unternehmen im Onlinemarketing recht aktiv.

Apple wird sicherlich weiterhin erfolgreich Ebooks verkaufen, zumal der Firma mit dem iSlate auch eine starke Position bei den E-Readern zugetraut wird. Wenn die Suchfunktion und die Präsentationsmöglichkeiten für Ebooks sich jedoch nicht erheblich verbessert, werden sich attraktive Content-Lieferanten bald frustiert zurückziehen.

Joachim Leser

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