Geschrieben am 31. Oktober 2012 von für Kunst, Litmag

Der (Kriegs-)Fotograf Giles Duley

„I’m still a photographer“

Carl Wilhelm Macke über das Schicksal des schwer verletzten Fotografen Giles Duley.

Soll man ein Foto veröffentlichen, das die Folgen von Gewalt besonders drastisch und in einer den Zuschauer und Leser schmerzhaft berührenden Weise trifft? Gibt es nicht eine Toleranzgrenze in der Darstellung von Gewalt und deren Folgen, die man als verantwortlicher Redakteur eines Mediums absolut zu respektieren hat, wenn einem Menschenrechte und Menschenwürde mehr bedeuten als pathetische Worte zum Sonntag? Gibt es jenseits eines Scoops im Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit mit anderen Medien nicht auch noch Werte wie Respekt vor der Würde eines schwer verletzten Menschen?

Aber es gibt nun mal auch Situationen und Ereignisse, über die man in Wort und Bild berichten muss, weil man seine Augen nicht verschließen kann und darf zum Beispiel vor der Brutalität des Krieges. Sind die Medien, die die Bilder von dem Elend leidender, hungernder und verstümmelter Menschen zeigen, für die existierende Gewalt verantwortlich oder klagen sie nicht gerade die Verrohung von Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten an? Diesem Dilemma, zwischen eigenen moralischen Werten und den nüchternen Pflichten zur Aufklärung von Hintergründen beizutragen, müssen sich Text- und Fotojournalisten immer wieder neu stellen.

Werden wir konkret: Wer den folgenden Link der englischen Tageszeitung The Guardian anklickt, sollte wissen, dass er dort ein Porträt des extrem schwer verletzten Fotografen Giles Duley sehen wird. Man kann darüber streiten, ob man seine körperlichen Schädigungen so exponiert öffentlichen Blicken aussetzen sollte, wie es Duley hier für richtig ansieht. Aber sind in den Kriegen und Terrorattentaten der letzten Jahrzehnte nicht hunderte, tausende von Menschen genauso schwer verletzt worden wie der Fotograf Giles Duley? Steht er hier nicht nur als Pars pro Toto? Es genügt, nur einen Blick auf seine eigene Homepage zu werfen, auf der Fotos abgebildet sind, die Duley aufgenommen hatte, bevor er beide Beine und einen Arm verlor.

Von der Mode zum Krieg

Giles Duley hat früher einmal als freier Fotograf für Luxusmagazine wie GQ und Esquire gearbeitet. Die Mode und die Musik liebte er sehr, doch irgend­wann war ihm das alles zu flach und lang­weilig. Dann begann er sich für Kriegs- und Krisen­gebiete in Afrika, Asien und der Ukraine zu interessieren. „Ich wollte Menschen auf­nehmen, die etwas zu sagen haben, deren Ge­schichten an­sonsten un­be­kannt bleiben in unserer voll­kommen kommerz­iali­sierten Medien­welt.“

Mit dem Bild einer jungen Mutter aus dem Sudan gewann Duley 2010 den „Prix de la Photo­graphie“ in Paris. Anfang 2011 flog er nach Af­ghanistan, um auch dort das Leben von Men­schen mit seinem Foto­apparat ein­zu­fangen, die in den Schlag­zeilen der Welt­presse nicht er­scheinen. Be­sonders auf die Opfer von Bomben­an­griffen und Selbst­mord­attentaten wollte er auf­merk­sam machen. Dazu begleitete er eine kleine Ein­heit der U.S. Army bei einem Front­einsatz im Süden Af­ghanistans. Er wusste, dass es sich dabei um eine sehr ris­kante Pa­trouille han­delte, weit ent­fernt von den Sicher­heiten eines Foto­shootings für ein Mode­magazin. Giles Duley ist aber nicht als Drauf­gänger be­kannt und so be­gleitete er step-by-step die ameri­ka­nischen Sol­daten. Am 7. Februar 2011 ist er auf eine Land­mine getreten …

Die Operationen und Amputationen hat Giles inzwischen lebend überstanden, aber von seinem Körper ist nur ein Torso geblieben. Trotzdem ist es sein größter Wunsch, wieder als Fotograf zu arbeiten. „I’m still a photographer.“ Aber wie soll das möglich sein, wenn einem ein Arm und beide Beine fehlen? Sein Lebensmut und sein Wille müssen unglaublich stark sein. Freunde und Kollegen von Giles Duley haben jetzt einen Solidaritätsaufruf für ihn verfasst, an dessen Schluss es heißt: „When he returns to work, and we have no doubt he will, Giles will initially need assistance and new equipment to replace that lost in Afghanistan … Giles self-funded all his humanitarian work, because he felt it was important. We have long admired his work, then his tenacity and courage. Now it’s our chance to support him. “

Carl Wilhelm Macke

Wer für Giles Duley spenden möchte, wende sich bitte an Journalisten helfen Journalisten: www.journalistenhelfen.org oder an den Giles Duley Fund. Foto oben: GD mit Simon Vinall, Quelle.

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