Geschrieben am 14. September 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Aus Literaturzeitschriften

Interessante Literaturzeitschriften gibt es viele und in ihnen verstecken sich so manche Perlen. „Am Erker“-Redakteur Andreas Heckmann sorgt dafür, dass wir den Überblick behalten; er berichtet regelmäßig über interessante Hefte. Diesmal: Signum und Edit.

Signum

Die Signum-Exkurse widmen sich diesmal zwei gegensätzlichen Regionen: Wolfgang Gabler und Sven Lübbe von der Rostocker Literaturzeitschrift Risse berichten unter dem Titel „Verblassende Wasserzeichen“ über die Literaturszene Mecklenburg-Vorpommerns und beklagen, im Land selbst könne kein einziger Schriftsteller mehr von seiner Arbeit leben, während zumal junge Autorinnen wie Judith Zander und Kerstin Preiwuß abgewandert seien. Auch bei Hinstorff in Rostock – zu DDR-Zeiten ein wichtiger Verlag – sehe es, von Kinderbüchern und Fühmann-Neuauflagen abgesehen, düster aus. Immerhin gebe es Einrichtungen wie das Literaturhaus in Rostock, das Literaturzentrum Vorpommern und das Wolfgang-Koeppen-Archiv in Greifswald, das Brigitte-Reimann-Haus in Neubrandenburg, das Fallada-Museum in Carwitz und das Uwe-Johnson-Literaturhaus bei Grevesmühlen – Orte, an denen das literarische Leben mal gut, mal weniger gut andocken könne.

Ganz anders klingt, was Franziska Sperr über einen Autorenkreis am Starnberger See berichtet. Sperr hat mit ihrem Mann Johano Strasser bis 1987 in Westberlin gelebt, an der Literaturzeitschrift L’80 mitgearbeitet und Altbauwohnungslesungen und -diskussionen im Osten und Westen der Stadt erlebt. „Wir zogen nach Bayern und dachten, dass so etwas da nicht gehen würde“, beginnt sie ihren Text, doch zum Glück kam es anders. Und so trifft man sich seit 1989 am Küchentisch, um unter Strassers Leitung bei Butterbrot und Wein aus unveröffentlichten Texten zu lesen und darüber zu debattieren wie weiland mit Günter Grass und anderen Größen in Berlin. Oberbayern, du hast es besser, vielleicht allzu gut. „Und so machen wir weiter, immer weiter, und wenn wir nicht gestorben sind, dann schreiben wir noch heute“ – Anatol Regnier zum Beispiel, Enkel von Frank Wedekind. Oder Gert Heidenreich. Oder Dagmar Leupold, die mit dem schönen Text „Bunny“ vertreten ist.

Signum 12/1. Blätter für Literatur und Kritik. 8,20 Euro. Mehr zur Zeitschrift finden Sie hier.

Edit

Auch Edit ist geschrumpft, gar von A4 auf A5, dabei aber von 64 auf 156 Seiten angeschwollen. Schon seit Herbst 2009 war es aus mit dem Hochglanzappeal, aber das Hochformat verhieß noch Kontinuität. Mit Nr. 54/55 nähert Edit sich nun dem Taschenbuch, und das beglückt so wenig wie die literarischen und essayistischen Bröckchen, die da zum Thema „Prosa“ versammelt sind. Dann aber tritt Norbert Hummelt mit „Wässerchen aus Indien“ aus der Deckung: „Genauso lange, wie ich Gedichte schreibe, seit einem Vierteljahrhundert, ist es mir gelungen, keinen Roman zu schreiben. Wenn einem sonst dazu niemand gratuliert, muß man es selber tun.“ Und er fährt fort: „Wenn ich einen Roman schreiben könnte, wenn ich dazu ernstlich in der Lage wäre, gäbe es keinen stichhaltigen Grund, es nicht zu tun. Es ist weder Kleinmut noch falscher Stolz, nicht Faulheit oder mangelnde Schreibintelligenz, es ist eine Frage der inneren Disposition. Ich bin zu unruhig dazu, schon immer, aber jetzt auf jeden Fall.“

„Ich muss das Schreiben jederzeit verlassen können, es macht mir sonst Angst“, heißt es dann, und er bemerkt zu Eichendorff: „Wie es dieser Lyriker des Unterwegsseins schaffen konnte, überhaupt Romane und Erzählungen zu schreiben, fast die einzigen übrigens, die ich immer wieder von neuem lesen kann, als seien es Gedichte, ist mir unerfindlich.“ Schließlich nennt Hummelt einen weiteren Schriftsteller, Hermann Lenz, dessen Romane er schätzt und die ihm „ein Asyl“ bieten, „das ich ungeachtet meiner sonstigen Aversion gegen geschlossene Räume gar nicht mehr verlassen möchte“: „Ich spüre aber seinen Sätzen, die so elegant und wie dahingedacht fließen, daß sie nur scheinbar altmodisch, in Wahrheit aber völlig zeitlos sind, eine deutlich von mir abweichende Grundstruktur ab. Er floh nicht aus seinem Elternhaus, sondern lebte darin, bis er sechzig war, und er wäre am liebsten niemals ausgezogen. Seine Empfindlichkeit brachte ihn nicht aus der Ruhe, er konnte das Leben, das ihm zusetzte, ertragen, indem er sich zurückzog in seine Dachstube, dort die Stahlfeder ins Tintenfaß tauchte und schrieb, hinterher tippte er alles sauber ab. Er ging gern spazieren, aber ich stelle ihn mir nicht getrieben vor, er konnte die Natur ansehen wie kaum ein anderer, aber er war am liebsten drinnen. Er konnte auf diese Weise bändigen, was von außen anstürmte, und es tut mir gut, das zu lesen, aber diese atmende Ruhe finde ich selbst im Schreiben nicht, weil dieses Schreiben von fieberhafter Intensität sein muß, um zu gelingen. Was ich schreiben muß, sind Gedichte, die aus der Unruhe kommen und ihr abgerungen sind, um sie kurz zu überwinden, sie stillzustellen in Bild und Klang. Der Roman, er dauert mir zu lange.“

Edit 54/55. 5,00 Euro. Mehr zu diesem Heft (und eine Bestellmöglichkeit) finden Sie hier.

Andreas Heckmann

Diese Zeitschriftenschau ist zuerst in unserem Partnermedium „Am Erker“ erschienen.

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