Geschrieben am 6. Juli 2011 von für LitMag-WM-Special

Bleu Broode: Die Sprache des Rasens

Stell dir vor, du bist elf Mann.

Wir befinden uns in der Kabine. Der Geschmack von Deodorant liegt bitter auf der Zunge. Es riecht nach Schweiß, Rasen, feuchter Erde. Füße scharren, Aluminium auf PVC. Nase hochziehen, räuspern, ausspucken. Schritte auf dem Gang. Die letzten Worte des Trainers.

»Ok Freunde,

wir spielen 4-3-3, wobei die Außenstürmer tief steh’n.
Doppelsechs im Zentrum mit der Zehn als Kreativ-Gen.
Im Offensivverhalten rückt die Kette weit mit vor,
und die Außen in der Abwehr auch mal ruhig
mit Zug zum Tor.

Aber:
Lasst den Gegner kommen, zu Beginn erst mal mauern,
sicher stehen, Ballgewinn, auf unsre Chancen lauern,
und immer eng am Mann, ey, der Gegner darf kaum weg,
aber bitte keine Fouls, vor allem nicht am Strafraumeck.
Und apropos Ecken, Jonas auf sechs,
kurzer Pfosten, langer Pfosten, Manndeckung der Rest,
aber nicht schon am Sechzehner, holt sie euch am Elfer ab,
und Finger vom Trikot, denn sonst wird das
’n gelber Sack.

Ich sag das nicht umsonst, da seid ihr manchmal zu arglos,
der Kosten-Nutzen von so’m Zupfen ist doch häufig
recht maßlos,

denn nicht nur gelbe Karte,
es gibt auch noch Strafstoß.
Und bei Ballgewinn musst du, John, in der Spitze stehen,
und nicht so »Hauptsache, die Haare liegen, Finger
in der Ritze drehen«,

das darfst du nicht als Witz verstehen,
Jung’, bei ’nem langen Ball will ich dich aber flitzen sehen!
Und Ali, in der Mitte, denk’ dran, was wir
besprochen haben,
wie wir diesen Spielzug schon seit Wochen
in den Knochen haben,
du täuschst links an und dann nach rechts rausgehen,
das lässt den Gegenspieler erst mal schlecht aussehen,
steiler Pass auf John, den Ball in den Lauf drehen,
der kann dann das Spielgerät aus vollem Lauf aufnehmen.
Und Jungs, wenn ihr die Chance habt, nicht
achtmal auflegen,

drauf gehen, abziehen, einfach mal Kelle.
Nils, du hast ’ne linke Klebe, also zack! volle Elle!
Und wenn er oben nicht passt,
dann geschoben und flach!
Ey, der Rasen ist schnell, und der Boden ist nass.
Und wenn der Ball dann halt ’nen Votzenhaar vorbeigeht,
nichts mit hätte, könnte, leider:
Gras fressen, Mund abputzen – und dann weider!
Das Spiel ist erst zu Ende, wenn der Schiri pfeift.
Und jetzt gebt mir eure Hände, denn ich will,
dass ihr begreift:

MUT GEWINNT KEIN SPIEL!«

»ABER MUT EHRT DICH!«

»Und jetzt geht da raus, Freunde,
und macht sie fertig.«

Es riecht nach Schweiß, Rasen, feuchter Erde.
Nase hochziehen, räuspern, ausspucken.
Aluminium auf PVC.
Anpfiff.

Bleu Broode

Bleu Broode: Die Sprache des Rasens. Aus: Albert Ostermaier, Norbert Kron, Klaus Cäsar Zehrer: Fußball ist unser Lieben – neue Geschichten der deutschen Autorennationalmannschaft. Berlin: Suhrkamp Verlag 2011. 301 Seiten. 8,95 Euro. Zur Homepage von Bleu Broode geht es hier.