Geschrieben am 31. Dezember 2020 von für Highlights, Highlights 2020

CulturMag Highlights 2020, Teil 7 (Hartl – Harvey – Hidden – Hechelhammer – Hyland)

Sonja Hartl –
John Harvey (e) –
Bodo V. Hechelhammer –
Henny Hidden –
Adrian Hyland (e) –

Sonja Hartl

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, mir in diesem Jahr jeden Monat Notizen zu machen. Ich glaube nämlich, Frank Göhre macht das so, deshalb hat er immer so schöne Jahresrückblicke. Durchgehalten habe ich es aber – raten Sie! – bis März. 

Eigentlich hat mich die Corona-Pandemie gar nicht so unvorbereitet getroffen. Ich saß noch im Februar mit meiner Kollegin B bei der Berlinale. Sie hat ziemlich klar vorausgesehen, was passieren wird, angemahnt, ich solle mich vorbereiten und wenigstens schon einmal Desinfektionszeug kaufen. Und B ist diejenige, zu der ich fliehen würde, falls es zu einer Zombie-Apokalypse kommt (das war bis März das für mich zweitwahrscheinlichste Katastrophenszenario). Also habe ich gemacht, was B mir geraten hat – und am letzten Tag der Berlinale gab es den ersten Corona-Fall in Berlin. 

Aber insgeheim, muss ich gestehen, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, was passieren würde. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich als Kind der westdeutschen 1980er Jahre mit dem Gedanken aufgewachsen bin, dass mir schon nichts passieren wird – obwohl mir durchaus klar ist, dass das Blödsinn ist. Tatsächlich aber hat mir das Jahr vor Augen geführt, wie viel Glück ich habe. Und das wird nun nicht so eine Dankbarkeitsnummer, mir ging es dieses Jahr durchaus schlecht, ich habe viele Menschen und so manche Treffen vermisst, zu viel Zeit mit Dating-Koch-Back-Shows auf Netflix verbracht und dazu zu viel Rotwein getrunken und Chips gegessen, damit ich nicht an vollends an der Welt verzweifle. Aber ich tue es in einer Wohnung, die groß genug ist, dass zwei Menschen darin dauerhaft arbeiten und leben können, und in einem Land, in dem wenigstens die Regierungschefin noch an Fakten und Wissenschaft glaubt. Deshalb sind die Rotwein-Chips-Datingkochbackshow-Momente zwar nicht verschwunden, das müssen sie aber auch nicht.

Es gibt auch noch andere Dinge, die mich in diesem Jahr froh gemacht haben: Meine Women-in-Crime-Reihe über vergessene Krimi-Autorinnen ist ein steter Quell spannender Recherchen, Lektüren und eintreffender antiquarischer Buchfunde. Die daraus entstandene Dorothy-B-Hughes-Obsession hat mich zu Joan Harrison geführt, die die Verfilmung von Ride the pink horse produziert hat. Und diese Entdeckung hat geschafft, was ich kaum mehr für möglich gehalten habe: Meine Filmmüdigkeit, die seit zwei Jahren mal mehr, mal weniger ausgeprägte film fatigue ist verschwunden. Seit November läuft in meinem Wohnzimmer meine eigene Joan-Harrison-Retrospektive, zu der sehr gut passt, dass ich vor kurzem angefangen habe, endlich einige Bücher ihres Ehemannes zu lesen. Manchmal fügt sich dann doch vieles zusammen, auch wenn die Welt gerade zugrunde geht. 

Sonja Hartl ist Jurymitglied der Krimibestenliste und seit 2020 Teil der CulturMag-Redaktion. Zu ihrer Hartl-on-Highsmith-Reihe geht es hier, weitere CrimeMag-Beiträge sind hier. Ihr Blog Zeilenkino ist hier.

John Harvey at a poetry reading

John Harvey: Best of 2020

BOOKS Fiction / Non-Fiction

Stand By Me : Wendell Berry
The Falconer : Dana Czapnik
Some Kids I  Taught and  What They Taught Me : Kate Clanchy
All Among the Barley : Melissa Harrison
Long Bright River: Liz Moore
Olive, Again : Elizabeth Strout

Re-reading …

Anne Enright
Kent Haruf
Thomas McGuane

Poetry

Country Music : Will Burns
When the Tree Falls : Jane Clarke
New Hunger : Ella Duffy
Yes But What Is This? What Exactly?: Ian McMillan
How I Learned to Sing : Mark Robinson
Sweet Nothings : Rory Waterman
Squid : Matthew Welton

Albums

From An Old Guitar : Dave Alvin
Ballads : Paula Cole
Time : Jess Gillam
Piano 2 : Pete Judge
Bach, Goldberg Variations : Pavel Kolesnikov
Monk – Palo Alto : Thelonious Monk
Winter Hill : Liz Simcock
Avenging Angel : Craig Taborn

Tracks

The Oil Rigs at Night : The Delines
All in the Past: Dave Ellis & Boo Howard
Straight Back To You : Everything But the Girl
Angry All the Time : Tim McGraw
Inside : Bill Morrissey
Wichita : Gretchen Peters
Angels & Acrobats: Rod Picott
You Tattooed Me : Tom Robinson
Old Chunk Of Coal : Billy Joe Shaver
Flowers on Valentine’s Day : Liz Simcock
Sister Mercy: John Stewart
Tryin’ To Hold the Wind Up With a Sail: Jerry Jeff Walker

John Harvey is one of Britain’s finest novelists and a CrimeMag columnist, his essays can be found here. His blog „Some Days You Do …“ is recommended, these list appeared there first. John’s body of work here (in Deutsch). His last Charlie Resnick novel darkness, darkness appeared in Germany as Unter Tage. Alf Mayer’s review and interview here. 2018 saw the return of Frank Elder in Body & Soulreviewed by Alf Mayer here, translated into English on John’s blog.

Bodo V. Hechelhammer: Ein filmreifes Jahr

Das alte Jahr wird gehen. Filmreif. Ein Jahr, in dem irgendjemand, wie in Tim Burtons Horror-Komödie, einmal zu oft das Unwort gerufen hat. Die Plage ist danach nur noch schwer loszuwerden. Und was anfangs wie ein unrealistischer Katastrophenfilm aus der Feder von Roland Emmerich in einem kleinen chinesischen Regionalkino begann, entpuppte sich rasend schnell als wirklichkeitsgetreuer Dokumentarfilm und entwickelte sich zum weltweiten Blockbuster. Trotz geringer Produktionskosten und gänzlich ohne Public Relations, einfach weitergetragen durch Mund-zu-Mund-Propaganda. So geht Globalisierung. Auch ohne Internet in doppelter Hinsicht viral. 

Dystopien-Anhänger umarmen sich und reichen sich vor Erregung wutgenährt die Hände. Es sei ihr Recht. Anderen reicht ein rechter Arm, um den Lemmingen die Richtung aufzuzeigen. Beim gemeinsamen Marschieren muss man aber den Kopf ausschalten, dass konnte man schon immer gut in Berlin. Auf den Stufen des Reichstages wird aber schnell wieder klar, dass ein jeder eine Rolle im Untergang bekommen kann. National, global, wenn es schlecht läuft aber final. Egal. Doch trotz querdenkender Realitätsverweigerer und Geschichtsleugner sind noch lange nicht die 365 Tage von Sodom erreicht.  Die Frage ist nur, in welchem Segment wir uns inzwischen bereits befinden. 

Die Krise ist aber auch ein analoger Erfolg in digitaler Zeit, wo auch immer diese wiederum sein mag. In Deutschland zumindest nicht. Wenigstens Angst vor Computer-Viren braucht man an deutschen Schulen nicht zu haben. Also Masken auf und Fenster weit geöffnet. Das ist die Berliner Luft. So mag man gerade zur Adventszeit, wenn Wilhelm Heys Alle Jahre wieder im Radio erklingt, nur noch zurufen: bitte nicht! Denn es bleibt die Befürchtung, dass das, was sich in diesem Jahr abgespielt hat, gar kein Film war. Am Ende ist es eine ganze Serie. Binge!

Das alles passierte auch noch, obwohl doch Kinos geschlossen und angekündigte Filme längst verschoben wurden. Keine Zeit zu sterben, war leider dennoch nicht für alle durchzuhalten. So verstarb im Oktober Sean Connery, der einzig wahre James Bond. Erinnerungen werden unweigerlich wach, an frühe Kinobesuche im Darmstädter Helia. Goldfinger, mehrfach gesehen, war die Einstiegsdroge. Nicht nur weil das Bond-Girl den Namen Pussy Galore trug. Die Pilotin wurde reichlich ehrenvoll verkörpert durch Honor Blackmann, die in diesem April verstarb und bereits durch die Avengers bekannt war. Aber auch ihre Nachfolgerin bei Bond und Steed, die einzigartige Diana Rigg, ist im September von uns gegangen. Als das Fernsehen noch schwarz-weiß erschien und der Sendeschluss einen ins Bett schickte, war sie als Emma Peel mit Schirm, Charme und Melone unschlagbar und ihrer Zeit weit voraus. Die Träume waren mit ihr früher bunt; heute erscheinen sie als graue Schatten von gestern. So hieß auch die deutsche Übersetzung von John le Carrés ersten Roman um George Smiley. Selten waren miserable Anzüge so gut angelegt; Seite für Seite. Im Dezember wurde auch er zum verstorbenen Schriftsteller. Alles Geschichte. Nur wenige Monate zuvor hatte le Carré angesichts der zunehmenden nationalen wie internationalen Krisen noch gesagt, dass ihn die Vergangenheit nicht kümmere; es sei die Zukunft, an die er mit großer Aufregung denke. 

Das neue Jahr wird kommen. Filmreif.

Bodo V. Hechelhammer ist Chefhistoriker des Bundesnachrichtendienstes (BND) – mit einem kundigen Faible für die populärkulturellen Spiegelungen der Agenten- und Geheimdienstwelt. Seine Texte bei CrimeMag hier. „Geheimdienst ist besonders spannend unter kulturhistorischer Sicht“, ein Interview von Alf Mayer mit dem Autor über das Buch Doppelagent Heinz Felfe entdeckt Amerika. Der BND, die CIA und eine geheime Reise im Jahr 1956 hier. Seine Besprechung von Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten hier.

Brigitte Helbling

Harald Jähner: „Wolfszeit“. Rowohlt Berlin 2019

Der Vater meines Schwiegersohns schenkte mir das Buch in 2019, aber ich kam erst im April 2020 (alles dicht um mich herum) dazu, es zu lesen. Was für ein Genuss. Was für eine feine, kluge, neugierige und leidenschaftliche Art, die Nachkriegsjahre in Deutschland zu betrachten. Irre gut recherchiert, das auch. Ich schreibe hier nichts, was nicht schon andere geschrieben haben. Das Buch hat 2019 den Leipziger Buchpreis gewonnen. Harald Jähner war eine kurze Zeit lang mein Redakteur bei der Berliner Zeitung. Hat mich sein Buch überrascht? Ein bisschen vielleicht. Ich habe es weiter verschenkt, an ein oder zwei Freundinnen, auch an meine Schwägerin. An dem Abend, als ich es ihr brachte, kam es zu einem Mini-Eklat, an dem ich nicht unbeteiligt war. („Wolfszeit“ konnte dafür nichts.) 

Julie Doucet on Tour. Hamburg, 11. März 2020

Ein Highlight deswegen, weil diese Veranstaltung die letzte vor dem Lockdown war. Ich hatte vom Verlag den Auftrag erhalten, den Abend mit der legendären Comic-Künstlerin aus Kanada zu moderieren. Eine Freude. Wir waren im Golden Pudel Club am Hamburger Hafen, der Raum war voll, Menschen saßen dicht gedrängt auf der Treppe nach oben. Bei ihrem Anblick dachte ich ein bisschen an das Virus, ein bisschen auch nicht. An diesen Orten trifft sich die ganze Comic-Szene Hamburgs, es gab seither solche Treffen nicht mehr. Mir fällt das kleine gelbe Comic-Bild (ein Damenklo in einer Bar) von Liv Stromquist ein, das wir im Dezember 2019 in ihrem Malmöer Atelier abfotografiert haben. Da ging es noch darum, eine Ausstellung für den Comic Salon 2020 (abgesagt, alles abgesagt) vorzubereiten. 

Der Satz in der Sprechblase: ICH VERMISSE EUCH ALLE.

Brigitte Helbling ist Theaterautorin und Essayistin, manchmal auch Lektorin, selten Übersetzerin. Sie stammt aus der Schweiz, lebte als Kind einige Jahre in den USA, und ist seit über 30 Jahren in Hamburg wohnhaft. Bei Culturmag kümmert sie sich um die Specials und sporadisch auch um die Fun-Spalte am Rande der Seite. Im Sommer 2020 hat sie unser SHUTDOWN Special (mit 50 Beiträgen) kuratiert.

Henny Hidden: Die Stunde der Frauen

Mit den Ungewissheiten kommen die Ängste. Dabei ist es nicht nur die Pandemie, die uns stresst, es ist die weitere Zukunft, vor der wir die Augen verschließen, um nicht von dem an die Wand gemalten Schreckensszenario erschöpft zu werden. Können wir dann noch lachen und lieben? Ja, lieben. Es stellt sich die Frage, was es mit unseren Beziehungen macht, wenn es heiß wird, das Wasser nur noch tröpfelt und Hamburg in den Fluten versinkt? Zu übertrieben? Sicher. In den nächsten fünf, acht, zehn Jahren können wir es noch verdrängen. Aber danach bleibt nur noch wenig Zeit zum Nachdenken. 

Dror Mishanis Krimi Drei ist ein schmales Buch. Es handelt von drei Frauen und einem Mann, der diese Frauen in zeitlichen Abständen kennenlernt. Sie gehen Beziehungen ein, werben und wehren ab, so wie es ist, wenn zwei Menschen ihre Erwartungen und Bedürfnisse kommunizieren. Das Verhalten dieser Frauen hat mich über das Jahr immer wieder beschäftigt und veranlasst, über die Rolle der Frauen nachzudenken.

Die erste Frau ist Orna, eine Lehrerin, die von ihrem Mann getrennt lebt, weil er zu einer anderen Frau gezogen ist. Sie lebt mit ihrem neunjährigen Sohn zusammen, den sie wegen der Trennung vom Vater von einem Psychologen therapieren lässt. Orna hat Gil auf einem Datingportal kennengelernt. Sie hat ihn ausgewählt, weil sein Profil so nichtssagend war. Im Grunde ihres Herzens will sie auch keine neue Beziehung eingehen, weil sie die alte noch nicht verkraftet hat. Obwohl sie die Initiative für weitere Treffen ergreift, scheint ihr Desinteresse immer wieder durch. Orna lebt in ihrem eigenen Kosmos. In ihm fehlt das Eingeständnis, dass ihr Mann die unüberbrückbaren Disharmonien in ihrer Beziehung ihren Fehlern anlastet. Auch nach der Scheidung ist sie noch nicht bereit, innerlich einen Schlussstrich zu ziehen. Sie lebt fortan mit Verlustängsten, Schuldgefühlen und Verboten. Die neue Beziehung soll der Ablenkung dienen, ein Spaß, den sie sich gönnen will. Gil ist ein verständnisvoller Mann, geduldig und entgegenkommend. Ein Rechtsanwalt, der fast immer Zeit für sie hat und sie zu nichts drängt. Ein sympathischer Zug will man meinen. Wie gesagt, sie ergreift die Initiative, beim Sex und bei erneuten Wiedersehen. Aber es reicht nicht. Sie ist nicht verliebt, fühlt sich nicht zu ihm hingezogen, will immer wieder die Beziehung beenden und schafft es nicht. Eine deutliche Verschlechterung tritt ein, als sie Gil zufällig mit seiner Frau auf der Straße trifft. Orna erfährt, dass Gil nicht, wie von ihm angegeben, von ihr geschieden ist, sondern mit ihr zusammenlebt. Gefühle der Wut und Kränkung, die sie schon beim Weggang ihres ersten Mannes erlebt hat, brechen sich Bahn, verstärken sich, mit Gil als Opfer. Beschimpfungen und Demütigungen ihrerseits nehmen zu. Sie zeigt ihm, wie bewusst sie es versteht, Machtspiele anzuwenden und wie sehr sie ihn angesichts der Unwissenheit seiner Frau in der Hand hat. Gil reagiert, wie es wohl jede LeserIn erwartet. Er wehrt sich. An der zugespitzten Situation ist Orna schuld. Gedanken kommen auf, dass das nicht lange gut gehen kann, dass der Mann aus seiner Wartestellung heraustreten sollte, dass er sie in die Schranken weisen muss. Und plötzlich wird man sich bewusst, dass beim Lesen ein Gefühl eingetreten ist, bei dem sich jede AutorIn die Hände reiben müsste. Hat Mishani doch seine aufgeschreckte LeserIn in die Ecke gestellt und dem Ehebrecher Absolution erteilt. Auf einmal begreift man, wie Orna gefangen ist, in einer jahrhundertealten eintradierten Rolle verharrt, die die Frau als Mitglied einer Familie sieht, an der Seite des Mannes und der Kinder. Ihr Selbstbewusstsein reicht nicht aus, um sich von diesen Vorstellungen zu befreien. Die Versagensängste begleiten und lähmen sie. Ebenso deutlich wird, dass eine Frau, die sich in ihrem Auftreten aus den bekannten Mustern herauswagt, zu einer Gefahr für einen Mann werden kann.       

Die zweite Frau, der Mishani ein Leben in seinem Roman einhaucht, ist Emilia. Sie gehört zu den Frauen, die nicht auffallen und auch nicht auffallen wollen. Sie ist eine sechsundvierzigjährige Pflegerin aus Riga, die sich ihrem Schicksal ergeben hat, einsam lebt und bedürfnislos zeigt. Pflegen bedeutet für sie Schuld abtragen. Schuld, die sie spürt, weil sie in jungen Jahren Vater und Mutter nicht umsorgt hat. Nach dem Wegfall einer Pflegestelle findet sie keinen Halt mehr und sucht jemand, der ihrem Leben eine Richtung weist. Sie spricht einen jungen Priester an, im Verlauf entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung. Aber auch unscheinbare Menschen können anderen gefährlich nahekommen. Emilia versteht es durchaus, Menschen zu binden, indem sie ihre Aufmerksamkeit über einprägsame Situationen auf sich lenkt. Ihre Initiativen ummantelt sie als Gottes Wille. Auch bei Gil, für den sie die Wohnung putzt, hinterlässt sie ihre Spuren. Eine neue Tischdecke, ein Glöckchen im Fenster, ein Obstkorb, kleine Veränderungen, die ihre Handschrift tragen und gegebenenfalls auch Wendungen einleiten können. Gefahr droht, nachdem Emilia Zeitungsausschnitte liegen lässt, die Gil in der Wohnung verstaut hat. Alle Artikel handeln von Orna, einer Frau, die Selbstmord verübt hat. Emilia steht für eine Art von Frauen, die niemals Macht besessen haben, ihre Beziehungen dennoch ein Stück gestalten wollen. Derart ungewohnt sehnen sie sich oft in ihre alte Rolle zurück, und erlegen sich auf, nicht nur an sich zu denken. So quält Emilia beim Sex ihr frühes Schuldbewusstsein. Mishani hat hier ein Frauenbild geschaffen, das unseren Großmüttern sehr ähnelt. 

Die dritte Frau soll hier keine Erwähnung finden, weil sie im Krimi eine bestimmte Funktion erfüllt. Auch Gils Verhalten und sein Motiv, Frauen zu töten, wurde hier außen vorgelassen. Mein Fokus lag allein auf Frauen, die aus ihren Rollen heraustreten, unter Stress und Anspannung drängen, fordern, umgestalten und zu Opfern werden. Auf die Zukunft angewandt drängt sich so die Frage auf: Wie werden sich unsere Beziehungen ändern, wenn es heiß wird, das Wasser nur noch tröpfelt und Hamburg in den Fluten versinkt. Schlägt dann die Stunde der Frauen?

Henny Hidden gehört zu den „Mörderischen Schwestern“, ist eine aktive Bloggerin und informiert auf Die Krimilady mit ihren „KrimiMeldungen“ großflächig über aktuelle Besprechungen im Genre.

Adrian Hyland

2020 began with a bang – literally, for me, with the apocalyptic Black Summer bushfires – and ended in the lonely desolation of The Virus. My wife, Kristin, and I have been closer to the disasters than we would have liked: she as an Emergency nurse, me as a firefighter.

Cut off from bookshops and libraries for most of the year, culture has been pretty much a do-it-yourself project around our house. 

I’ve enjoyed revisiting the poets who gave me my love of language: Li He, Celan, Yeats, David Jones, John Kinsella. I’ve tried reading Proust in the original – so far I’ve only managed thirty pages and the French dictionary is full of bullet holes, but we’ll get there.  

I’ve been having fun sitting by the fire with my guitar – daughter, Siena, on the fiddle – and bashing out old country songs:  When the Rain Tumbles Down in July, Feeling Good Again, Return of the Grievous Angel.

My life of crime has been dominated by my fellow Aussies. Garry Disher’s Hirsch series is brilliant, and Michael Robotham’s Cyrus Haven books deserve all the praise and awards they’ve won.  Re-reading Peter Temple’s An Iron Rose reminded me of how much I miss The Master. 

I loved Mick Herron’s Slough House series – they came close to resurrecting the great Reginald Hill. Stuart MacBride’s Logan McCrae never fails to entertain.  November Road, by Lou Berney, was sharp and poetic, but gave me nightmares. 

Die deutsche Übersetzung wird im Frühjahr 2021 bei Luchterhand erscheinen.

My big discovery this year has been Scotland’s Ali Smith: her writing is funny, punny, shot through with bolts of synaesthetic lightning – and kind. I borrowed or bought all of her books before lockdown, and thank god I did. Spring is a good place to start.

With the cinemas closed and television colonised by spray-tanned, buffed-up boofheads, my screen-time has been limited of late, but I did enjoy Derry Girls and – speaking of spray tans, though he isn’t exactly buffed – Donald Trump’s escalating mental derangement on the daily news channel was a car crash I couldn’t tear my eyes away from. One of the problems with crime writers is that they are, in general, nice people, too nice to create the truly vile human beings their books need for dramatic tension. Trump, I dare say, will be providing grist to that particular mill and will be popping up under various guises for years to come.  

 Adrian Hyland is the award-winning author of Diamond Dove and Gunshot Road. He lives in St Andrews, north-east of Melbourne, and teaches at LaTrobe University. His novels have been translated into German and were published by Suhrkamp as Outback Bastard and Kaltes Feuer. His new novel is now called Canticle Creek, and it’s coming out in 2021 with Ultimo Press, part of the Hardie Grant network. In 2020 we had an exclusive excerpt from it and in March 2020, when editing a CrimeMag issue dedicated to the wildfires in Australia, Alf Mayer did an interview with Adrian. He is a firefighter in real life and author of the very recommended Kinglake-350, a heartbreaking book about the worst bushfire disaster in Australia’s history, Black Saturday, 7 February 2009.

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