Geschrieben am 5. März 2011 von für Comic, Crimemag

Will Eisner: New York. Großstadtgeschichten

Big City Blues

– Will Eisner gehört zu den wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Er war ein Comic-Künstler mit kaum zu unterschätzendem Einfluss. Zur Zeit ediert der Carlsen-Verlag sein Gesamtwerk, Thomas Wörtche hat sich den neuesten Band angeschaut.

Will Eisner

Pincus Pleatnik ist so unauffällig, dass sich niemand an ihn erinnern kann. Er mag das. Er arbeitet, in Dampfwolken gehüllt, als Bügler und führt ein Leben als „unsichtbarer Mensch“. Als eines Tages seine Todesanzeige in der Zeitung steht, glaubt ihm niemand, dass er noch lebt. Und so stirbt er, von der gesamten Gesellschaft ignoriert und ausgeschlossen, eines banalen echten Todes.  „Unsichtbare Menschen“ ist ein Zyklus des großen Comic-Künstlers Will Eisner. Eine Noir-Story vom Finstersten, obwohl Noir nirgends auf Eisners Comics draufsteht. Im Zuge der „Will-Eisner-Bibliothek“ sind gerade seine „Großstadtgeschichten“ erschienen – mal längere Stories, mal nur kurze Momentaufnahmen aus dem Big City Life – entstanden seit den 1980er Jahren bis zu Eisners Tod 2005. Die Geschichte vom armen Pincus Pleatnik ist nur ein Beispiel für die kühle Erzählhaltung Eisners, die sich in vielen Stories, Miniaturen und Episoden findet. Gewalt und Verbrechen sind dabei nicht „genre“-haft verteilt, sondern ubiquitäre Konstanten des Großstadtlebens und insofern mit allen anderen Aspekten des Lebens engstens verzahnt. Erbschleicher, Groß- und Kleinkriminelle, Säufer, Verkommene, Brutalos, Gleichgültige, Einsame und seltsame Heilige bevölkern New York City (und manchmal auch die Dropsie Avenue in der Bronx, die Eisner-Fans aus  „Ein Vertrag mit Gott“ kennen), das nie nur NYC ist, sondern eine Art urbanes Welttheater.

Selbst da, wo Eisner todtraurige Geschichten erzählt (und der Band enthält sehr viele Molltöne), zum Beispiel die von Monroe Mensh, der immer helfen will und nie wirklich helfen kann und sich am Ende umsonst opfert, sind der Ton, die Bilder, die Erzählsitution nie sentimental, sondern hart und direkt: hardboiled, nicht als kitschige Geste aus zweiter Hand, sondern im Sinne einer Perspektive auf die Welt -, und deswegen genau und deswegen sehr menschlich.

Über die sparsame und präzise Ästhetik von Eisners Bildern, von der Virtuosität, mit der er knapp und lakonisch erzählt, von seiner Kunst des Reduktionismus und Minimalismus, der weißen Räume und der Schattierungen von Schwarz müssen wir hier nicht schwärmen. Das alles kennen und schätzen wir an Will Eisner, der seit den Abenteuern des Cops Denny Colt alias „The Spirit“ ins Pantheon der Crime Fiction, Abteilung „Bilderwelten“ gehört.

„New York – Großstadtgeschichten“ ist zudem noch vorbildlich sorgfältig aufgemacht, mit Materialien (Ko- und Kontexte) gespickt und von Andreas C. Knigge wunderbar übersetzt. Fein!

Thomas Wörtche

Will Eisner: New York. Großstadtgeschichten (New York – Life in the Big City, 2006). Comics. Deutsch von Andreas C. Knigge.  Hamburg: Carlsen 2011. 435 Seiten. 34,00 Euro.
Verlagsinformationen zum Buch

The official online home of Will Eisner

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