Geschrieben am 1. Februar 2023 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2023

Tony Hillermann, wiederaufgelegt

Joachim Feldmann über ein schwieriger gewordenes Terrain

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch das Werk des amerikanischen Schriftstellers Tony Hillerman (1925 – 2008) der Vorwurf der kulturellen Aneignung erreichen würde. Schließlich hatte er als weißer Amerikaner zwischen 1970 und 2006 siebzehn Kriminalromane veröffentlicht, die vor allem im Navajo-Reservat in Arizona und New Mexico spielen und deren Protagonisten, Lieutenant Joe Leaphorn und Officer Jim Chee, für die Navajo-Polizei ermitteln. (Seit 2013 wird die Reihe von Hillermans Tochter Anne fortgeführt.) Der Unionsverlag bringt nun eine Neuauflage von Tony Hillermans Romanen.

Traditionen und Bräuche des indigenen Volkes, das sich selbst Diné nennt, sind bei Hillerman nicht nur Kulisse, sondern von zentraler Bedeutung bei der erzählerischen Gestaltung der Fälle und ihrer Auflösung. Der Autor selbst sah das ein bisschen anders. „They’re basically mysteries with a little Navajo culture and history thrown in“, erklärte er in einem Interview mit der Zeitung Navajo Times. Aber Stellungnahmen wie diese besänftigten die im Diné Writers Collective organisierten Autorinnen und Autoren keineswegs, im Gegenteil. Hillermans Bücher, so wurde argumentiert, profitierten von der (unzulässigen) Aneignung  der Navajo-Kultur, die er zudem fehlerhaft darstelle.

Verblüffend ist in diesem Zusammenhang, dass die Romane bei den Diné ausgesprochen beliebt waren. „Navajos from all over the reservation would come into the store wanting to buy Hillerman paperback”, erzählte Ernie Bulow, ein Buchhändler aus Gallup, New Mexico, der Navajo Times. „They would read them and pass them around until they were falling apart.“ Als einziger Nicht-Native erhielt Hillerman 1991 den „Special Friends of the Dineh Award“ von der Navajo Nation.

Hingegen wundert die Popularität von Leaphorn und Chee im Lande der Karl-May-Festspiele wenig. Bis auf den letzten (The Shape Shifter. 2006) sind alle Krimis von Tony Hillerman in deutscher Übersetzung bei Rowohlt erschienen. Und sie haben auch nach vielen Jahren keineswegs Staub angesetzt, wie die erneute Lektüre des zweiten Bands „Tanzplatz der Toten“ (Dancehall of the Dead. 1972), mit dem der Unionsverlag jetzt am 17. Februar 2023 seine Neuausgabe der Reihe eröffnet, eindrucksvoll beweist. Der Fall ist sauber konstruiert, der Ermittler sympathisch und die Atmosphäre überzeugend.

Tony Hillerman zeigt sich als versierter Erzähler mit großem Respekt vor seinen Figuren und trockenem Humor. Und was die angeblich fehlerhafte Darstellung des indigenen Kultur betrifft, eine Anekdote zum Abschluss: „Ten years ago I spoke with a Navajo friend in Albuquerque about the Hillerman novels when I saw a copy of The Sinister Pig on his back seat. Although he did find elements of cultural appropriation in the series, he was clearly an avid follower. He distinguished between ‚appropriation‘ and ‚exploitation,‘ saying Hillerman was always respectful. And I might add, my friend seemed to take comfort from the fact that Hillerman didn’t always get everything right!”

Tony Hillerman: Tanzplatz der Toten. Ein Fall für die Navajo-Police (1) (Dancehall of the Dead, 1973). Aus dem Englischen von Helmut Eilers. Unionsverlag, Zürich 2023. 227 Seiten, 14 Euro. – Tony Hillermans interaktive Landkarte/ Yale University. Verlagsinformationen zu Reihe und Autor.

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