Geschrieben am 1. September 2020 von für Crimemag, CrimeMag September 2020

Sekundärliteratur: About Crime Fiction

Hinweise zur Sekundärliteratur von Thomas Przybilka – Auszug aus der aktuellen Lieferung

Seit Jahren bibliografiert, archiviert und kommentiert der Ehrenglauser-Preisträger Thomas Przybilka in seinem BoKAS (= Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur) wissenschaftliche und publizistische Arbeiten aus aller Welt, die sich mit den unendlichen Facetten von Kriminalliteratur befassen. In unregelmäßig regelmäßigen Abständen erscheinen dann seine unschätzbar wertvollen Zusammenfassungen der aktuellen Sekundärliteratur, die jeder zur Kenntnis nehmen muss, der sich auch nur ein bisschen über seine Lieblingsliteratur kundig machen möchte. Ein solcher „Newsletter“ hat leicht einmal 160 bis 200 Seiten; deswegen empfiehlt CrimeMag unregelmäßig ein paar Titel aus dieser Fülle, die uns besonders bemerkenswert erscheinen.

MacDonald, Erin E.: Ian Rankin. A Companion to the Mystery Fiction. 2019, 445 S., s/w Fotos und Illustrationen, McFarland & Company (McFarland Companions to Mystery Fiction, Vol. 10), 0-7864-7188-3 / 978-0-7864-7188-1, US $ 59,95

Es ist jedesmal ein Vergnügen, in der exzellenten Reihe „McFarland Companions to Mystery Fiction“ zu blättern und zu lesen. So auch in Erin E. MacDonalds Handbuch zu Ian Rankin. MacDonald bietet eine schier überwältigende Fülle an Informationen, Hintergrundmaterialien und Querverweisen zu der Serie um den eigenwilligen Ermittler John Rebus und zu anderen Kriminalromanen des schottischen Kriminalschriftstellers. Nach einer kurzen Einleitung, einer chronologischen Bibliographie sowie einer alphabetisch geordneten Auflistung der Werke Rankins folgt das sehr umfassende „Companion“. Hier werden die Protagonisten, die Tatorte und die einzelnen Kriminalromane ausführlich porträtiert. Fast jeder Eintrag, gleich ob umfangreich oder nur als kurzgehaltene Hinweise, wird durch zahlreiche Querverweise ergänzt. Abgerundet wird MacDonalds Werk mit verschiedenen Anhängen (Interviews, Erläuterungen zum schottischen Slang, Karten) sowie einer – auch hier wieder umfangreichen – kommentierten Bibliographie der weiterführenden Literatur. Selbstverständlich erschließt ein Index das vorliegende Werk.

Erin E. MacDonald lehrt Englische Literatur an der Fanshawe College’s School of Language and Liberal Studies in London, Ontario. Sie veröffentlichte in der Reihe „McFarland Companion to Mystery Fiction“ den Band über Ed McBain/Evan Hunter sowie zahlreiche Artikel im „Journal of American and Comparative Cultures“ und in „Clues – A Journal of Detection“.

Ott, Paul: Mord im Alpenglühen. Der Schweizer Kriminalroman – Geschichte und Gegenwart. 2020, 347 S., 36 s/w Abbildungen, Lesebändchen, Chronos Verlag, 3-0340-1584-4 / 978-3-0340-1584-4, EURO 38,00 – siehe auch die Besprechung von Alf Mayer bei CrimeMag.

2005 erschien erstmals im rührigen Wuppertaler NordPark Verlag die Geschichte des Schweizer Kriminalromans von Paul Ott. Nun legt der Schweizer Germanist und Krimiautor Paul Ott eine wesentlich überarbeitete und ergänzte Neuausgabe von „Mord im Alpenglühen“ im Züricher Chronos Verlag vor. Auf über 340 Seiten wird „Der Schweizer Kriminalroman – Geschichte und Gegenwart“, so der Untertitel, vorgestellt und kundig analysiert. Es ist nicht nur ein umfangreicher Abriss der Kriminalliteratur der Eidgenossen, sondern beigefügt ist auch eine detaillierte Bibliographie der Kriminalliteratur der deutschsprachigen Schweiz seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier konnte Paul Ott über 2000 Werktitel dokumentieren! Paul Otts spannendes Nachschlagewerk wäre unvollständig, hätte er nicht auch die Kriminalliteratur der anderen Sprachgemeinden des Alpenlandes berücksichtigt. Ähnlich umfangreich wie sein Blick auf die Krimis der deutschsprachigen Schweiz ist seine Darstellung der Kriminalliteratur der französischsprachigen Schweiz. Die wenigen Krimis aus dem italienischsprachigen Teil der Schweiz werden im geschichtlichen Abriss ebenso bedacht wie die Handvoll Krimis der rätoromanischen Sprachgemeinde. Aufgelockert wird der geschichtliche Teil des Handbuches durch ausgewählte Abbildungen von Titelblättern und Buchcovern. Die ergänzende Bibliographie der Schweizer Kriminalliteratur verzeichnet nicht nur Geburts- und Sterbedaten sowie Pseudonyme der aufgeführten AutorInnen, sondern teilweise auch biographische Details zu diesen AutorInnen wie auch aufschlußreiche Kurzinformationen zu ihren Kriminalromanen.

 Wer auf Entdeckungsreise durch die relativ unbekannte Kriminalliteratur der Schweiz gehen will, der wird in Paul Otts Handbuch „Mord im Alpenglühen“ einen kundigen und wertvollen literarischen (Reise-)Führer finden. Für diese überaus verdienstvolle Arbeit wurde Paul Ott 2020 mit dem Spezialpreis der deutschsprachigen Literaturkommission des Kantons Bern ausgezeichnet.

Paul Ott, geboren am 16.5.1955 in Romanshorn, aufgewachsen in Goldach am Bodensee und St. Gallen, lebt seit 1974 in Bern. Studierte in Bern Germanistik und Kunstgeschichte. Unterrichtete 1979-2016 an verschiedenen Schulen. In den letzten 35 Jahren erschienen neben journalistischen Arbeiten für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften zahlreiche literarische Veröffentlichungen. Paul Ott schreibt unter dem Pseudonym Paul Lascaux seit 30 Jahren Kriminalromane und –geschichten. 2011 erhielt Paul Ott den Spezialpreis der Literaturkommission der Stadt Bern für seine Verdienste um den Kriminalroman und 2020 den Spezialpeis der Literaturkommission des Kantons Bern für „Mord im Alpenglühen“.

Vogt, Jochen: Schema und Variation. 13 Versuche zum Kriminalroman. 2020, 373 S., Lesebändchen, Wehrhahn Verlag, 3-86525-737-2 / 978-3-86525-737-6, EURO 29,50

Die zweibändige, erstmals 1971 erschienene Aufsatzsammlung „Der Kriminalroman. Poetik – Theorie – Geschichte“ (1998 in einem Band neu aufgelegt), herausgegeben von Jochen Vogt ist heute immer noch ein wichtiges Standardwerk zum Genre und einer der vielen Materialbände zur Kriminalliteratur. Jetzt hat der emeritierte Professor (Germanistik, Literaturwissenschaft, Literaturdidaktik) wieder einen solchen Materialband vorgelegt. Versammelt hat Jochen Vogt dort seine Aufsätze, Essays und Vorträge, die er in den letzten Jahren in verschiedenen Publikationen veröffentlichte. Wie bereits in seinen vorliegenden Publikationen der letzten Jahre, bietet „Schema und Variation“ für Interessierte, Studierende und Krimiliebhaber eine Fülle an Informationen zur Entwicklung des Genres. In seinen neueren, hier zusammengestellten Essays, bietet der Literaturkritiker und Erzählforscher seine Perspektiven auf das Genre. Wer Jochen Vogt schon einmal bei seinen Vorträgen erlebt hat, darf sich auf seine originellen Essays in „Schema und Variation“ freuen. Bereits die „13 einfachen Sätze“ seiner „Einleitung“ bereiten Lesefreude, um „fast Alles über Krimis“ zu erfahren und machen Appetit auf die folgenden Essays. Die den Band abschließenden Anmerkungen, wie immer stets sehr umfangreich, liefern Hinweise zu weiterführender Literatur. Wer allerdings gezielt nach Autoren fahndet, muss die Unter- und Zwischentitel zu den einzelnen Kapiteln im Inhaltsverzeichnis konsultieren! 

Jochen Vogt hat von 1972 bis 2008 als Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Essen gelehrt und zahlreiche Gastprofessuren in Europa und den USA wahrgenommen

Clemm, Christina: AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt. 2020, 208 S., Verlag Antje Kunstmann, 3-95614-357-4 / 978-3-95614-357-1, EURO 20,00

Gewalt gegen Frauen ist ein alltägliches Phänomen, auch wenn sie nur selten öffentlich wird. „AktenEinsicht“ erzählt Geschichten von Frauen, die körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, und vermittelt überraschende, teils erschreckende Einsichten in die Arbeit von Justiz und Polizei. — Nach den neuesten Zahlen des BKA ist jede dritte Frau in Deutschland von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Welche Lebensgeschichten sich hinter dieser erschreckenden Zahl verbergen, davon erzählt die Strafrechtsanwältin Christina Clemm, empathisch und unpathetisch. Wie gewinnt man nach einer Gewalterfahrung die Selbstachtung zurück, die Selbstbestimmung über das eigene Leben? Wie geht man damit um, dass die Polizei einen angekündigten Mord nicht ernst nimmt? Dass man einem Richter gegenübersteht, der auf dem rechten Auge blind ist? Was macht es mit den Betroffenen, die Täter wiedersehen zu müssen und sich bohrenden Fragen zur Tat zu stellen? Christina Clemm nimmt uns mit auf eine Reise in die Gerichtssäle der Republik, an die Tatorte, in die Tatgeschehen. Es sind Geschichten, die man nicht mehr vergessen wird.

Christina Clemm arbeitet als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt. Sie ist Fachanwältin für Strafrecht und Familienrecht in Berlin und war Mitglied der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts des BMJV.

Collins, Shalisa M. / Craig-Odders, Renée W. / Paul, Marcella L. (ed.):
Violence and Victimhood in Hispanic Crime Fiction. Essays on Contemporary Works. 
2018, 186 S., McFarland & Company, 0-7864-9908-7 / 978-0-7864-9908-3, US $ 55,00

Hard-boiled Kriminalromane und Thriller fokussieren im allgemeinen ein Kapitalverbrechen und somit die Beziehungen zwischen Ermittlern und Verbrechern. Die drei Herausgeber haben sich auf die zeitgenössische Kriminalliteratur des spanischsprachigen Raums konzentriert. Analysiert werden verschiedene Arten von Gewaltverbrechen, die Rolle der Opfer und die Würdigung durch ermittelnde Behörden. Einbezogen in diese Analysen sind Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich, der Demographie, der Wirtschaft und der Politik. Ein Augenmerk wird auch der politischen Korruption und der damit einhergehenden Instabilität gewidmet. Die Herausgeber haben diese Betrachtungen auf die spanische und die lateinamerikanische Kriminalliteratur unterteilt. Ausführliche Fußnoten und Hinweise auf Primär- wie Sekundärliteratur ergänzen jeden Artikel. 

Knight, Stephen: Australian Crime Fiction. A 200-Year History
2018, IX/301 S., McFarland & Company, 1-4766-7086-2 / 978-1-4766-7086-7, US $ 45,00

Im Januar 1788 erreichte die „First Fleet“ den am anderen Ende der Welt gelegenen Kontinent Australien. Passagiere dieser ersten Anlandung waren in England verurteilte Verbrecher und deren Bewacher. Sie sollen als erste Weiße die Küstenregionen des neuen und unbekannten Landes besiedeln. Schon nach knapp zwanzig Jahren erschienen die ersten Geschichten und Erzählungen von Verbrechensliteratur der neuen Kolonie: „Michael Howe. The Last and Worst of the Bushrangers of Van Diemen’s Land“ von Thomas Wells wurde 1818 in Hobart aufgelegt. Stephen Knight legt mit „Australian Crime Fiction“ eine weitere Untersuchung (nach „Continent of Mystery“, siehe Kasten unten) eine erstmals umfassende Geschichte der australischen Kriminalliteratur vor. Neben den in Europa bestens bekannten Namen der australischen Kriminalliteratur, wie Arthur W. Upfield, Peter Corris, Paul Temple oder Garry Disher werden Interessierte hier mit weiteren zahlreichen Autorinnen und Autoren von Down Under bekannt gemacht. Gesichtet und eingeordnet hat Knight 645 Bücher (Verbrechens- und Kriminalliteratur) von 254 Autoren für die Zeit von 1818 bis 2017. Seinen Überblick zur australischen Kriminalliteratur gliedert er in 5 zeitgeschichtliche Teile, „Sections“ genannt, hierin wieder nach Subgenre unterteilt. Ergänzt wird Knights Übersicht und Analyse durch eine überaus umfangreiche Bibliographie der Primärliteratur (gegliedert nach den bereits erwähnten 5 Sections) sowie einen Personen- und Titel-Index. 

Neri, Marcello / Pohlmeyer, Markus (Hg):  Zwischen Welten verstrickt. Gedanken zu Europa, Religion und Literatur. 
2016, 144 S., Igel Verlag (Flensburger Studien zu Literatur und Theologie, Bd. 3) (Diplomica), 3-86815-703-4 / 978-3-86815-703-1, EURO 19,50 

Experimentelle Thesen zu Theologie und Literatur (an den Beispielen von Petrarca, Dante, Goethe, Brecht und Kafka). „Das menschliche Bedürfnis, literarische und theologische Texte zu kreieren und zu deuten, hat, wie mir scheinen will, mit der Intensität unserer Selbstreflexion als Spezies, als Homo significans, zu tun. Wir kommen eben nicht darum herum, unsere weltliche Existenz als Text und Meta-Text zu betrachten.“ (Martin Swales). Mit: Wörtche, Thomas: „Vom Sinn des Sterbens – Kriminalliteratur und Religiosität“. — Der Aufsatz ist eine überarbeitete Druck-Fassung eines Vortrags vom 12./13.6.2014. —

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