Geschrieben am 1. September 2022 von für Crimemag, CrimeMag September 2022

Schatzsuche September 2022 – Neuerscheinungen

Eine Vielzahl von Krimi-Neuheiten …

… erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe von: Kaliber.38 und der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. 

Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics und auch Podcasts geben Katrin Doerksen und Thomas Groh

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Bitte denken Sie daran, dass gerade in diesen Zeiten Ihre lokale Buchhandlung(en) besonderer Unterstützung und Solidarität bedürfen. Lieber dort bestellen als bei amazon. –

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Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg:

Hier die Beute meiner Schatzsuche aus den letzten vier Wochen:

– Garry Disher, Stunde der Flut (Ü: Peter Torberg), Unionsverlag 2022, 336 S., 24 Euro: Schon wieder Neues vom australischen Großmeister. Charlie Deravin ermittelt in Menlo Beach zwischen der eigenen Familie und einer männerbündlerischen Polizei. – Siehe dazu Alf Mayer in dieser Ausgabe, d. Red.

– Javier Cercas, Die Erpressung. Terra Alta 2 (Ü: Susanne Lange), S. Fischer 2022, 430 S., 25 Euro: Ein neuer Fall für Melchor Marin. Die Bürgermeisterin von Barcelona wird erpresst und Melchor bekommt es mit  katalanischen Seperatisten und altem Geld zu tun. Und die einst ermordete Mutter will ja auch noch gerächt werden. 

– Yves Ravey, Die Abfindung (Ü: Holger Fock und Sabine Müller), Liebeskind 2022, 109 S., 20 Euro: Jean Seghers Tankstelle ist pleite, seine Frau geht mit dem Mechaniker fremd, dann brennt die Tanke und der Mechaniker Usman gleich mit. – Siehe dazu unsere „Bloody Chops“ in dieser Ausgabe, d. Red.

– William McIlvanney/Ian Rankin, Das Dunkle bleibt (Ü: Conny Lösch), Kunstmann 2022, 287 S., 25 Euro: Laidlaw ist zurück! Im Nachlass des vor knapp sieben Jahren verstorbenen großen Schotten fand sich dieses Manuskript, das von Ian Rankin für die Veröffentlichung vollendet wurde. Grau. Glasgow. Gut.

– Malla Nunn, Ein schöner Ort zum Sterben (Neufassung auf Grundlage der Übersetzung von Armin Gontermann)), Argument 2022, 406 S., 15 Euro: Band 1 der Tetralogie um Detective Emmanuel Cooper, jetzt in überarbeiteter Übersetzung wiederzuentdecken!

– Malla Nunn, Lass die Toten ruhen (Deutschsprachige Neufassung von Else Laudan), 367 S., 15 Euro: Mit diesem 2. Band ist die Reihe um Cooper und Shabalala nun in vier Bänden komplett bei Argument zu Hause. Eine echte Einladung zum Wiederlesen oder Entdecken.

– Clemens Murath, Der Bunker, Heyne Hardcore, 428 S., 16 Euro: Dies ist der 2. Fall für Frank Bosman, der sich durch den Berliner Großstadtdschungel kämpft. Sein Gegner: ein ehemaliger Warlord. Hart und schnell, der Mann kommt halt vom Drehbuch.

Mit diesen Empfehlungen verabschiede ich mich in den wohlverdienten Urlaub.

Torsten Meinicke

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Jutta Wilkesmann und Hildegard Gansmüller, Wendeltreppe, Frankfurt:

Christian Hardinghaus: Die Spionin der Charité (Europa-Verlag)

Ute Cohen: Falscher Garten (Septime) – siehe dazu Andrea Noack in dieser Ausgabe, d. Red.

Ane Riel: Blutwurst und Zimtschnecken (btb, Ü: Julia Gschwilm)

Mathijs Deen: Der Holländer (mare, Ü: Andreas Ecke) – siehe dazu unsere „Bloody Chops“ vom April, d. Red.

Oliver Bottini: Einmal noch sterben (DuMont)

Und – außer Konkurrenz –

Josephine Tey: Alibi für einen König (Kampa, Ü: Maria Wolff)

Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in Berlin-Schöneberg:

Letztes Mal musste ich leider schwänzen, aber heute krame ich wieder in meinem Bücherstapel.

Bereits gelesen habe ich (selbstverständlich) den dritten Band der Morduntersuchungskommission von Max Annas: »Der Fall Daniela Nitschke« (Rowohlt), dieses Mal spielt er 1987 in Ost- und Westberlin. Stasi, fremde Geheimdienste, Südafrika, Verrat … nicht ohne Grund auf der Krimibestenliste die Nummer 3. – Siehe dazu auch Sonja Hartl und einen Textauszug in dieser Ausgabe, d. Red.

Angelesen und ein Tipp für September: Christian von Ditfurth: »Tanz mit dem Tod« (Bertelsmann), Nazis gegen Kommunisten 1932.

Zufällig hier zwei Romane, in denen Feuer als Mordwaffe eine Rolle spielt. Schon im Juli erschienen: Pernilla Ericson: »Im Feuer« (Fischer/Scherz, deutsch von Friederike Buchinger) fand ich richtig spannend. Das Wort »Bewässerungsverbot« war mir gar nicht geläufig, und dann tauchte es bei uns permanent in den Nachrichten auf. Brände überall.

Auch bei Yves Ravey: »Die Abfindung« (Liebeskind, deutsch von Holger Fock und Sabine Müller) brennt es. Eine Werkstatt. Und drin liegt einer. Ein kleines fieses Stückchen Krimi, hat mir gut gefallen. – Siehe auch unsere „Bloody Chops“, d. Red.

Und auch ein »Stockholm-Krimi« hat mich überrascht: »Dämmerung. Falsch.« von Nevala & Karlsson (DuMont, deutsch von Karoline Hippe). Eine interessante Geschichte um die Kunstfälscherin Nadezhda, die sich mit ihrer Dozentin zusammentut. – Siehe auch unsere „Bloody Chops“, d. Red.

Ich freue mich auf »Morden und Lügen« von André Pilz (Suhrkamp), und gespannt bin ich auf Moritz Hürtgen: »Der Boulevard des Schreckens« (Kunstmann), der Chefredakteur der »Titanic« hat einen Kriminalroman geschrieben. – Besprechung in dieser Ausgabe, d. Red.

So, und nun steht ein Mini-Urlaub bevor und ich nehme mit:

Oliver Bottini: »Einmal noch sterben« (DuMont), Jean Hanff Korelitz: »Der Plot«(Heyne, deutsch von Sabine Lohmann), Femi Kayode: »Light Seekers« (btb, deutsch von Andreas Jäger – Rezension in dieser Ausgabe, d. Red.) und einen Roman von Dirk Stermann: »Maksym« (Rowohlt).

Zum Schluss ein kleiner begeisterter Kinderbuch-Tipp: Lisa Aisato: »Ein Blick durchs Schlüsselloch« (Atrium, Imprint WooW Books, deutsch von Neele Bösche) – viel Spaß!

Comic/Heimkino – von Katrin Doerksen und Thomas Groh

Midori – Das Kamelienmädchen von Suehiro Maruo
Reprodukt, Flexicover, schwarzweiß und zweifarbig, 160 Seiten, bestellbar

Alptraumhafte, erotische Grotesken sind das Sujet des Mangaka Suehiro Maruo, er steigt ohne zu zögern in die tiefsten Kellerlöcher kollektiver Schuldgefühle hinab. Jetzt endlich auch auf Deutsch zu lesen: Die Geschichte einer jungen Frau, die mit einer Freakshow durch das Land zieht und versucht dieser von ihr empfundenen Hölle zu entfliehen.

Pfostenloch von Daniela Heller
avant-verlag, Softcover, farbig, 128 Seiten, bestellbar

Man stelle sich in etwa die Thematik und den Humor von „The Office“ vor und verlege das Ganze auf eine archäologische Ausgrabungsstätte irgendwo in Süddeutschland. Das ist Pfostenloch, mit dem Max-und-Moritz-Preis für das Beste deutschsprachige Debüt 2022 gekürt.

Ping Pong von Taiyo Matsumoto

Reprodukt, schwarzweiß, 344 Seiten, bestellbar

Auftakt der Serie über zwei japanische Oberschüler, die in die Schulmannschaft für Tischtennis aufgenommen werden und jeder Menge Druck standhalten müssen. Stilmix aus Mangakonventionen und westlichen Zeichenstilen mit einem guten Schuss Surrealismus.

Vernon Subutex 1 von Luz
Reprodukt, Klappenbroschur, farbig, 302 Seiten, bestellbar

Einer der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs adaptiert Virginie Despentes’ Romanerfolg über den gebeutelten Pariser Kulturfritzen, der Zeuge bedeutender kultureller, politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen in Frankreich wird.

Lone Wolf and Cub Master Edition 1 von Kazuo Koike & Goseki Kojima
Carlsen, gebunden, schwarzweiß, 692 Seiten, 30 Euro

Wie weit der Manga in Deutschland mittlerweile an Popularität und Reichweite gefunden hat, lässt sich mit dieser bibliophilen Ausgabe des Manga-Klassikers aus den 70ern hervorragend nachvollziehen: Vor knapp 20 Jahren erschienen die gesammelten Abenteuer des stoischen Rōnin Itto Ogami (genannt Okami, der Wolf) noch im leichten Handformat für die schnelle Lektüre, das Revival erfolgt im Hardcover-Ziegelstein für den Ohrensessel. Die Reise führt ins Japan der Edo-Zeit – und wer ein Herz für die Toshiro-Mifune-Filme von Akira Kurosawa oder generell für das japanische Chambara-Kino hat, wird sich in diesen losen, sich allmählich aufbauenden Geschichten sofort zuhause fühlen: Okami ist ein wortkarger, gewitzter Ex-Samurai, der seinen Gegnern immer das entscheidende Qurentchen voraus ist – nicht zuletzt dank der Mithilfe seines kleinen Sohns, den er im hölzernen Kinderwagen stets mit sich führt. Er ist ein Anti-Held, wie ihn sich auch das (Bahnhofs-)Kino der 60er und 70er immer wieder erträumt hat: Ein Drifter zwischen gut und böse, skrupellos im Vorgehen, dabei cool und souverän und nur seinem eigenen Ehrenkodex folgend – ein freier Mensch. Einblicke in die japanische Geschichte und Kultur vermitteln sich dabei wie von selbst nebenbei. Aber Obacht: Diese Geschichten machen süchtig – und die Master Edition wird nach Verlagsankündigung zwölf Bande umfassen. Am besten schon mal Regalfläche anbauen…

Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf

WDR/Arte, zehn Episoden online

In der ARD-Mediathek bietet sich derzeit wieder die Möglichkeit, Dominik Grafs Berliner Mafia-Epos von 2010 zu sehen. Seinerzeit nach einer missglückten PR von der Kritik eher getreten als gefeiert (vollmundig versprochen wurde die deutsche Antwort auf den großen US-Hype aus den USA) und von den Sendeanstalten schließlich fallen gelassen (die letzten Episoden wurden hektisch am Stück im Stückprogramm weggesendet, um attraktive Programmslots zurückzugewinnen), lässt sich die Serie über die Verstrickungen eines deutsch-russischen Polizisten mit der Russen-Mafia Westberlins heute mit freierem Blick wiederentdecken. Wichtig ist der lange Atem: Graf und sein Drehbuchautor Basedow legen die Fäden von langer Hand aus, die sich am Ende intensiv bündeln.

Werner Herzog Festspiele 

Am 5. September wird Werner Herzog 80 Jahre alt. Nicht nur eine Ausstellung im Berliner Filmmuseum feiert den bayerischen Kino-Titan, sondern dieser sich gleich selbst mit seinen Memoiren, die buchstäblich in die Tiefen des irdischen Wassers bis in die Tiefen des Kosmos reichen, und all das vom bayerischen Grenzdörfchen Sachrang aus, wo Herzog einst in Abgeschiedenheit und Armut aufwuchs. Keine lineare Autobiografie wartet hier, sondern eine hochgradig assoziative Reise ins Ich. Der Weg von den Zitzen einer bayerischen Kuh bis zu einem Lagetreffen der NASA ist bei Werner Herzog daher selten weit. Wer Spotify nutzt, findet dort im übrigen auch schon das Hörbuch für die total Werner experience. Auch in den Rundfunk-Audiotheken zeichnet sich das Jubiläum bereits ab: Der Bayerische Rundfunk hat ein neues Radioporträt produziert, das Deutschlandradio ein Feature von vor zehn Jahren wieder online gestellt.

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