Geschrieben am 1. November 2023 von für Crimemag, CrimeMag November 2023

Schatzsuche November 2023 – Lesestoff

Eine Vielzahl von Krimi-Neuheiten …

… erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. 

Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. 

CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. 

Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics und auch Podcasts geben Katrin Doerksen und Thomas Groh.

** **

Bitte denken Sie daran, dass gerade in diesen Zeiten Ihre lokalen Buchhandlungen besonderer Unterstützung und Solidarität bedürfen. Lieber dort bestellen als bei amazon. Man kann das nicht oft genug sagen – und tun.

****

****

Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in Berlin-Schöneberg:

Ein mir sehr nahestehender Mensch hat sich in den letzten Tagen mit einem Buch zurückgezogen und war nicht sehr ansprechbar. Schon im September erschienen und von mir gar nicht beachtet, aber warum nicht jetzt? Der neue Stephen King»Holly« (Heyne, deutsch von Bernhard Kleinschmidt) – etwas für Leser mit Zeit in dunklen Herbsttagen.

Weil im November die Ausbeute an interessanten Neuerscheinungen nicht groß ist, nehme ich auch gerne mal Kundentipps mit in meine Schatzsuche auf. Heute ist es ein Titel aus dem August, den mir jemand dringend empfohlen hat. Romane um Kunstfälscherinnen mag ich ja (s. Nevala /Karlsson), dann lese ich vielleicht auch »Schwarzlicht« von María Gainza (Wagenbach, deutsch von Peter Kultzen). Ein preisgekrönter Hochstaplerkrimi aus Buenos Aires.

Noch einmal »Betrug«. So heißt der neue Roman von Zadie Smith, basierend auf historischen Ereignissen, London 1873, bestimmt sehr lesenswert (Kiepenheuer & Witsch, deutsch von Tanja Handels).

Zweimal Suhrkamp, zweimal Australien: Ansehen werde ich mir Veronica Lando»Der flüsternde Abgrund« (deutsch von Karen Witthuhn), aber ganz besonders freue ich mich auf – tataaaaa – endlich ein neuer Krimi von der wunderbaren Candice Fox»Stunde um Stunde«(deutsch von Andrea O‘ Brien)! Da kann man nichts falsch machen!

Zum Schluss noch ein Veranstaltungshinweis: am 8.11., 19.30 Uhr, findet wieder der Krimi-Talk »Abweichendes Verhalten« im Studio 24, Grunewaldstraße 24, 10823 Berlin, statt. Schon zum dritten Mal mit Sonja Hartl und Thomas Wörtche. Dieses Mal ist Johannes Groschupf zu Gast. Und ohne eine Geschichte, die uns der hinreißende Robert Rescue vorliest, gehen wir nicht nach Hause.

Das wird toll – wie immer!

Und ja, ich habe mir heute den neuen »Asterix« gekauft.

****

Jutta Wilkesmann und Hildegard Gansmüller, Wendeltreppe, Frankfurt:

Wahrhaftig,

da naht wieder mal das Jahresende – also dann:

Emmanuel Carrère: V 13 (Matthes & Seitz, Übersetzung: Claudia Hamm)

Beate Maly: Aurelia und die letzte Fahrt (DuMont)

Christof Weigold: Der Böse Vater (Kampa)

Kurt Palm: Der Hai im System (Leykam)

Michael Kobr: Sonne Über Gudhjem (Goldmann)

Eine schöne Zeit und viele Grüße

Die Wendeltreppe

** **

Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg:

In den nächsten Wochen freue ich mich besonders auf folgende Neuerscheinungen:

– Anthony J. Quinn, Frau ohne Ausweg (Ü: Sven Koch), Polar 2023, 301 S., 17 Euro: Prostitution, eine verschwundene Frau, viel Arbeit für Police Inspector Celcius Daly. Bereits der dritte Roman des Autors, der wieder die Grenzregion zwischen Nordirland und der Republik Irland als Schauplatz der Ermittlungen wählt.

– Veronica Lando, Der flüsternde Abgrund (Ü: Karen Witthuhn), Suhrkamp 2023, 400 S., 18 Euro: Eine neue weibliche kriminelle Stimme aus Australien um das Geheimnis zweier verschwundener Mädchen. Ich bin sehr gespannt.

– Doug Johnstone, Eingefroren (Ü: Jürgen Bürger), Polar 2023, 330 S., 26 Euro: Neues vom schottischen Autor aus Edinburgh, dessen Roman Der Bruch ich in allerbester Erinnerung habe.

Gerade gelesen habe ich:

– Jordan Harper, Alles schweigt (Ü: Conny Lösch), Ullstein 2023, 377 S., 22,99 Euro: Verbrechen hinter der glitzernden Fassade Hollywoods. Der Ex-Cop Chris und die PR-Beraterin Mae halten dagegen. Die Moral von der Geschicht: Die Reichen können sich alles leisten.

– Andreas Pflüger, Herzschlagkino. 77 Filme fürs Leben, Arche 2023, 176 S., 17 Euro: Sein Spionagethriller Wie Sterben geht hat ja bereits die hochverdiente Aufmerksamkeit. Seine klugen, witzigen und persönlichen Erinnerungen an Lieblingsfilme sind das perfekte Weihnachtsgeschenk für alle Cineastinnen und Cineasten.

– Michel Decar, Kapitulation, März 2023, 217 S., 23 Euro: Ein erfolgloser Dicher gefangen im Prekariat. Doch dann kommt der Gewinn des Sparkassen-Kunstpreises und alles wird anders oder auch nicht. Ein kleines Juwel über das Schreiben und den Müßiggang. Aber klar, kein Krimi.

Ich wünsche allen Buchhandelskolleginnen und -kollegen für die nächsten Wochen des Weihnachtsgeschäfts starke Nerven und Umsatz, Umsatz, Umsatz!

Torsten Meinicke

** **

Comic/ Heimkino/ Podcasts 
– von Katrin Doerksen und Thomas Groh

Deep Me von Marc-Antoine Mathieu
Reprodukt Verlag, Hardcover, schwarzweiß, 120 Seiten, bestellbar

Schwarz ist die dominierende Nichtfarbe im neuen Werk des französischen Comicphilosophen Marc-Antoine Mathieu, der in Deep Me aus der Innensicht eines Komapatienten über seine Existenz, über Mondexpeditionen und die Zeit nachdenkt. Ein Experiment mit den formalen Möglichkeiten des Comics.

Die Synagoge von Joann Sfar
avant-verlag, Hardcover, farbig, 208 Seiten, bestellbar 

In seinem neuen Band erinnert sich der französische Comiczeichner Joann Sfar an seine Kindheit und Jugend in der jüdischen Gemeinde Nizzas, die in den 1980er Jahren mit Bombenanschlägen und dem offen antisemitisch auftretenden Front National konfrontiert war. Über mehrere Zeitebenen  erkundet Sfar wie antiimperialistischer Aktivismus immer wieder in kaum verhohlenen Judenhass umschlägt – und liefert damit unversehens den Comic zur Stunde.

Das Lederhosen-Kartell von Alexander Gutsfeld für Studio Bummes, alle sieben Folgen online

Jedes Jahr im Herbst herrscht völliger Ausnahmezustand in München. Wer kann, meidet die Isar-Metropole dann. Oder fährt gerade deswegen hin: Dann ist d‘Wiesn. Oder eben das Oktoberfest. Tausende im Suff, eine Stadt ertrinkt in Bier und Kotze. Die Großkopferten verkaufen das als volkstümliche Kultur. Man kann das Oktoberfest nur hassen. Oder lieben. Oder es lieben, das Oktoberfest zu hassen.  Wer das Oktoberfest hasst, wird vielleicht ungern einen Podcast darüber hören wollen. Dabei sollten gerade diese Leute ihre Podcast-Apps anschmeißen: Denn Alexander Gutsfeld nähert sich der Wiesn in „Das Lederhosen-Kartell“ aus einer einzigartigen Perspektive: als Rikscha-Fahrer, der die Wiesn-Touris mit gepfefferten Preisen abzockt (gibt er selber zu), kennt er die Schattenseiten der Gaudi wie kaum ein zweiter. Er weiß, wer das Koks vertickt. Welches Bordell Provision springen lässt, wenn man die Besoffenen bei ihnen vor der Tür abliefert. Wie die Bierkartelle den Markt unter sich aufteilen. Wie Antiziganismus die angebliche Weltoffenheit Münchens auf eine Belastungsprobe stellt. Und wie der rechte Terror 1980 auf der Wiesn wütet. Sieben Teile, sieben Reportagen, nach denen man das Oktoberfest anders sieht. Und vielleicht noch ein bisschen weniger gern nach im Herbst nach München fährt. Oder vielleicht ein bisschen lieber.

Schwarze Kanäle – Piratenradios in der DDR von Thomas Gaevert für SWR, 53 min., online

Die Geschichte der Piratenradios gehört zu den spannenderen Aspekten der Radiogeschichte – umso mehr, wenn es sich um Piratenradios hinter dem Eisernen Vorhang handelt. Technisch wurde improvisiert, die Stasi hörte mit. Der eine war einfach Idealist, der seine Lieblingsmusik in den Osten bringen wollte, die anderen nutzten klandestine Mittel, um sich zu tarnen (Sendungsmanuskripte, die vom Osten in den Westen geschmuggelt wurden, wo sie auf neuen Schreibmaschinen abgetippt und wieder in den Osten geschmuggelt wurden und ähnliche Scherze aus dem Agentenhandbuch). Thomas Gaevert hat mit alten Protagonisten gesprochen und aufregende O-Töne zusammengesucht. Mit gallig-schwarzem Humor sendeten die DDR-Piraten subversiv gegen den grauen Staatsfunk an.

Tags : ,