Geschrieben am 1. Mai 2019 von für Crimemag, CrimeMag Mai 2019

Schatzsuche: Crime-Neuerscheinungen 5/2019

Eine Vielzahl Krimi-Neuheiten

 … erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe von: Kaliber.38 und der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Hammett (Berlin), Glatteis (München),
Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics geben Katrin Doerksen und Thomas Groh.

Jan Christian Schmidt von Kaliber.38:

Vor fast genau zehn Jahren, im April 2009, verstarb der große englische Schriftsteller James Graham Ballard. Jetzt bei Diaphanes auf Deutsch erschienen ist Ballards dystopischer Roman „Das Reich kommt„, der im englischen Original bereits 2006 herausgekommen war. Bestimmt eines der Highlighs des Jahres 2019, soweit lege ich mich fest.

Erfreulich unangenehm bestimmt auch die Lektüre „Welt ohne Skrupel“ von Jim Nisbet (Pulpmaster), über einen Kleinkriminellen in San Francisco, der das große Geschäft wittert, als er sich mit einem betrunkenen App-Entwickler anlegt. Nisbet überzeugt mit nie leicht verdaulichen, meist philosphischen noir-Romanen.

Wer in Kalifornien bleiben möchte, aber lieber Literatur mit handfesten Frauen liest, greife zu „Lola“ von Melissa Scrivner Love (Suhrkamp), ein Thriller über eine brillant-brutale Latina-Chefin einer Gang in Los Angeles.
Ebenfalls in Los Angeles spielt „Wonder Valley“ von Ivy Pochada (ars vivendi), ein Roman, in dem sich „die Wege von mehreren Personen kreuzen, die allesamt ihrer Vergangenheit entfliehen wollen“, wie wir in der Verlagsanküdigung lesen. Und weiter: „Unter der gnadenlosen Sonne Kaliforniens knallen die Schicksale der verlorenen Seelen auf eine schockierende Weise aufeinander, wie es nur in dieser so betörenden wie gefährlichen Metropole möglich ist“. Da sind wir natürlich gerne dabei! – Textauszug und CrimeMag-Kritik hier, d. Red.

Wer es gediegen mag, kann im Mai gleich aus einem guten Dutzend Maigret-Romanen von Georges Simenon auswählen, die der Kampa Verlag gerade lanciert (meist in der ollen Übersetzung, die Hansjürgen Wille und Barbara Klau in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts für Kiepenheuer & Witsch besorgten). – Siehe dazu auch Daniel Kampa in dieser Ausgabe zur Genese von Maigret, d. Red.
Solide immer die Bernie Gunther-Romane von Philipp Kerr – druckfrisch nun der zwölfte Teil der Saga, „Berliner Blau“ (Wunderlich), mit dem man nichts falsch machen kann.
Etwas aufregender vielleicht „Ravenhill“ von John Steele (Polar Verlag), eine „explosive Geschichte der Paramilitärs in Belfast“, wie es im Verlagstext heisst.
Und letztlich „Sun Detective“ von William Wells (Heyne Verlag) über einen Ex-Cop aus Chicago, der sich im sonnigen Florida niedergelassen hat, eine Kneipe betreibt und ansonsten die Sonne auf seinem Hausboot genießt. Yo, man, das Leben kann so schön sein!

Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in Berlin-Schöneberg:

Eine richtige Überraschung war das Leseexemplar, dass bereits im Januar eingetroffen ist. Remigiusz Mróz,ein junger polnischer Autor, hat mit»Die kalten Sekunden« (Rowohlt) einen unglaublichen Kriminalroman hingelegt. Eine Frau verschwindet, zehn Jahre später taucht ein Foto von ihr im Netz auf. Eine irre Reise beginnt. Wenn man auch erst einmal nicht weiß, wo sie hingeht, alles erklärt sich, spannend bis zum Schluss !Im Mai – hoffentlich bald -, kann man das Buch endlich (!) empfehlen und verkaufen, und das Schöne: der Mann hat noch viel mehr geschrieben. Übersetzer, an die Arbeit!

Johannes Groschupf kann verdammt gut schreiben, sein Roman »Zu weit draußen« (Eichborn),2006, ist leider nicht mehr lieferbar, zwar kein Kriminalroman, aber er soll hier nicht unerwähnt bleiben, irgendwo wird man ihn noch bekommen. Seine Jugendkriminalromane (Oetinger) sind lieferbar und absolut lesenswert, auch wenn man das 15. Lebensjahr schon vollendet hat. Und nun wird es richtig spannend. Bei Suhrkamp erscheint im Mai »Berlin Prepper«. Der muss gut sein. Das Cover ist es jedenfalls schon mal.

Schon im März erschienen, aber im April gelesen, so viel Spielraum muss sein: »Welch schöne Tiere wir sind« von Lawrence Osborne (Piper) spielt auf Hydra. Zwei Freundinnen begegnen einem Fremden und haben eine Idee, und dann läuft alles falsch … nicht unbedingt im Krimiregal zu finden, aber trotzdem … (Siehe auch die Besprechung von Wolfgang Franßen in dieser CrimeMag-Ausgabe, d. Red.)

Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg

Ganz frisch gelesen habe ich:
Julia Fritzsche: Tiefrot und radikal bunt. Für eine neue linke Erzählung, Edition Nautilus 2019: Kluge Texte gegen ein Verbrechen namens Kapital.
Jim Nisbet: Welt ohne Skrupel (Ü: Ango Laina und Angelika Müller), Pulp Master 2019: Klinger hat nur einen Vorteil: Wenn man schon unten ist, geht es nicht mehr viel tiefer. Ein schräger und technologiekritischer Noir.

Ivy Pochoda: Wonder Valley (Ü: Sabine Roth und Rudolf Hermstein), Ars Vivendi 2019: Ein nackter Jogger, eine versiffte Landkommune, ein Ex-Knacki auf der Suche nach seiner Mutter. Alles kommt schließlich in Los Angeles zusammen.
Tess Sharpe: River of Violence (Ü: Beate Schäfer), dtv Bold 2019: Eine Erziehung zur Gewalt: Clan-Chef Duke baut seine Tochter Harley zur Nachfolgerin auf Eine ganz starke Frauenfigur auf gut 500 Seiten.
Maike Weißpflug: Hannah Arendt. Die Kunst, politisch zu denken, Matthes & Seitz 2019: Sehr anregende Lektüre: Hannah Arendt über Literatur. Melvilles Billy Budd meets Rechtsphilosophie. 
Jorge Zepeda Patterson: Milena oder der schönste Oberschenkelknochen der Welt (Ü: Nadine Mutz), Elster 2019: Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung zwischen Marbella und Mexiko. Für solche Bücher muss der Begriff Pageturner erfunden worden sein. Gerne mehr!
Und auf dem Nachttisch liegen zur (ganz) baldigen Lektüre:
James Lee Burke: Sumpffieber (Ü: Christine Frauendorf-Mössel), Pendragon 2019
Liza Cody: Ballade einer vergessenen Toten (Ü: Martin Grundmann), Argument 2019
David Joy: Wo alle Lichter enden (Ü: Sven Koch), Polar 2019

Und noch ein paar Veranstaltungstipps:
Robert Brack liest aus seinem (noch unveröffentlichten) Roman „Noir Arabica“ am Mittwoch, 15. Mai 2019 um 19 Uhr in der St. Pauli-Kirche, Pinnasberg 80, 20359 Hamburg.
Julia Fritzsche liest aus „Tiefrot und radikal bunt“ am Donnerstag, 16. Mai 2019, um 20 Uhr im Buchladen Osterstraße, Osterstraße 171, 20255 Hamburg
Der nächste Krimi-Talk „Noir. Au Bar“ steigt am Mittwoch, 22. Mai 2019 um 20 Uhr in der der „Bar 439“, Vereinsstraße 38, 20357 Hamburg.

Monika Dobler von Buchhandlung Glatteis, München:

Gerade gelesen und begeistert: Ivy Pochoda, Wonder Valley (Ars Vivendi, Ü: Sabine Roth und Rolf Hermstein) – Roman, Krimi, Thriller? Einfach alles, auf jeden Fall spannend. Schauplätze: Kalifornien, Los Angeles. 

Tom Bouman, Im Morgengrauen (Ars Vivendi) – endlich gelesen und für genauso empfehlenswert befunden wie bereits „Auf der Jagd“. Auch Dorfpolizist Henry Farrell ist wieder im Einsatz.

Sergio Ramirez, Der Himmel weint um mich (edition 8, Ü: Lutz Kliche) – will jemand wissen, wie es in Nicaragua heute aussieht? Hier gibt es die Info durch einen hervorragend geschriebenen Kriminalroman mit Inspektor Morales, einem ehemaligen Sandinisten-Guerillero.

Kanae Minato, Schuldig (C. Bertelsmann, Ü: Sabine Lohmann) – schon ihr Roman „Geständnisse“ hat uns in den Bann geschlagen und auch der neue Roman lässt uns eintauchen in die japanische Denkweise und rätseln, was und wer und überhaupt.

Georges Simenon, Die Pitards (HoCa) – seit langem wieder mal einen Roman des Autors gelesen und wieder fasziniert von seiner Erzählkunst. Großartig übersetzt von Kristian Wachinger. – Da fällt mir auf, dass ich die Übersetzer viel öfter erwähnen sollte… wird sofort in diesen Empfehlungen nachgeholt.

Chris Brookmyre, Dein Ende (rororo, Ü: Andrea O’Brien) – ein neuer Brookmyre. Ich habe noch keinen Krimi des Autors gelesen, den ich nicht auch ohne Vorbehalte weiterempfehlen konnte. 

Ray Celestin, Todesblues in Chicago (Piper, Ü: Elvira Willems) – nach New Orleans der zweite Band seiner City-Blues-Quartett-Reihe. Als nächstes geht es nach New York, an dem schreibt der Autor allerdings noch.

Ian Halperin und Max Wallace, Mordfall Kurz Cobain (Ullstein, Ü: Corinna Müller-Enßlin und Astrid Finke) – und war es nun Selbstmord oder doch Mord?

Jutta Wilkesmann, Krimibuchhandlung Wendeltreppe, Frankfurt:

Schatzsuche folgt noch.

Christian Koch, Buchhandlung Hammett, Berlin:

Johannes Groschupf: Berlin Prepper – Auch wenn wir noch nichts vom Text vorliegen haben: Definitiv unser Buch des Monats in puncto Vorfreude und Erwartung. Berlins düstere Zukunft mit Gewalt und Chaos durch Reichsbürger und Prepper?

Jens Lapidus: Schweigepflicht – Furios temporeicher Anwaltskrimi der anderen Art. Auch schon mit den drei „alten“ Kriminalromanen beim Fischer Verlag für uns einer der besten schwedischen Krimiautoren. Garantiert ohne melancholische Kommissare oder depressive Hunde.

Nico Walker: Cherry – Knallharter Kriminalroman um einen aus dem Irak heimkehrenden Soldaten. Kriegstrauma und grassierende Opioidsucht ergeben die Mischung, an deren Ende Banküberfälle stehen. Ausweglose Situation wie bei Jim Thompson, nur dass wir uns im Amerika von heute befinden. Hammer! – Besprechung von Johannes Groschupf (ja, der) und Interview von Alf Mayer hier im CrimeMag nebenan – d. Red.

Georges Simenon: Maigret im Haus der Unruhe – Ein „neuer“ Maigret. Und alles faszinierende am Werk vom Altmeister entfaltet sich sofort wieder beim Lesen. Die Magie Georges Simenons ist nun mal einzigartig. Das Nachwort des Verlegers Daniel Kampa umfasst 20 Seiten und ist spannend wie der Roman selbst. – Hier bei uns nebenan in dieser CrimeMag-Ausgabe nachzulesen, die Red.

Kanae Minato: Schuldig – Wie leben vier Menschen mit der Schuld am Tod eines Freundes? Und wie ist ihre Reaktion, als sie lange danach anonyme Drohbriefe erhalten? Die japanische Gesellschaft mit all ihren Zwängen fokussiert in einem faszinierenden Kammerspiel. Ein Highlight des diesjährigen Bücherfrühlings. Yūzai no.

Ein besonderer Service von Hammett (mit Heidenarbeit im Hintergrund dafür) ist die aus Verlagsangaben erstellte Rubrik „Neue Krimis„. Virtuell lassen sich dort derzeit die Ankündigungen von mehr als 500 Krimis bis August 2019 durchblättern.

Comic/Heimkino
Mai 2019 – von
Katrin Doerksen und Thomas Groh

Dieses Mal sind die Beiden im wohlverdienten Urlaub.

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