Spannender Roadtrip
Den Edgar für das beste Debüt hat 2018 Jordan Harper für „She Rides Shotgun“ gewonnen, der unter dem deutschen Titel „Die Rache der Polly McClusky“ erschienen ist. Der passt in diesem Fall sogar recht gut, steht doch im Zentrum die Kriminalisierung der elfjährigen Polly McClusky.
Bisher hat sie das Leben einer Außenseiterin geführt – an der Schule hat sie so gut wie keine Freundinnen oder Freunde, denn sie ist ruhig, sehr intelligent und wirkt daher ein wenig sonderbar. Eines Tages holt sie unverhofft ihr Vater Nate von der Schule ab. Sie hat ihn so gut wie nie gesehen, weil er im Gefängnis war. Und doch erkennt sie auf den ersten Blick die Ähnlichkeit mit ihm, die ihr von ihrer Mutter immer nachgesagt wurde. Anfangs ist sie durcheinander, sie fragt sich, warum ihr Vater auf einmal aufgetaucht ist und was mit ihrer Mutter ist.
Nach und nach weichen ihre Ängste Gewissheiten: Nate ist aus dem Gefängnis ausgebrochen, weil er sich im Gefängnis mit der falschen Gang angelegt hat und nun die Neo-Nazis der Aryan Steel ihn und seine Familie zum Tode verurteilt hat. Seine Ex-Frau konnte er nicht mehr retten, aber er will Polly vor dem Tod bewahren. Fortan sind Vater und Tochter auf der Flucht und schnell entdeckt Nate an Polly Seiten, die er von sich kennt – und die er teilweise nicht gerne wiedererkennt. Aber Polly ist zäh und clever.
Jordan Harper erzählt die Geschichte in kurzen Kapitel, in denen weder Zeit noch Platz verschwendet wird. Für die Gewalt, die immer notwendig ist, findet er eine grobe, blutige Sprache, die sowohl die Faszination für die mit ihr verbundene Macht als auch die beängstigenden Folgen deutlich macht. Die Perspektive wechselt zwischen den Figuren, dennoch erlebt man das Geschehen nicht „aus ihren Augen“. Vielmehr gibt es eine Distanz, ein Rest Geheimnis, das die Figuren bei ihren Handlungen und Entscheidungen behalten.
Hier zeigt sich deutlich, dass Jordan Harper auch Drehbuchautor ist – erinnert diese Erzählweise doch sehr an Serien, in denen man zwar viel erfährt, die Figuren aber niemals vollständig zu Greifen bekommt. Dadurch ist „Die Rache der Polly McClusky“ ein spannender Roadtrip, in denen man auf Gangs und Drogenkartelle, abgehängte Menschen und gutherzige Cops trifft. Und vor allem Polly McClusky kennenlernt, die am Ende des Romans schmerzlich schnell der Kindheit entwachsen musste.
Jordan Harper: Die Rache der Polly McClusky (She Rides Shotgun, 2017). Übersetzt von Conny Lösch. Ullstein Verlag, Berlin 2018. 288 Seiten, 15 Euro.
Sonja Hartls Interview mit Jordan Harper und ihr Blogbeitrag im Resonanzboden des Ullstein Verlages. Ihre Texte bei CrimeMag hier.