Geschrieben am 23. August 2008 von für Comic, Crimemag

Peter van Dongen: Rampokan – Java

Virtuos gezeichnet, komplex erzählt

Als Antidot gegen schlecht recherchierte, backsteinschwere und geschwätzige Thriller, die in fernen Ländern spielen und lediglich den Modetrend zum „Exotismus“ bedienen, ein gezeichneter Roman von grandioser Qualität – bewundert von Thomas Wörtche.

Rampokan – Java, der erste von zwei Teilen einer historischen graphic novel von Peter van Dongen, spielt 1946 auf Java und in umliegenden Gegenden des ehemaligen holländischen Kolonialreichs. Wir kennen diese Inselwelt (wenn nicht aus Emilio Salgaris „Sandokan“-Romanen vom Anfang des letzten Jahrhunderts) vielleicht aus ein paar Erzählungen von Somerset Maugham, von Joseph Conrad oder auch aus den entsprechenden Thrillern von Gavin Black oder Eric Ambler. Garry Dishers kapitaler Weltkriegsroman Hinter den Inseln spielt zu Teilen dort, aber Peter van Dongen macht uns mit seinem Projekt erst so richtig die Augen auf für diesen Teil der Welt.

Java – nach dem Krieg

Schon die Exposition ist meisterlich: Sieben schmale, über zwei Seiten quer laufende Panels, die sieben landestypische Särge zeigen, pro Panel unterschiedlich belichtet in den drei Grundfarben des ganzen Albums: Schwarz, weiß, sepia.
Sieben Särge, sieben Menschen, sieben Biographien und ein großer Vogel, der erst als Schatten, dann als Körper von links oben nach rechts unten über die Doppelseite fliegt, hinein in die Handlung ….
1946: Japan, das auch Java besetzt und nach den üblichen Methoden gewütet hatte, ist besiegt. Die Holländer möchten „ihr“ Ostindien wieder haben und schicken ihre Armee, bestehend meistens aus Freiwilligen und Menschen, die vor den Japanern geflohen waren, um ihre Besitzungen wieder zu kontrollieren. Aber der anti-japanische Widerstand hat, wie überall in Fernost, eine eigene antikoloniale, nationalistische Dynamik gewonnen. Und die kommunistischen Parteien der Gegend haben die straffste und effektivste Organisation zu bieten.

Klare Linie

Das ist der notwendige Hintergrund, der akribisch recherchierte und virtuos gezeichnete (selten war die ligné claire so klar wie hier, in ihrer post-&-neo-Phase, das ganze Projekt hat seinen Entstehungsbeginn 1998, aber das tut nichts zur Sache) Spielplatz, auf dem die komplexe Story stattfindet: Die Geschichte des naiven, jungen Johan Knevel, der sein persönliches Vorkriegsleben wieder haben möchte und merken muss, dass Zeit, Geschichte und Weltpolitik auch an ihm nicht vorbeigehen. Seine holländischen Kameraden langen kräftig hin, der Kolonialkrieg fängt an, sehr hässlich zu werden. Und Knevel verliebt sich auch noch in eine Chinesin. Eine symbolische Ebene mit Raubkatzenkämpfen und Ritualen durchzieht leitmotivisch das Album, ironisch gebrochen, fast shakespeare’sch „nieder“ gespiegelt durch das Leitmotiv des Ausspuckens.

Ein ganz und gar „klassischer“ Abenteuer- und Polithriller, der von fernen Zeiten und Welten erzählt. Künstlerisch spannend, weil aufregend, einfallsreich, meisterlich in der Handhabung aller Mittel und Techniken, intelligent. Nicht meta, nicht bemüht. Deswegen auch inhaltlich spannend. Oder umgekehrt.

Thomas Wörtche

Peter van Dongen: Rampokan – Java (Rampokan – Java, 1998/2005). Comic. Deutsch von Jan Kruse. Berlin: avant-verlag 2008. 74 Seiten. 17,95 Euro.